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Schliengen Ein Zeichen der großen Sorge

Weiler Zeitung
Dietmar Gabelmann (links) und Gert Willmann (rechts) haben ein grünes Kreuz aufgestellt - sie protestieren gegen das Volksbegehren „Rettet die Bienen“. Foto: Jutta Schütz Foto: Weiler Zeitung

Artenschutz: Auch Bauern im Eggenertal demonstrieren mit grünen Kreuzen gegen „Rettet die Bienen“

Gert Willmann und Dietmar Gabelmann haben jetzt auch im Eggernertal grüne Kreuze aufgestellt. Seit mehreren Wochen stehen sie in Feldern und Weinbergen, auf Wiesen, in den Reben und in Obstanlagen und an Straßen.

Von Jutta Schütz

Schliengen-Niedereggenen . Ursprünglich wollten junge und ältere Landwirte damit auf das Höfesterben und die Folgen des Agrarpakets der Bundesregierung aufmerksam machen. In Baden-Württemberg aber protestieren Landwirte, Winzer, Gemüse- und Obstbauern mit dem Aufstellen der grünen Holzkreuze vor allem gegen das Volksbegehren „Rettet die Bienen“.

Unterstützung erhalten sie jetzt auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Wie Gabelmann und Willmann sowie viele Landwirte befürchtet auch der Ministerpräsident, dass das komplette Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten dramatische Folgen für die heimische Landwirtschaft bringen würde, denn ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in Baden-Württemberg liegt in Schutzgebieten.

Investitionen liegen auf Eis

„Wenn das Volksbegehren so durchkommt, wie angestrebt, dann hätte das schlimme Folgen für uns, egal ob wir konventionell oder biologisch wirtschaften“, sagt Gabelmann. Er traut sich wie viele Landwirte und Winzer derzeit nicht, noch etwas in den Hof zu investieren. „Die Investitionen liegen nicht nur bei mir auf Eis – alle warten ab, was kommt, ob wir weitermachen können oder ob wir unsere Betriebe dicht machen müssen“, berichtet er.

Willmann erklärt, dass sowohl Naturschützer als auch Landwirte im Kern dasselbe wollen. „Wir alle wünschen uns einen guten Boden, eine große Artenvielfalt, den Erhalt von Strukturen – wir Landwirte leben doch vom Boden, wir setzen gegen Schädlingsbefall nur ein, was erlaubt ist und das nur, wenn es nötig ist“, betont er.

Kompromiss muss gefunden werden

Dass biologisch wirtschaftenden Winzern jetzt auch noch das Verbot der Verwendung von Kupfer bei der Pilzbekämpfung droht, „das verstehen selbst die Experten bei Ecovin nicht“, so Willmann, der noch ein Beispiel anführt: Am Naturschutzgebiet Tüllinger nämlich arbeiten Landwirte und Naturschützer, Stichwort Truz, mittlerweile gut zusammen. „Das gewonnene Vertrauen ist sicherlich weg, wenn dieses Volksbegehren durchkommt, zum Schaden aller, die mühsam zusammen etwas aufgebaut haben“, ärgert sich der Obstanbauer. „Wir müssen einen Kompromiss suchen, so geht’s nicht weiter“, finden Gabelmann und Willmann.

Verbände haben zu spät reagiert

Kritik äußern sie auch an den eigenen Berufsverbänden. Diese hätten nicht reagiert, als sich das Volksbegehren anbahnte. „Man hätte das Gespräch mit den Initiatoren suchen müssen, und das rechtzeitig“, sagt Willmann.

Gabelmann stellt fest, dass den Verbrauchern nicht daran gelegen sein könne, wenn heimische Produkte aus dem Marktregalen verschwinden und dafür frische Ware aus der Türkei oder Südamerika eingeführt wird, wo Spritzmittel erlaubt sind, die in Deutschland längst verboten wurden.

Gerade im Eggenertal gibt es bei unterschiedlicher Bewirtschaftung mit Feldern, Streuobstwiesen, Obstplantagen und Reben eine große Artenvielfalt. „Das zeigt doch, dass es die Mischung macht und die Vielfalt bei Vögeln und Fledermäusen hat auch die lokale BUND-Ortsgruppe in einer Kartierung belegt“, stellen die beiden Landwirte fest.

Die Mischung ist vor Ort zu sehen. Gabelmann lässt überall kleine Strukturen stehen, wenn er mäht. „Hürscht und Hecken und auch mal der eine oder andere Steinhaufen sind wichtig für Igel, Vögel, Eidechsen, Mauerbienen und mehr“, erklärt er.

Pflanzenschutz entwickelt sich stetig weiter

Der Einsatz von Spritzmitteln gegen Schädlinge werde bei manchen Kulturen immer schwieriger: Stichwort Kirschessigfliege. „Gegen diesen Schädling sind wir machtlos, wir haben nichts, das wirklich greift, ich glaube deshalb auch nicht, dass Kirschanlagen noch eine große Zukunft im Eggenertal haben“, ist Gabelmann pessimistisch. „Wir bilden uns auch ständig weiter, müssen die Stoffe kennen, die wir einsetzen, wir arbeiten im Pflanzenschutz mit Nützlingen, wir ziehen Proben, wir liefern viele Nachweise und Dokumentationen ab – wir sind wirklich Fachleute, denen die Natur auch am Herzen liegt – was wir brauchen ist aber auch eine Wirtschaftsgrundlage“, zählt er weiter auf.

Flächenverbrauch soll stärker in den Fokus rücken

Was die beiden Landwirte wirklich ärgert ist, dass zum einen für Kleingärtner so manches „Spritzmittel“, das Bauern nicht mehr anwenden dürfen, nach wie vor frei erhältlich ist und dass der Faktor des Flächenverbrauchs mit Sicht auf das Artensterben viel zu kurz kommt: „Hier bei uns verschwindet hektarweise Land unter Steinen und Asphalt für Gewerbegebiete, für Baugebiete und – im privaten Raum – für die pflegeleichten, aber toten Steingärten“, konstatiert Gabelmann. Was aber einmal versiegelt ist, ist weg – als Produktions-, als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, so Willmann.

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