Schliengen Freundschaft in düsteren Zeiten

Weiler Zeitung
„Wazlaus“ wieder daheim mit Frau und Kind in Polen. Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Historie: Niedereggener Familie nimmt trotz Verbots des NS-Regimes einen Kriegsgefangenen auf

Eine Freundschaft zwischen einer deutschen Familie und einem Zwangsarbeiter war im NS-Staat nicht erwünscht. Dennoch nahm eine Niedereggener Familie den Polen „Wazlaus“ in ihrem Haus freundschaftlich auf. Für beide Seiten eine glückliche Verbindung, wie der Eggener Dorfchronist Herbert Schumacher erzählt.

Schliengen-Niedereggenen . Während der Nazi-Staat einen Vernichtungsfeldzug gegen Polen führte, mussten die Menschen aus dem besetzten Gebiet in Deutschland Zwangsarbeit leisten. Da viele deutsche Männer im Krieg waren, dienten unter anderem Kriegsgefangene dazu, die Versorgung der Bevölkerung im Deutschen Reich aufrechtzuerhalten.

Einer von den vielen polnischen Kriegsgefangenen war Waclaw Przyqoda. Er kam nach dem Polen-Feldzug im Zweiten Weltkrieg nach Niedereggenen zu einer Bauernfamilie. Bis zum Kriegsende blieb er dort als Arbeitskraft untergebracht.

Vor Besatzung bewahrt

„Wazlaus“, wie er von den Niedereggenern genannt wurde, erging es jedoch ganz anders als vielen seiner Leidensgenossen. Obwohl im damaligen NS-Staat es strengstens untersagt war, Kriegsgefangene an der familiären Runde teilhaben zu lassen, wurde ihm über die ganzen Kriegsjahre hinweg der volle Familienanschluss gewährt.

Dieser Anschluss war laut Schumacher noch erstaunlicher, da der Familienvater um einiges älter als der polnische Kriegsgefangene war und sich selbst von „Wazlaus“ beim Vornamen duzen ließ. Zudem war er noch an der Ostfront im Offiziersrang im Kriegseinsatz.

Doch die enge Beziehung zur Bauernfamilie sorgte auch dafür, dass Wazlaus „seine“ Niedereggener Familie später, als sein früherer Dienstherr bereits seit einigen Jahren als Soldat an der Ostfront eingesetzt war, vehement beschützte. So verhinderte er beispielsweise, dass das Wohnhaus der Niedereggener Familie bei dem Einmarsch der alliierten Truppen 1945 von der neuen Franzosen-Marokkaner-Besatzung überfallen und ausgeplündert wurde.

Versetzt dank Fürsprache

Die Freundschaft endete auch nicht, als Wazlaus wieder zurück nach Polen durfte. Auf seiner Heimreise zu Frau und Sohn ging er zunächst einmal in ein polnisches Kriegsgefangenenlager, um dort für seinen ehemaligen Niedereggener „Chef“ entlastend auszusagen und damit die sofortige Freistellung erreichte. Jedoch hieß dies nicht, dass der Familienvater früher in sein Heimattal zurückkehren durfte, sondern dass er nicht mehr im gefährlichen Bergwerksbetrieb bei härtester Knochenarbeit tätig sein musste. Er wurde stattdessen in die Mitgefangenenverpflegung versetzt. Erst im Mai 1950 durfte der Niedereggener nach siebenjähriger Abwesenheit wieder zu seiner Familie und in seine Heimat zurückkehren.

Stetiger Briefwechsel

Ab dem Kriegsende bis zum Tod des Familienvaters blieb jedoch die deutsch-polnische Freundschaft ein fester Familien-Bestandteil. So besuchten sich Wazlaus und die Bauernfamilie gegenseitig oder es werden Pakete und Briefe ausgetauscht.

Aber die Verbindung nach Polen erlosch auch nicht, nachdem der Familienvater verstorben war. Die nächste Generation übernahm den weiteren Briefverkehr per Schreibmaschine und führte dies bis zum Tod von Wazlaus fort.

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