Schliengen Göring, Goebbels und das Ende

Weiler Zeitung
Anfang 1939 wohnt Richard Sichler mit seiner Ehefrau Nelly auf Bürgeln, trägt sich aber schon bald mit Abwanderungsgedanken.Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Serie 100 Jahre Bürgeln-Bund: Teil 5: Reichsluftfahrtministerium wird auf illegalem Weg Eigentümer

Schliengen-Obereggenen - „Z’Bürglen uf der Höh, nai, was cha me seh! Oh, wie wechsle Berg un Tal, Land un Wasser überal, z’Bürglen uf der Höh!“, heißt es in Johann Peter Hebels Gedicht „Der Schwarzwälder im Breisgau“. Vor 100 Jahren gründete sich der Bürgeln-Bund und kümmert sich seither um die „gute Stube“ des Markgräflerlands. Die Planungen für die Jubiläumsfeierlichkeiten liegen derzeit coronabedingt auf Eis.

Bürgeln-Kenner Anton-Josef Martin blickt in einer sechsteiligen Serie für unsere Zeitung auf die Geschichte des Vereins von der Gründung bis zur Gegenwart zurück. „Göring, Goebbels und das Ende“ sind Thema des fünften Teils der Serie.

Nach seiner Rückkehr Anfang 1939 wohnt Richard Sichler mit Ehefrau Nelly auf Bürgeln, zum ersten Mal hält er sich für längere Zeit dort auf. Doch schon bald trägt er sich mit Abwanderungsgedanken. Die Führungsriege des Vereins – außer Kammüller – war jetzt unter nationalsozialistischem Einfluss.

Schon bald erweckte Bürgeln das Interesse von mehreren NS-Institutionen. Die SS von Reichsführer Himmler, die DAF (Deutsche Arbeitsfront) mit ihrem ehrgeizigen Führer Robert Ley, die Marine, die Gauleitung in Karlsruhe um Robert Wagner und dann plötzlich das RLM (Reichsluftfahrtministerium) mit Hermann Göring – verschiedene Institutionen bewarben sich um Bürgeln, manche drohten mit Enteignung. Und dazwischen der Pächter Richard Sichler, der durch seinen Pachtvertrag das „Zünglein an der Waage“ spielen konnte.

Landgericht macht Eintrag rückgängig

Dann der Eklat: Göring erzwingt am 27. Juli 1942 über einen „willigen Notar“ im Müllheimer Notariat widerrechtlich den Grundbucheintrag (noch heute für Juristen „unglaublich“). Dieser Eintrag zu Gunsten des RLM wurde durch den Einspruch des Bürgeln-Bundes beim Landgericht Freiburg wieder aufgehoben. Sichler, der die illegale Übernahme durch das RLM und Göring durch die Aufgabe seiner Grundbuchrechte erst ermöglichte, wurde zur Zielscheibe der Angriffe (als einzige Institution war das RLM bereit, Bürgeln im derzeitigen Zustand als Kulturobjekt zu erhalten und weiter für die Bevölkerung offen zu halten).

Bei der Mitgliederversammlung am 24. Januar 1943 in Eimeldingen wurden Richard Sichler und Erwin Gugelmeier, der sich in Berlin auch für das RLM ausgesprochen hatte, aus dem Bürgeln-Bund ausgeschlossen. Die beiden Akteure, denen wir das heutige Bürgeln verdanken, wurden übel vom NSDAP-Kreisleiter Grüner diffamiert („...dieser Mann gehört in ein Konzentrationslager“). Sichler war im Gegensatz zu Gugelmeier anwesend. Die besondere Brisanz in Eimeldingen: Den Antrag auf Ausschluss formulierte der erste Dichter des Markgräflerlandes, Hermann Burte.

Sichler und Burte waren bis 1933 befreundet. Danach trennten sich ihre Wege. Hugo Grüner, der Kreisleiter der NSDAP, übernahm die Regie. Wohl gelang es ihm, Sichler die Ehrenbürgerwürde zu entziehen, aber ihn von Bürgeln zu entfernen gelang ihm mit dem Müllheimer Landrat Ribstein nicht, obwohl beide das Innenministerium in Karlsruhe bedrängten. Bei Gugelmeier, dem ehemaligen Oberbürgermeister Lörrachs, scheiterte Grüner gar mit dem Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerwürde. Der Gemeinderat Lörrach folgte ihm nicht.

Aber wie soll es weitergehen, wenn Sichler Bürgeln verlässt? Kreisleiter Grüner bat den Gauleiter Badens, Robert Wagner, einen neuen Pächter für Bürgeln zu finden. So wurde Sichler mit der „Goebbels-Stiftung“ aus Berlin einig. Er verkaufte seine Inneneinrichtung unter der Zusicherung, dass Bürgeln als Kulturdenkmal erhalten bliebe. Propagandaminister Joseph Goebbels dachte dabei an ein Heim für Kulturschaffende, eine Namensliste hatte er im Herbst 1944, als das Dritte Reich im Untergang begriffen war, bereits persönlich zusammengestellt. Doch die Zimmer blieben leer, die Kriegsfront kam immer näher.

Sichler setzt Gebäude wieder in Stand

Auch nach Ende des Krieges, als seine Vertragspartner tot oder als NSDAP-Verantwortliche interniert waren, übernahm Sichler die Verantwortung nach dem Beschuss Bürgelns vom 3. April 1945. Er setze das Gebäude wieder in Stand. Außer ihm war weit und breit niemand mehr da, auch einen Bürgeln-Bund gab es nicht mehr.

Bisher sind erschienen:

Teil 1 – Die Gründung des „Bürgeln-Bundes“ (Donnerstag, 18. Juni)

Teil 2 – Die Rettung Bürgelns (Donnerstag, 25. Juni)

Teil 3 – Die Restaurierung Bürgelns (Montag, 29. Juni)

Teil 4 – Bürgeln in der Vorkriegszeit (Freitag, 10. Juli)

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