Schliengen Künstlicher Duft verwirrt die Männchen des Traubenwicklers

Silke Hartenstein
Die Helfer bei der Arbeit Foto: Silke Hartenstein

Ein sonniger Samstagnachmittag am Obereggener Bammerthüsli: Mehr als 30 Kinder, Teenager, Männer und Frauen kommen hier zusammen, nahezu alle tragen am Gürtel ihre Chriesichratte.

An sich benutzt man diese Spezialkörbe für das Kirschenpflücken, heute werden sie gebraucht, um die Hände frei zu haben für das Anbringen von Pheromon-Dispensern im Weinberg.

Den Zeitraum für die gemeinsame Pheromonaktion der Winzer gibt die Weinbauberatung vor, erklärt Timo Hemmer, Niedereggenens Ortsvorsteher und Winzer. Als Obmann für die Pheromonaktion vor Ort bestellt er die Dispenser und rechnet mit den Winzern und dem Landkreis ab. Die Dispenser, lange dünne rotbraunen Streifen aus biologisch abbaubarem Kunststoff, ersetzen mittlerweile die braunen Pheromonkapseln aus Plastik, die man mitunter noch in den Weinbergen sieht. Hemmer hält eine fast schon militärisch anmutende Einsatzbesprechung, führt vor, wie man die Streifen zügig einschlauft und anbringt, dann teilt er die mehr als 30 Helfer in vier Gruppen ein: „Ein Trupp do obe hintere, ein Trupp do abe hintere“.

In jeder zweiten Rebstockreihe, an jeder fünften Rebe muss ein Dispenser angebracht werden. Ziel ist das Schaffen einer lückenlosen Duftglocke über dem Weinberg. Damit werden die Reben vor Schadinsekten geschützt: Gut für die Umwelt, schlecht für die Weibchen des einbindigen und des bekreuzten Traubenwicklers. Mittels ihrer Duftstoffe wollen sie die Männchen anlocken, doch ihre Duftstoffe werden durch die Pheromone der Dispenser so stark überdeckt, dass die Männchen die Orientierung verlieren und ihre potenziellen Partnerinnen nicht finden. Und wo es keine Paarung gibt, gibt es später auch keine „Heuwürmer“ und „Sauerwürmer“ – so heißen die Raupen der ersten und zweiten Generation, die zuerst die Weinblüten und später die Beeren anfressen. „Verwirrungsmethode“ nennt man diese umweltfreundliche Art der Schädlingsbekämpfung, die den, übrigens preiswerteren Einsatz von Insektiziden gegen den Traubenwickler überflüssig macht. Das funktioniert jedoch nur dann, wenn die Duftglocke gleichzeitig und lückenlos geschaffen wird. Die Traubenwickler-Population habe man so gut im Griff, stellt Hemmer fest. Pro Hektar braucht es 500 Dispenser für 200 Euro, die Hälfte der Kosten wird über Agrarsubventionen bezuschusst. Acht Hektar sind heute Nachmittag in Arbeit.

Ein kleiner Junge wackelt mit energischem Schritt zwischen den Großen herum, eine große Senftube in der Hand. Doch zuerst kommt die Arbeit. Zügig laufen die Helfer los. Auch Hemmer bringt routiniert einen Dispenser nach dem Anderen an und findet beim Blick über das noch weiß blühende Kirschblütental: „Andere kommen da her zum spazieren, wir dürfen hier schaffen“. Nach gut eineinhalb Stunden ist die Arbeit getan, beim Bammerthüsli gibt es Grillwurst, Bauernbrot, Weinschorle und Spezi für Alle – und auch die Tube Senf kommt nun zum Einsatz.

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