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Schönau Perfektes Jahr für die „Zugabe“

Markgräfler Tagblatt
Kamen in Aitern mit ihrem kabarettistischen Jahresrückblick gut an und um „Zugaben“ nicht herum: Volkmar Staub (links) und Florian Schroeder. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Kabarett: Florian Schroeder und Volkmar Staub treten in der Belchenhalle in Aitern auf

Was für ein Jahr! Jamaika ade, GroKo oh je, Trump kontra Raketenmann Kim Jong Un, die Air Berlin im Sinkflug mit Bauchlandung, in Frankreich mit Emmanuel Macron ein neuer Sonnenkönig, Boris Becker war nie pleite, Martin Schulz bald hochgepuscht, bald abserviert... Die Liste ist endlos, wie die Schlagzeilen, und reicht von Brexit, Doppelspitze, Paradise Papers über Straßenschlachten, brennende Barrikaden, Terror bis zur Ehe für alle. Was will man noch mehr?

Von Jürgen Scharf

Aitern. Was für ein Jahr? Genau das richtige für kabarettistische Jahresrückblicke. Da kommen Florian Schroeder und Volkmar Staub um eine „Zugabe“ nicht herum. Natürlich, die Themen wechseln von Jahr zu Jahr, ebenso die Protagonisten, aber kabarettistisch gesehen war das ein Superjahr, denn noch immer hat Deutschland keine neue Regierung. Das spornt die politischen Kabarettisten an, und so wird auch bei dem Duo Schroeder/Staub einmal mehr das Jahr 2017 aufgearbeitet, zugespitzt, überhöht.

Das war bei den beiden immer schon so, und das ist auch bei dieser Zugabe, mit der sie zum ersten Mal in der mit 200 Besuchern gefüllten Belchenhalle in Aitern gastierten, so geblieben. Da sitzen sie an zwei Tischen, weit voneinander getrennt, der eine, Staub, der Alt-68er, ein Meister der Wortspielnummern und der Sketche. Man denke nur an sein starkes Solo als Luis Trenker beim G 20-Gipfel, wo es knüppeldick kommt, oder an den Dauerbrenner „Winnetou“: Staub mit nacktem Oberkörper, der als Häuptling für die roten Brüder (vom Stamme der Sozialdemokraten) schwarz sieht.

Ihm gegenüber im feinen Großstadtzwirn, stylish und sich der Wirkung bewusst, der sprachmächtige Politsatiriker, Parodist und Imitator Schroeder, dem der Stoff dieses Jahr auch nicht ausgeht und der verbal Vollgas gibt. Man merkt aber auch, hinter jeder Pointe steckt gute Recherche. Schroeder ist nicht nur viel im Fernsehen, er muss auch viel Fernsehen schauen, um alles so gründlich aufzuarbeiten. Ein Hilfsmittel ist die Videoleinwand mit prominenten Politikergesichtern von Merkel bis Lindner, denen sie Sachen in den Mund legen.

Da werden die politischen Ereignisse des Jahres persifliert und kommentiert, vor allem die Nachwehen der Bundestagswahl, das erschreckende Abschneiden der AfD, die geplatzten Jamaika-Verhandlungen, Schulz als „Merkel mit Bart“. Themen, die vor allem den ersten Teil beherrschen und sich anfühlen, wie wenn man etwas trocken Jahresbilanz zieht und die Ereignisse Stück für Stück abhakt.

Schroeder gibt ein großes Solo über Facebook und den Staats-Trojaner, die totale Überwachung, Vorratsdatenspeicherung, Gesichtserkennung. Dabei fällt auf, dass beide sich inhaltlich einig sind. Es wird, anders als früher, kaum gestritten. Bis auf die selbstironische Luther-Nummer, in der sie zuerst auf friedlich machen, um sich dann – gespielt – ziemlich fies zu beschimpfen als „semi-intellektueller Möchtegern-Fernsehkarrierist mit angeklebtem Hipsterbart“ (Staub über Schroeder) und „aufgedunsener Wortspiel-Witzbold“ (Schroeder über Staub).

Man hätte sich an diesem Abend noch mehr solcher „Streitkultur“ gewünscht. Besser in den Gags und der Themenaufbereitung als dieser erste Teil, bei dem die Politik durchgehechelt wird, kommt es nach der Pause. Da wird mit subversiven Textsorten gegen die Mächtigen gelästert, das politische System entlarvt und „ausgemistet“. Dabei merkt man, dass die beiden Moralisten und Weltverbesserer aus zwei Generationen kommen. Staub hat sich noch mit Kohl rumgeschlagen, Schroeder arbeitet sich an Merkel ab und parodiert den nuschelnden Kretschmann.

Wenn sie sich zusammentun und mal schauspielerisch agieren wie im Sketch Reichsbürger und Polizist oder im „Nachtgespräch“ am Kaminfeuer über die aktuelle Sexismus-Debatte nachdenken, dann lockert das die politische Bestandsaufnahme im Rückblick doch stark auf.

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