Schönau Urkundenschatz akribisch aufbereitet

Markgräfler Tagblatt

Geschichte: Das Werk „Schönau im Mittelalter – Ein Buch mit vielen Siegeln“ liegt jetzt vor

Wer durch das Buch „Schönau im Mittelalter“ blättert und dabei einen Blick auf die Abbildungen der Originalurkunden wirft, kann unschwer erahnen, was für eine Heidenarbeit es gewesen sein muss, diese bis zu 600 Jahre alten Dokumente aufzubereiten. Eine Gruppe Schönauer Bürger hat sich in den vergangenen fünf Jahren dieser mühevollen Aufgabe gewidmet – und dabei einige so unerwartete Erkenntnisse gewonnen, dass man die Entscheidung getroffen hat, das zu Tage getretene historische Wissen in Buchform zu veröffentlichen.

Von Peter Schwendele

Schönau. „Ich war fasziniert, als ich die alten Urkunden das erste Mal gesehen habe, mir war schnell klar, dass es sich um wertvolle Dokumente handelt“, erinnert sich Christine Stiegeler vom Klösterleverein, bei der die Fäden des Projekts zusammengelaufen sind. Als der historisch und heimatkundlich orientierte Verein Ende 2013 damit begann, die Papiere zu sichten, hatten sie schon viele Jahre im Schönauer Rathausarchiv gelagert und waren fast gänzlich in Vergessenheit geraten.

275 Seiten starkes, reich bebildertes Werk

Bei der Begutachtung gemeinsam mit Kreisarchivar Oliver Uthe wurde zumindest im Groben bereits deutlich, mit was man es zu tun hatte. Es war „ein geschichtlicher Schatz, über den kaum eine andere Gemeinde im Landkreis Lörrach verfügt“, heißt es in dem 275 Seiten starken, reich bebilderten Werk „Schönau im Mittelalter – Ein Buch mit vielen Siegeln“. Immerhin stammen die 16 auf Pergament gefertigten Urkunden aus der Zeit von 1391 bis 1508. Mithin sind die am weitesten zurückreichenden Dokumente über 600 Jahre alt.

Dazu kommt, dass auf den Schönauer Urkunden nur wirklich wichtige Ereignisse festgehalten worden waren. Die Personen, um die es geht, sind keine Tagelöhner oder Knechte, sondern gehören der dörflichen Oberschicht, dem Rat oder der Herrschaft an.

Wie sich bald herausstellte, wäre die Bearbeitung des Funds durch Spezialisten der historischen Forschung ein sehr teures Unterfangen geworden, woraufhin sich der Arbeitskreis „Alte Schönauer Urkunden“ bildete. Mitglieder des Klösterlevereins und eine Reihe weiterer interessierter Bürger machten sich nach der notwendigen Digitalisierung der Urkunden ab 2015 zunächst an die mühsame Arbeit der Transliteration, also der buchstabengetreuen Übertragung der handschriftlichen Texte in Schreibmaschinenschrift, gefolgt von der ebenfalls anspruchsvollen Aufgabe der Transkription, der Übertragung der mittelhochdeutschen Texte in heutiges Schriftdeutsch.

Viele spannende und aufschlussreiche Aspekte

Doch was steht denn nun in den historischen Dokumenten? Was ist der Inhalt des „Schönauer Urkundenschatzes“? „Es geht um alle möglichen Themen“, sagt Christine Stiegeler, und ganz viele Aspekte seien hochspannend und aufschlussreich. So lässt sich etwa mit einer Urkunde aus dem Jahr 1391 Licht auf die damaligen Rechtsverhältnisse im Grundstücksbereich werfen. Ein niedergeschriebenes Darlehensgeschäft belegt, dass die Schönauer ihre Grundstücke belasten konnten, ohne das zu dieser Zeit in der Region übermächtig erscheinende Kloster St. Blasien miteinzubeziehen.

Interessante Erkenntnisse finden sich auch in Bezug auf die Leibeigenschaft. „Es zeigte sich etwa, dass in Schönau im 13. Jahrhundert immer wieder Leibeigene des Klosters aus dem Umland aufgenommen wurden, was dem Abt gar nicht passte“, berichtet Christine Stiegeler.

Bemerkenswert sind ebenfalls Erkenntnisse im Hinblick auf die Stellung von Frauen. Wer davon ausgeht, dass Frauen im Mittelalter prinzipiell recht- und vermögenlos waren, liegt offenbar falsch. Denn eine der Urkunden belegt, dass eine gewisse Vreni Tunauer nach ihrem Tod ein beträchtliches Vermögen, aber kein Testament hinterlassen hat. Die Folge waren Erbstreitigkeiten. „Es waren solche unerwarteten Ergebnisse unserer Arbeit, die uns schließlich bewogen, das Ganze zu einem Buch zusammenzufassen“, erläutert Stiegeler.

Und ganz nebenbei hat der Arbeitskreis „Alte Schönauer Urkunden“ bei seiner akribischen Arbeit auch der Nachbarstadt Todtnau einen Dienst erwiesen, denn in dem Buch findet sich auch die erstmalige Veröffentlichung der Ersterwähnungsurkunde von Todtnau in deutscher Übersetzung. In diesem aus dem Jahr 1025 stammenden Dokument gibt König Konrad II. (990-1039, ab 1027 römisch-deutscher Kaiser) Lehen in Todtnau an das Kloster Murbach ab. Daraus folgende Erkenntnis: Todtnau wurde bereits 1025 urkundlich ersterwähnt und damit fast 100 Jahre früher als Schönau. Ganz davon abgesehen, „dass es sehr bemerkenswert ist, dass sich damals ein König mit Todtnau beschäftigte“, wie Christine Stiegeler schmunzelnd bemerkt.

Wichtiges Hilfsmittel für regionale Forschung

Überhaupt betont die Leiterin des Urkundenteams, dass die gewonnenen Erkenntnisse über Schönau hinausgehen und verweist etwa auf die im Hotzenwald zu verortende Hauensteiner Einung. Von Seiten historisch interessierter Zeitgenossen und der Historiker-Fachwelt gab es jedenfalls schon viel Lob für die außergewöhnliche Schönauer Fleißarbeit. So spricht beispielsweise Kreisarchivar Oliver Uthe von einem „wichtigen Hilfsmittel für die Regionalgeschichtsforschung“.

„Schönau im Mittelalter – Ein Buch mit vielen Siegeln“; herausgegeben vom Förderverein Klösterle Schönau; mit Beiträgen von Hermann Asal, Rolf Berger, Ingo Braun, Joachim Dix, Bernd Götz, Renate Götz, Emil Hamm, Isabella Herling, Armin Krämer, Dietmar Maldacker, Dirk Pfeffer, Xaver Schwäbl, Werner Seger, Christine Stiegeler, Christoph Tröndle und Doris Zimmermann.

Das Buch kostet 15 Euro und ist bei folgenden Stellen erhältlich: Autohaus Ganzmann Schönau, Schreibwaren Müller Schönau, Tankstelle Karle Schönau, Getränkevertrieb Stib-Gritsch Schönau, Tourismusbüros Schönau, Wieden und Zell, Schreibwaren Splash Todtnau. Kontakt und weitere Infos: Christine Stiegeler, Tel. 07673/888435, E-Mail: christine.stiegeler@107inet. de.

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