Schopfheim Begegnung von Allgäu und Karpaten

Jürgen Scharf
Im multikulturellen Dialog: Die Jazzsängerin Tamara Lukasheva und der Allgäuer Multiinstrumentalist Matthias Schriefl bei „Akustik in Agathen“. Foto: Jürgen Scharf

Kultur: Duo Matria in vollbesetzer St. Agathe / Wanderer zwischen den Welten

Von Jürgen Scharf

Schopfheim-Fahrnau. Der erste Schreckmoment weicht einem staunenden Aha-Effekt: Matthias Schriefl lässt das Alphorn über den Köpfen der Zuhörer kreisen. Instinktiv zieht man da seinen Kopf ein, geht in Deckung. Doch da bläst der Allgäuer Musiker die Alphornmelodie schon weiter.

Das war einer der spektakulärsten Momente bei dem Auftritt des Duos Matria im vollbesetzten Fahrnauer Kirchlein St. Agathe, wo der „Weltmeister des Blechs“ und die „Stimmfee“ Tamara Lukasheva, wie die beiden herausragenden Jazzmusiker und experimentierfreudigen Improvisationskünstler gern apostrophiert werden, aufeinander trafen.

Sie setzt ihre Stimme als Instrument ein, er bläst gleichzeitig (!) das Alphorn und das Euphonium (wie er das macht: keine Ahnung). Schriefl ist ein Multiinstrumentalist, firm auf Trompete, Flügelhorn und Akkordeon. In Fahrnau spielt er ein historisches Instrument, ein kleines altes von Hohner, das ihm Veranstalterin Anja Lohse für den Abend ausgeliehen hat.

Multikultureller Mix aus Jazz und alpenländischer Folklore

Es ist eine Begegnung nicht nur zwischen Alphorn und Stimme, sondern auch zwischen Allgäu und Karpaten. Denn es erklingen Almlieder, Jodler und Volksmusik aus der Ukraine, der Heimat der Sängerin und gewieften Jazzpianistin. Da begegnete sich also die Musik aus unterschiedlichen Welten – und doch wieder nicht.

Die Allgäuer Musik ist eher unterhaltsam und positiv, die ukrainischen Lieder eher leidensvoll-melancholisch. So kommt es zu einer spannenden Schnittmenge zwischen urwüchsigem Alpenjazz, eigenen Jazzimpulsen mit zeitgenössischen Grooves und Gesängen aus den ukrainischen Karpaten.

Schriefl ist nicht nur ein Trompeter mit alpenländischer Sozialisation, er ist auch in der ukrainischen Musik fast schon zu Hause, hat die Ukraine acht Mal bereist, kennt sich also relativ gut aus und weiß um die aktuelle Situation: ein musikalischer Weltbürger, ein Reisender durch Musikkulturen.

Zudem macht der unkonventionelle Musiker im papageiengelben gemusterten Anzug (und mit Fußglöckchen) das sehr humorvoll, wenn er moderiert. Schriefl überschreitet gern Grenzen der Sprache, des Rhythmus, der Länder, der Instrumente.

In diesem multikulturellen Mix aus Jazz und alpenländischer Folklore wird einmal die Donau besungen, die zum Schwarzen Meer fließt, aber auch gefährliche Bergtouren auf den Himalaya, was das Herz des Trompeters dann doch etwas wild schlagen ließ. Schriefl rät von solchen Strapazen jetzt ab – als Thema für ein witziges Lied aber taugt diese Abenteuertour allemal.

„Winter und Sommer“ ist auch eine jener gut gemachten Eigenkompositionen von Schriefl, in die sich die Jazzpianistin famos einklinkt, hier mit eisig-gläsernen Klavierklängen im Diskant, beim Himalaya-Trip mit groovenden Klavierrepetitionen, die den Herzschlag imitieren.

Tamara Lukasheva ist eine

ideenreiche Sängerin, die das Scatten, das Aneinanderreihen von Silben ohne Worte, ebenso gut beherrscht wie einst die große Lady des Jazz, Ella Fitzgerald. Da sie über einen instrumentalen und perkussiven Gesangsstil verfügt, inklusive Körperperkussion, kann sie wirklich ohne Text singen mit klangvollen Silben – eine typische Form des Jazzgesangs.

Möglich macht ihr das ihre phänomenale Gesangstechnik mit feinem Gespür für Rhythmus und Tempowechsel. Dass sie manchmal nur ganz zarte Gesangslinien unterlegte, hing wohl damit zusammen, dass sie an diesem Abend stimmlich etwas angeschlagen war, während sie beim nachfolgenden Auftritt in Kandern schon wieder kräftiger bei Stimme war.

Den zweiten Teil bei „Akustik in Agathen“ begann das Duo Matria mit einem Jodel-Workshop mit groovendem Alphorn, was sehr spielerisch wirkte.

Und beendet haben die beiden Wanderer zwischen Jazz und Tradition ihr schönes Programm mit einem ukrainischen Volkslied, kombiniert mit einer ähnlich klingenden Allgäuer Volksmelodie im Dialog der beiden Musikkulturen. Hörenswert!

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading