Schopfheim/Benin Mit Bronzemedaille aus Benin zurück

Manuel Hunn
Konzentration ist ein wichtiges Element im Sport von Matthias Laukart. Foto: Manuel Hunn

„In anderen Nationen kommt eine Eskorte“, sagt Matthias Laukart nach seinem Erfolg bei der Weltmeisterschaft in Westafrika. Der Schopfheimer ist Athlet einer hierzulande eher ungewöhnlichen Sportart. Er verrät unter anderem, wie er zu seinem Sport kam.

Pünktlich auf die Minute kommt an diesem sonnigen Nachmittag ein Motorrad zum vereinbarten Treffpunkt am Dr.-Max-Picard-Platz angerauscht. Der Fahrer ist unter seiner Motorradkleidung nicht zu erkennen. Nachdem er sein Fahrzeug sorgsam abgestellt hat, nähert sich der junge Mann. Auf seinem schwarzen Hemd lässt sich langsam das schwarz-rot-goldene Emblem einer deutschen Nationalmannschaft erkennen. Mit im Gepäck hat er eine Weltmeisterschafts-Bronzemedaille aus Benin und sechs Metallkugeln.

Der Schopfheimer Matthias Laukart ist Pétanque-Spieler und nahm kürzlich mit großem Erfolg an der Weltmeisterschaft des Präzisionssports in Westafrika teil.

Das Kugelspiel Pétanque ist hierzulande eher als Boule bekannt, schildert Laukart lächelnd ohne Umschweife zu Beginn des Gesprächs. Der 32-Jährige ist direkt und freundlich; wie selbstverständlich wird sich geduzt. Wann welcher Begriff für den Sport verwendet wird, liegt an der Region, in der man sich gerade befindet, fährt der Nationalspieler fort. An den routiniert vorgetragenen Erklärungen lässt sich erahnen, dass Laukart nicht zum ersten Mal anderen seine Sportart beschreiben muss. Bei internationalen Meisterschaften hat sich die Bezeichnung Pétanque durchgesetzt.

Möglichst nah ans „Schweinchen“

Laukart holt sechs silberne Metallkugeln aus seiner Tasche. Die Spielgeräte sind von kleinen Schrammen übersät, eine Folge des Einsatzes beim Pétanque. Der Medaillengewinner wirft seine relativ schweren Spielgeräte – eine Kugel wiegt rund 700 Gramm – mit Schwung auf das mit kleinen Kieselsteinen gesäte Boule-Spielfeld. Mit Begeisterung in der Stimme erklärt er die Regeln seiner Sportart: Zwei Teams haben je sechs Kugeln zur Verfügung, die abwechselnd möglichst nah an einer zu Beginn platzierten kleineren Kugel, dem „Schweinchen“, in sechs bis zehn Metern Entfernung geworfen werden müssen. Dabei können die Kugeln des Gegners entfernt werden.

Das Ziel ist am Ende näher am „Schweinchen“ zu liegen, als das andere Team. Für jede besser platzierte Kugel erhält man einen Punkt. Es werden so viele Runden gespielt, bis ein Team 13 Punkte erreicht hat und das Spiel damit gewinnt.

Das Ziel ist das „Schweinchen“ (gelbe Kugel). Foto: Manuel Hunn

Laukart schildert, dass hier, auf dem Dr.-Max-Picard-Platz, alles angefangen hat. Damals, der Nationalspieler denkt kurz nach, etwa 1997 oder 1998 muss es gewesen sein, hat er am Sommerferienprogramm der Stadt teilgenommen und sein Talent sowie seine Leidenschaft entdeckt.

Der 32-Jährige erläutert, dass die Schopfheimer Boule-Spielgemeinschaft „Le cochonnet“ jedes Jahr beim Sommerprogramm einen Schnupperkurs für Kinder anbietet. „Dann bin ich dabei geblieben. Wenn ich Lust hatte, bin ich hierher gekommen und habe gespielt“, sagt Laukart. Es dauerte nicht lange, und er wurde Mitglied im Verein.

Nach Verletzung etwas Ruhigeres machen

Trotz seines Talents legte der heutige Pétanque-Nationalspieler den Fokus zunächst nicht nur auf die hierzulande relativ unbekannte Sportart. So war er auch im Fußball oder Tischtennis aktiv, schildert der Medaillengewinner. Erst eine Knie- und Fußverletzung im Alter von 14 Jahren zwang ihn dazu, „etwas Ruhigeres zu machen“ – und „Boule ging dann“.

Sein Spiel verbesserte sich in der Folge immer weiter, was Laukart unter anderem bei deutschen Meisterschaften unter Beweis stellte. Im Jahre 2019 folgte schließlich die Berufung in die deutsche Nationalmannschaft und der Wechsel zum PCB Horb am Neckar, für den er seither in der Bundesliga aufläuft.

An etwa 60 Turnieren, hauptsächlich samstags und sonntags, nimmt Laukart mittlerweile jährlich teil. „Da kann man sich ausrechnen, an wie vielen Wochenenden ich freihabe“, scherzt der ledige 32-Jährige. Dass die Turniere wochenends stattfinden, hat aber den Vorteil, dass es zu keinem Konflikt zu seinem Beruf kommt; Laukart repariert unter der Woche als Techniker Fitnessgeräte. Zwar müsse er nicht zu allen Turnieren, „aber um in Form zu bleiben, spielt man die meisten“.

Bei der Auswahl der Turniere achte er aber schon darauf, dass diese nicht zu weit entfernt stattfinden, etwa in Mannheim, dem Elsass oder der Schweiz, fährt der Medaillengewinner fort. Die gerade beendete Weltmeisterschaft in Benin war seine dritte, für die er für Deutschland antreten durfte; zuvor war er 2021 in Spanien und 2022 in Dänemark.

Auf dem Dr.-Max-Picard-Platz sind vier rechteckige Spielfelder in unterschiedlicher Größe angeordnet. Holzumrandungen trennen sie voneinander ab. Obwohl die Spielfelder auf dem Platz nahe der Innenstadt von Gebäuden umringt sind, links die Stadthalle und Tafel-Laden, rechts ein Seniorenheim, ist es relativ ruhig. Dass dies wichtig ist, wird klar, als Laukart seine Kugeln in die Hand nimmt und sich in die Mitte des Bouleplatzes stellt. Der Nationalspieler führt ein ein paar Würfe vor.

Vor dem eigentlichen Wurf versucht er, seine innere Mitte zu finden. „Es ist ein großer Konzentrationssport“, betont der Nationalspieler – es ist von Vorteil, wenn man dabei nicht von lauten Geräuschen abgelenkt wird. Es dauert einige Sekunden, bis er hoch konzentriert in kurzen Abständen die Kugeln schwungvoll in hohem Bogen in Richtung des „Schweinchens“ wirft. So gut wie alle landen nur wenige Zentimeter vom Ziel entfernt. Bei den Versuchen wirkt ein Bewegungsablauf wie der andere; der 32-Jährige hat ihn in unzähligen Übungs- und Wettkampfstunden verinnerlicht.

Laukart hat den Bewegungsablauf verinnerlicht. Foto: Manuel Hunn

„Da schreien sie dich zusammen“

Der Medaillengewinner denkt an seine besondere Erfahrung bei der Weltmeisterschaft zurück: In Benin ist es nicht so einfach gewesen, die Konzentration aufrechtzuerhalten. In dem westafrikanischen Land, einer ehemaligen französischen Kolonie, ist Pétanque äußerst beliebt. Laukart greift in seine Tasche und zückt sein Smartphone, er wischt mit seinem Finger durch Fotos der Wettkämpfe. Das Freiluft-Stadion wirkt, als ob es mitten in der Wüste steht. „Da schreien sie dich zusammen“, schildert er. Gerade das verlorene Halbfinale gegen das Heimteam aus Benin ist ihm noch in guter Erinnerung: Zuschauer jubelten, wenn er nicht getroffen hat. Der Heimvorteil spielte eine große Rolle. Die Menschen dort haben eben ein anderes Temperament und sind „mit Emotionen dabei“, sagt der Medaillengewinner.

Auch die Anzahl der Zuschauer war ungewohnt: Im Stadion gab es 2000 Sitzplätze – doch eigentlich waren rund 4000 Pétanque-Begeisterte da, erzählt Laukart weiter. Bei größeren Wettkämpfen in Europa kommen maximal 1000 Zuschauer – meistens spiele er aber vor wenigen bis gar keinem Publikum, „es ist deutscher Standard, dass nur die Mannschaften zuschauen, die ausgeschieden sind.“ Ein weiterer Nachteil für die europäischen Mannschaften war die ungewohnte Hitze bei den Spielen. „Es war so drückend, dass wir zwischen den Spielen kalt geduscht haben“, berichtet der Nationalspieler. Zudem gab es zwischendurch immer wieder ungewöhnlich heftige Regenfälle – in Benin war Regensaison.

Überrascht vom Luxus im Spielerhotel

Doch alles in allem war die Weltmeisterschaft eine „Megaerfahrung“, schildert Laukart. Das erste Mal überhaupt in Afrika war für ihn vieles überraschend, wie etwa der herrschende Luxus im Spielerhotel. „Es war ein super Erlebnis und wird mir immer in Erinnerung bleiben“, fasst der Nationalspieler seine besondere Erfahrung zusammen.

Bei der Weltmeisterschaft wurden fünf Disziplinen ausgetragen; Laukart war bei zwei am Start. Im „Doublette Mix“ erreichte er mit seiner Partnerin Platz Fünf. Den Medaillenerfolg errang er zusammen mit seinem Partner im „Doublette Herren“. „Vielleicht habe ich die Medaille dabei“, sagt der Nationalspieler und wühlt in seiner Tasche. Tatsächlich wird er fündig und zieht die runde bronzene Auszeichnung heraus. Die Medaille hat in etwa die Größe einer Boule-Kugel; darauf ist der kleine Schriftzug des internationalen Pétanque-Verbands und Symbole zu erkennen, die die Kugeln der Sportart symbolisieren.

Zusätzlich zur Medaille gab es einen Pokal sowie eine große Siegerehrung inklusive Zeremonie und Nationalhymne; „es war ein Riesenspektakel“. Die anschließende Feier mit Gala-Dinner und Musik dauerte für den Medaillengewinner bis halb sechs Uhr morgens.

Natürlich habe er von einer Medaille geträumt, fährt Laukart fort. Damit rechnen habe er aber nicht können – erst ein einziges Mal zuvor hat Deutschland eine Weltmeisterschaftsmedaille im Herrenbereich gewonnen; „Es war ein Riesenerfolg für mich und den Deutschen Boule-Verband“, betont der Nationalspieler.

Laukarts Bronzemedaille und seine Spielgeräte. Foto: Manuel Hunn

Empfang in der deutschen Botschaft

Am Tag nach den Wettkämpfen folgte ein Empfang in der deutschen Botschaft in Benin. Der Medaillengewinner schildert, dass sich die Botschaft nicht weit vom Stadion entfernt befindet und man dort mitbekommen hat, dass Deutsche bei den Wettkämpfen dabei sind. „Dann wurden wir eingeladen und haben dort auch ein bisschen Boule gespielt“ – laut Laukart ebenfalls eine einmalige Erfahrung.

Tags darauf ging es für ihn zurück nach Deutschland. Nach insgesamt sechseinhalb Stunden Flugzeit landete Laukart in Basel, alleine sein Vater holte ihn ab. „In anderen Nationen kommt eine Eskorte“, sagt der Nationalspieler lachend. In Kambodscha oder Thailand zum Beispiel werde eine Pétanque-Weltmeisterschaftsmedaille „richtig gefeiert“; man könne es mit dem Empfang einer erfolgreichen Fußballmannschaft hierzulande vergleichen. Dort werde ein solcher Erfolg auch mit „richtig viel Geld“ vom Staat prämiert. Laukart hingegen muss auf üppige Prämien und Preisgelder verzichten; immerhin würden aber seine Kosten vom Verband und durch Fördergelder gedeckt.

Laukarts Gratulanten beschränkten sich hauptsächlich auf Freunde, Familie und viele Boule-Spieler, berichtet er weiter. Auch Schopfheims Bürgermeister gratulierte ihm – er habe über Umwege von seinem Erfolg erfahren.

Trotz seines Medaillengewinns hat Laukart nichts von seinem sportlichen Ehrgeiz verloren. Für die nächste Weltmeisterschaft könne man „die Farbe der Medaille ein bisschen anpassen; sie könnte ein wenig mehr glänzen“, sagt er. Der Nationalspieler scherzt, dass er es schon durchgerechnet hat: Nach seinen steigenden Erfolgen steht bei der nächsten Weltmeisterschaft das Finale an. Nach dem Ende des Gesprächs bleibt Laukert noch. Fokussiert wirft er auf dem Dr.-Max-Picard-Platz eine Kugel nach der anderen in die Nähe des „Schweinchens“.

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