Schopfheim Das Dorf als Ort der Zukunft

Gudrun Gehr

VHS: Fachleute aus der Region diskutieren Chancen und Herausforderungen des ländlichen Raums

Wie sieht das Landleben der Zukunft aus? Was unternehmen Dörfer, um für junge Bewohner attraktiv zu bleiben? Wie können sie gegensteuern, um dem demografischen Wandel zu trotzen? Unter dieser Fragestellung hatte die VHS Schopfheim Fachleute aus der Region zur Diskussion eingeladen.

Von Gudrun Gehr

Schopfheim. Aufhänger war die SWR-Serie „Landleben 4.0“ des Schopfheimer Filmemachers Jochen Loebbert, dessen Doku „Wie geht Dorfurlaub in Bad Bellingen?“ eingangs gezeigt wurde. Am Beispiel des vom Land geförderten Projektes „natürlicher Dorfurlaub“ zeigt die Doku, wie ein Dorf sich lebendig weiterentwickeln kann – vor allem, indem alle Akteure an einem Strang ziehen, Ideen und Aktivitäten einbringen. Ein Pfund, mit dem Dörfer dabei wuchern können: Die Bezüge der Menschen untereinander sind hier intensiver, so die Botschaft des Films.

Nicht nur Wohnraum, sondern Heimat

Martina Hinrich, Leiterin der Stabsstelle für Strukturpolitik und Nachhaltige Mobilität im Landratsamt und selbst in Eichen zu Hause, sieht viel Positives im ländlichen Raum und viel Platz zur Entfaltung. Auch das Land erkenne Bedeutung und Potenzial ländlicher Regionen an – und die Notwendigkeit zur Förderung der Infrastruktur. So seien rund vier Millionen Euro Fördermittel in die Entwicklung des ländlichen Raums investiert worden. Ganz wichtig in Sachen Infrastruktur sei eine rasche Breitbandlösung.

Im selben Atemzug verwies Hinrichs jedoch auf die Bedeutung von Aspekten jenseits solch harter Standort-Faktoren: „Das Dorf ist nicht nur Wohnraum, sondern Heimat“.

Als Paradebeispiel für ein erfolgreiches Projekt aus dem ländlichen Raum heraus stellte Wolfgang Kemp seine prosperierende Alpaka-Zucht in Wies vor. Ihm persönlich und seiner Ehefrau – beide sind Rentner – biete das Kleine Wiesental eine wunderschöne Landschaft in einer autarken Umgebung. Und diesen sich hier bietenden Reichtum trägt er auch nach außen: Durch die Vermarktung seiner Alpaka-Zucht sei es gelungen, „Menschen ins Hinterland zu ziehen und das Kleine Wiesental nach außen zu tragen“. Zwischenzeitlich habe man Hunderte von Gästen auf Alpaka-Touren die Schönheiten der Landschaft gezeigt. Wichtiger Aspekt ist für das Ehepaar das „Alpaka-Auszeit-Angebot“, bei dem den Besuchern bei Wanderungen und später beim Zusammensein mit den Alpakas stundenlange Entschleunigung vermittelt wird. Durch eine gute Vermarktungsstrategie habe sich der Erfolg eingestellt.

Mangelnde Mobilität als großes Manko

Auch Filmemacher Jochen Loebbert outete sich als absoluter Fan des Kleinen Wiesentals – und zog daraus seinen ganz eigenen Schluss: „Ich werde auf keinen Fall einen Film über das Kleine Wiesental machen, sonst kommen noch alle dort hin“.

Jan-Hendrik Faßbender, zuständig für Regionalentwicklung und -vermarktung beim Biosphärengebiet Schwarzwald und in Schönau zugezogen, verwies bei aller Wertschätzung für seine neue Heimat auch auf die Mängel: Vieles sei hier geboten – um es zu erreichen allerdings brauche es ein Auto. Schwierig sei es auch, einen Hausarzt zu konsultieren.

Hinrichs hob in diesem Zusammenhang hervor, dass es hier bürgerschaftliches Engagement und Initiative benötige. Als Beispiel nannte sie das Mobilitätskonzept im Kleinen Wiesental. oder d en Bürgerbus „on demand“ wie er gerade für Schopfheim und seine Ortsteile beschlossen wurde. Weiteres gutes Beispiel der Regionalentwicklung per Eigeninitiative auf einem anderen Feld sei das „Theater in den Bergen“ in Häg-Ehrsberg, fügte Loebbert an.

Anzeichen von Landflucht sieht Martina Hinrichs im Landkreis anhand der Statistiken nicht, im Gegenteil: Die Region sei bis in die Dörfer hinein Zuzugsgebiet; zu spüren sei dabei Siedlungsdruck aus Basel. Auch verzeichne man eine „Rückwärtsbewegung“ der Weggezogenen zurück in die Heimatdörfer.

Katrin Nuiro, VHS-Leiterin und Moderatorin, sah hier jedoch nicht allein die Attraktivität der ländlichen Region als viel mehr pragmatisch-finanzielle Gründe am Werk: Der Zuzug erfolge auch, weil die Mieten hier oft günstiger seien als in der Stadt.

Eine Besucherin verwies darauf, dass die Leute im Dorf blieben, wenn die Betriebe und damit Arbeitsplätze vorhanden seien.

Wichtiger Pfeiler der Biosphäre sei die Bildungsarbeit, hob wiederum Faßbender hervor; besonders wichtig sei, die Kinder an die Heimat heranzuführen. Auch sei wichtig, jungen Landwirten Zukunftsperspektiven anzubieten. Motor der Dorfentwicklung ist in seinen Augen der Tourismus – ein Aspekt, mit sich der Kreis schloss zur eingangs gezeigten Doku.

VHS-Leiterin Nuiro fasste zusammen: „Eine gesunde Struktur im Dorf ist wichtig. Diese erreicht man nur, wenn man miteinander redet“.

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