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Schopfheim „Das ist eine ungeheure Chance“

Petra Martin

Gottesdienste: Ulrike Krumm und Michael Latzel: Pfarrer zeigen Hoffnungslichter in Corona-Zeit auf

Für ein paar Stunden all die Corona-Misere vergessen – das war an den Weihnachtsfeiertagen sicherlich der Wunsch vieler Menschen. Sich zurückzuziehen, privat im Kreis der Familie zu sein, Normalität zu fühlen – doch etliche Menschen zog es in die Kirchen, ein Umweg, wie Pfarrerin Ulrike Krumm in ihrer Predigt zu Titus 2, 11 – 14, an Heiligabend in Fahrnau und Hausen sagte.

Von Petra Martin

Schopfheim. Heute müssten die Menschen gar nicht mehr das Wohnzimmer verlassen, Weihnachten funktioniere auch ohne Gottesdienst. Aber wer daran teilnimmt, tue das mit dem Gefühl im Herzen, dass dieser Umweg guttue, so die Seelsorgerin. Sie wies darauf hin, dass in Zeiten fehlenden Zusammenhalts die Ermahnungen von Titus Gehör finden könnten. Vorwärts komme man nur mit Besonnenheit in einer gesellschaftlich aufgeheizten Situation, mit Geduld bei all dem Frust, der Wut, dem täglichen Corona-Ärger. Das bedeute nicht, alles still zu ertragen. Gemeint sei vielmehr eine innere Haltung, mit der die Menschen ihre Entscheidungen treffen könnten: eben mit Besonnenheit, Geduld, der Kraft des langen Atems und, wie Titus es empfehle, mit Nüchternheit. „Wir tun gut daran, diese Empfehlung zu hören“, zeigte sich Pfarrerin Ulrike Krumm überzeugt. Nüchtern die wissenschaftlichen Erkenntnisse akzeptieren, aber auch akzeptieren, dass nicht alles gehe, was gehen sollte – „und dass wir in unserer Gesellschaft an vielen Stellen momentan an Grenzen stoßen“.

Ulrike Krumm: „Besonnen durch die Krise“

Nicht nur in der Kirche werde erstmals erlebt, was Personalmangel bedeutet. Die Menschen würden Selbstverständlichkeiten aufgeben und Erwartungen herunterschrauben müssen – und Prioritäten setzen müssen, für die der Wert der Nächstenliebe entscheidend sei.

Dass Jesus zur Welt kam, so Pfarrerin Krumm, sei Gnade gewesen. Gott habe damit nah bei den Menschen, mitten unter ihnen sein wollen. Nach Titus sei dies sogar eine Erziehungsmaßnahme Gottes. Vielleicht seien derzeit auch die Menschen in der Corona-Krise Kinder, die erzogen werden müssten.

Immer souverän könnten auch die Menschen in der Öffentlichkeit nicht sein, obwohl dies erwartet werde. „Ich glaube, all die vielen Wutausbrüche, Hass und Hetze im Netz und sonst wo sind das Spiegelbild einer heillosen Überforderung von sich und anderen“, sagte Ulrike Krumm. „Wir könnten gnädiger sein.“ Wie die neue Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Annette Kurschus, gesagt habe, gehe es um einen Lernweg. Erziehen bedeute, die Seele bilden. Das gehe am besten durch Vorbilder. Weihnachten und Menschwerdung heiße auch: Gott wolle Vorbild sein. Dass sich die Menschen an der Krippe die Seele bilden lassen, sei nicht nur sehr nötig, sondern, so Pfarrerin Ulrike Krumm, „eine ungeheure Chance“.

Michael Latzel: „Gott schmollt nicht“

Es brauche ein Hoffnungslicht für die Psyche der Menschen – davon sprach auch der katholische Pfarrer Michael Latzel in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in St. Bernhard.

Mit Jesu Geburt sei Gott „einer von uns“ geworden, nicht abstrakt, auf einer Wolke schwebend, „sondern verletzlich bis in alle Fasern unseres Lebens hinein – nicht erst kurz vor seinem Tode, sondern schon bereits mit seiner Geburt“.

Im Lesen seines Lebens könnten die Menschen ins Staunen kommen und sich bisweilen wundern über Maßstäbe, die so anders seien und die quer zu weitverbreiteten Haltungen und Werten in der Gesellschaft stehen.

Doch lassen sich die Menschen von Jesus leiten, fragte Latzel. Auch in den vergangenen Tagen seien viele Menschen bei ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken. Wie hielten es die Menschen mit Solidarität, mit der unteilbaren Menschenwürde für alle? Es gelte, sich nicht nur von Jesus als Baby innerlich berühren zu lassen, sondern auch vom erwachsenen Jesu, seiner bleibenden Bedeutung, betonte Pfarrer Michael Latzel.

Jesus wolle die Menschen als Mittuende gewinnen für eine „wahrhaft menschliche und gerechte Gesellschaft“, für eine zukunftsgebende Schöpfung. Gott liege das Wohl aller Menschen am Herzen, deshalb zeige er sich so menschlich nahbar und habe bis heute nicht aufgegeben.

Gott habe den Menschen das Erkennen und den Verstand ermöglicht, er habe sich nicht in eine Schmollecke zurückgezogen, sondern suche bleibend die Beziehung zu den Menschen und wolle besonders auf jene zugehen, die meinen, Gott sei ihnen gegenüber auf Distanz gegangen, oder er wolle sie bestrafen.

Wenn die Menschen heute nach mehr als 2000 Jahren Weihnachten feiern, so Pfarrer Michael Latzel, dann brächten sie zum Ausdruck, dass Gott sie nicht aufgegeben habe.

Vielmehr stoße Gott dazu an, bedingungsfreie Liebe auch selbst weiterzuverschenken, immer von Neuem, auch wenn Zurückweisung die Antwort sei.

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