Schopfheim „Das war ein historischer Moment“

Markgräfler Tagblatt

Altstadt: Familie Obermeier hat Wasserturm und Kamin einer alten Färberei aufwendig saniert

In der verwinkelten Altstadt gibt es manch interessantes Haus zu entdecken - und Glanzstücke, die im Verborgenen blühen. Solch ein Anwesen hat die Familie Obermeier im Laufe der Jahre mit großem Aufwand und viel Liebe restauriert.

Schopfheim (ma). Zwischen der „Alten Stadtmühle“ und dem Entegast liegt die 1866 von Fabrikant Jutzler gegründete Färberei. Wie viele Färbereien und Spinnereien in Schopfheim und Umgebung lag das Gebäude nahe eines Gewässers so wie hier zwischen Gewerbekanal und dem Wiese-Fluss. 1910 entstand zusätzlich ein Kesselhaus mit Wasserturm.

Der Färbereibetrieb gehört heute der Vergangenheit an, doch Michael Obermeier, der alles liebt, was alt ist und der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Vergangenes für künftige Generationen zu bewahren, hat den Wasserturm wieder in Schuss gebracht. Obwohl in der eigenen Firma Megu Metallguss stark eingespannt, nahm er sich Stück für Stück des Gemäuers an. Der alte verrostete Kessel, der für andere wie ein Teil einer Schrottsammlung ausgesehen haben mochte, wurde mit dem Hammer bearbeitet (während sich die Nachbarn ob des Lärms in Geduld fassten), bis er wieder - einschließlich der Nieten - wie nigelnagelneu aussah.

Während der nicht mehr genutzte Wasserbehälter nach wie vor im Dachgeschoss des Wasserturms seinen Platz hat, ist im unteren Teil ein Atelier entstanden.

Ganz besonders stolz sind die Obermeiers auf die neue Spitze des Wasserturms. Auf dem Dach war früher eine Kapsel mit Wetterfahne angebracht, doch sie war mit Löchmern versehen, wurde wahrscheinlich im Krieg beschädigt; Regen konnte ungehindert über die Kapsel ins Gebäudeinnere vordringen.

Ihr Mann habe einen Spezialspengler in Ulm damit beauftragt, eine neue Kapsel herzustellen, und zwar 1:1, berichtet Conny Obermeier. Auch eine Wetterfahne wurde an die neue Kapsel angebracht, nun aber neu mit der Jahreszahl „1910“, dem Baujahr des Wasserturms. „Es war ein historischer Moment, als die neue Kapsel auf das Dach gesetzt wurde“, schildert Conny Obermeier das Gänsehaut-Gefühl. „Es war rührend, und von den Nachbarn, die alle am Fenster standen, gab es Applaus.“

Der neue Wasserturm glänzt nun wieder vom Sockel bis zur Spitze im Sonnenlicht. Genauso übrigens wie der Kamin. „Es ist der höchste Kamin Schopfheims“, sagt Conny Obermeier. Der Zahn der Zeit verschonte indes auch ihn nicht, Orkan Lothar und Blitzeinschläge hatten dem stattlichen Bauwerk zugesetzt. Der Kamin musste um zwölf Meter zurückgebaut und 2015 nochmals neu verfugt werden.

„Jetzt ist er noch 33 Meter hoch“, so Conny Obermeier. Deren Mann scheute keine Mühe und keinen Aufwand, den Sockel trockenzulegen und den sogenannten Fuchs, also den Abgaskanal des Kamins, auszuräumen. Eine echte Knochenarbeit, aber wenn Michael Obermeier etwas bewahren will, packt er alles mit seinen eigenen Händen an.

So ist denn auch die Freude groß, wenn im Umfeld wieder ein Container mit alten „Accessoires“ aufgestöbert wird. Alte Lampen, Drehschalter, Räder von Wasseranlagen oder alte Schilder - das sind genau die alten Originale, die die Obermeiers für die Sanierungen verwenden.

Die alte Färberei wurde so gar schon als „Location“ der Fotofreunde Schopfheim genutzt. Und bei den Stadt-

führungen wird bei der ehemaligen Färberei, die auch Wohnungen beherbergt, Station gemacht; von dort hat man auch einen Blick auf das alte Waschhaus.

Regelmäßig stehen bei den Obermeiers Interessenten auf der Matte, die sich nur zu gern das Gelände in Altstadtlage aneignen würden. „Andere würden alles verkaufen und Neubauten auf das Gelände stellen“, weiß Conny Obermeier. Doch Investoren blitzen regelmäßig ab. Die Obermeiers wollen die Gebäude erhalten, erinnern sie doch an einen bedeutenden Abschnitt der Industriegeschichte. Mehr noch: Sie sind steingewordenes Gedächtnis der Schopfheimer Stadtgeschichte.

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