Schopfheim Der mit dem geschärften Blick

Markgräfler Tagblatt

Bürgermeisterwahl: Kandidatenporträts, Teil 2 / Auf der Zielgeraden: Wieso es bei Dirk Harscher kribbelt

Wenn Bürger zu Dirk Harscher kommen, packen sie schon mal eine dicke Mappe mit Notizen aus. Mal sind es 80, mal 50, mal 15 Leute, die zu seinen Vorstellungsrunden kommen. „Die löchern mich richtig mit Fragen“, sagt der parteilose Bewerber.

Von Petra Martin

Schopfheim. Dass der 48-Jährige als einziger der Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am 7. Oktober von keiner Partei unterstützt wird, liegt ganz im Sinne des Bewerbers selbst. „Klar wurde mir Unterstützung angeboten“, erläutert er den Besuchern in der „Sonne“. „Aber das will ich nicht. Ich will Sachpolitik machen, ich bin neutral“, erklärt er. „Ich will unabhängig sein.“

Alle anderen Kandidaten haben den Rückhalt von einer oder sogar zwei Parteien beziehungsweise Listen. Ist Dirk Harscher also der Außenseiter unter den Bewerbern?

Wer das glaubt, liegt falsch. Dirk Harschers vermeintliche Schwäche ist seine Stärke. Der 48-jährige gebürtige – „waschechte“ – Schopfheimer, zu Hause in Langenau, verwurzelt in den dortigen Vereinen, spürt eine große Zustimmung unter Bürgern, die „den Fraktionszwang“ satt haben.

„Ich will neutral sein, Sachpolitik machen“

Das zeigt sich in den großen Runden, die sich immer wieder bei ihm einfinden, aber auch im kleinen Rahmen so wie im Nebenzimmer der „Sonne“.

Dirk Harscher diskutiert mit den Gästen über das Schopfheim der Zukunft, legt schnell sein erstes förmliches Auftreten ab, kommt umgehend mit den Besuchern ins Gespräch, die ihn „abklopfen“, um zu erfahren, was er denkt. Thema für Thema wird abgehandelt, der Campus, die Oberfeld-Bebauung, die Ärzteversorgung, die Pflegeplätze, die Ortsteile, der Fachkräftemangel, das Schwimmbad, die Infrastruktur.

Eine Fußgängerzone hätte er „liebend gerne“, aber es bestehe eine Verpflichtung dem Einzelhandel gegenüber. Wenn dieser nach einem Versuch, die Hauptstraße nur am Samstag für den Straßenverkehr zu sperren, Umsatzeinbrüche erleiden sollte, dann müsse man von dem Plan abrücken. „Es geht um Fingerspitzengefühl“, betont Harscher. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den städtischen Finanzen sei ihm mit das wichtigste Anliegen.

„Es geht um Fingerspitzengefühl“

Für und Wider der Themen werden mit den interessierten Gästen in der „Sonne“ erörtert, und es wird auch mal familiär, wenn jemand seine privaten Erlebnisse einbringt.

Harscher verliert nicht die Geduld, im Gegenteil, er hört genau zu, unterbricht nicht. Er gibt keine „Wischi-Waschi“-Antworten, ist informiert, betont, keine Versprechungen machen zu wollen. Er bezeichnet sich politisch „aus der Mitte kommend“, will mit allen Fraktionen zusammenarbeiten. Er will Politik ohne Parteipolitik machen, hat aber auch feste Prinzipien: „Mit radikalen Parteien arbeite ich nicht zusammen“, betont er. „Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für mich nicht in Frage“, erklärt Harscher. „Das sehe ich als ein ganz klares Signal.“

Immer wieder höre er den Wunsch, Bürger früher in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Das hat er aufgenommen, er will Bürgersprechstunden einführen, sofern er gewählt wird, und stellt sich ein faires Miteinander mit dem Gemeinderat vor, ein Arbeiten auf Augenhöhe. Doch wegen allem und jedem Bürgerversammlungen abzuhalten, lehnt er ab. „Der Gemeinderat ist als Bürgervertretung in der Pflicht.“

Dirk Harscher ist Teamleiter bei der VR-Bank und Betriebsratsvorsitzender. Harscher sagt, in seiner beruflichen Laufbahn habe er viele Entwicklungsschritte vollzogen. Nun soll ein weiterer folgen: Nach „30 Jahren im Job“ suche er eine neue Herausforderung.

Seine Menschenkenntnis beziehe er auch aus den Kundengesprächen, die über das Geschäftliche hinausgehen. „Ich habe einen geschärften Blick für die Anliegen der Menschen.“

Mit 48 Jahren könne er noch zwei Amtsperioden als Bürgermeister ausfüllen, das findet stets großen Zuspruch unter den Bürgern.

Bürgermeister Nitz hinterlasse „keinen großen Scherbenhaufen“, sagt er, aber es gebe „Stellschrauben“, an denen noch besser gedreht werden könne. „Ich habe Freude an der Umsetzung von Projekten, bin motiviert.“

Vieles aber brauche Zeit, schickt er hinterher; nicht alles lasse sich in ein paar Wochen regeln. Es gehe um Prozesse, nur müsse klar sein: Die Stadtverwaltung sollte an einigen Stellen mehr Dienstleister sein - Bürger seien keine Störenfriede.

Dirk Harscher traut sich das Amt zu. Er meint es ernst, hat sich unbezahlten Urlaub genommen, um die vielen Wahlkampftermine wahrzunehmen. Und er hat ein prominentes Vorbild.

Mit 48 Jahren fit für zwei Amtsperioden

Peter Schelshorn war einst ein Arbeitskollege bei derselben Bank – seit 2012 ist er Bürgermeister von Schönau.

„Packen Sie’s an“, ruft ihm eine Besucherin zu. Dirk Harscher, seit Juli ständig auf Wahlkampfterminen, nickt. Nur noch zweieinhalb Wochen bis zur Wahl, die Zielgerade rückt näher, die Spannung steigt. „Es kribbelt“, sagt Dirk Harscher.

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