Schopfheim Ein Festival der wortlosen Komik

Markgräfler Tagblatt
Die Nummer mit der Opernsängerin mit verlängten Armen war der Lacherfolg im „Best of-“ Programm von Bodecker & Neander in der Waldorfschule. Foto: Jürgen Scharf Foto: Markgräfler Tagblatt

Pantomime: Duo Bodecker & Neander verzaubert die Zuschauer in der Waldorfschule

Sie sind schon lange keine Unbekannten mehr in Schopfheim: das Pantomimenduo Bodecker & Neander.

Von Jürgen Scharf

In den Festsaal der Waldorfschule brachten sie am Donnerstag nicht den neuesten Abend mit, sondern ein gut zweistündiges „Best of“-Programm mit Höhepunkten aus ihren verschiedenen Produktionen.

Da wartet man auf spezielle Glanznummern, die man von ihnen schon gesehen hat, lernt aber stattdessen ganz andere kennen.

Der witzigste Gag war die verzweifelte Sopranistin, die ihre rot behandschuhten Hände ausbreitet, die wie durch Zauberhand immer länger und länger werden, so dass sich der Pianist darunter ducken muss und ebenso verzweifelt gegen diese sich wie Rotorblätter bewegenden Arme ankämpft.

Diese Nummer war ein echter Hit an diesem Abend und erzeugte im Saal die meisten Lacher. Aber es war nur einer von acht Sketchen und einer Zugabe, die zeigten, dass die Wahl-Berliner ein perfektes Mimentheater vorführen. Sie beherrschen das Mienenspiel und das Körpertheater und verbinden es mit Clownerie, Slapstick, Geräuschen, Musik und Lichteffekten zu einem visuellen Theater der Sonderklasse.

Von einem Abenteuer stolpern die beiden stillen Mimen ins nächste in Szenen voller Ironie und Poesie. In einem „Best of“ darf „Casting“ nicht fehlen, die Parodie einer Reality Show oder des Dschungelcamps. Die Kandidaten gehen unter im Wasser, stürzen vom Trapez, vergeigen sich jammervoll, aber die Show geht unbeirrt werden. Damit entlarven Wolfram von Bodecker und Alexander Neander, die beiden Meisterschüler des Pariser Pantomimenidols Marcel Marceau, die skrupellose Fernsehunterhaltung.

Ihre beliebteste Standardnummer ist sicher der schüchterne Rosenkavalier, der ein „Rendezvous“ hat. Bodecker, immer mit Baskenmütze, nicht mehr so blond wie früher, aber immer noch jungenhaft und verschmitzt, wird von Neander angelernt, wie man die Damen becirct und Küsschen gibt. Der, wie immer der elegante, hochnäsig blickende Beau, der den verknautschten Zylinder Marceaus tragen darf, mimt in dieser sprachlosen Szene den erfahrenen Liebhaber.

Diese Nummer ist ebenso unverwüstlich und zeitlos wie „Der kleine Vogel“, mit dem sie ihr Pantomimentheater beginnen. Es fängt harmlos an. Neander füttert ein Vögelchen, der andere grinst und macht es ihm nach. Dann wendet sich das Blatt und die beiden müssen sich gegen angreifende Vogelschwärme verteidigen: Da grüßen Hitchcocks „Die Vögel“.

Schon einmal in Schopfheim gesehen hat man die „Hollywoodstory“, ein Super-Solo von Bodecker, der aus einer Filmspule die ganze Filmgeschichte der Traumfabrik im Zeitraffer hervorzaubert und imaginiert: von Charlie Chaplin über Doktor Schiwago und dem weißen Hai bis zu James Bond 007. Man lacht Tränen, wenn er sich riesige Micky-Maus-Ohren anlegt.

Aber auch die anderen Stücke bei diesem Festival der wortlosen Komik waren sehenswert. Große Klasse ist „Die Versuchung“ mit zwei Models, die auf dem Laufsteg stolzieren und davon träumen, sich am Buffet die Teller voll zu beigen, aber mit hörbar knurrenden Mägen dasitzen.

Neben den optischen Illusionen und Emotionen, den Anklängen an Stummfilm und Kintopp ist das Bildertheater von Bodecker & Neander immer auch weltvergessen, verträumt und sehr oft tragikomisch.

Bestes Beispiel für eine der leiseren, traurigeren Geschichten ist „Zimmer 204“. Eine einstmals berühmte Chansonnette singt zum Abschied vom Leben zu einer Schallplatte von sich und gibt ihrem bewundernden Betreuer ein letztes Autogramm.

Das Heiter-Tragische findet seinen Niederschlag in den stillen theatralisch-poetischen Programmteilen. Umso schöner in einer Zeit, in der die Menschen, wie Helmut Mally in seiner Begrüßung sagte, von einer Bilderflut bedrängt werden. Hier setzen die beiden Mimen einen bewussten Kontrapunkt mit ihrer Verbindung von kleinen Gesten, Gedanken, Situationen und passgenau auf die Szenen ausgewählter Musik.

Den Schlusspunkt dieses inspirierenden Abends bildete „Inspiriert: van Beethoven“. Die richtige Nummer zum Beethoven-Jahr, und endlich eine Ahnung der großen pantomimischen Kunst, hinter einer Sichtschranke eine Rolltreppe hinunter zu fahren oder im Boden zu versinken, wie es nur Bodecker & Neander können: eine pantomimisch-imaginative Offenbarung!

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