Besichtigung: Am „Tag des offenen Denkmals“ wird die frühere Kaucher’sche Ölmühle geöffnet
Wer einst in der Ölmühle Kaucher Speiseöl kaufte, bekam von Seniorchefin Anneliese Kaucher gleich noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg: Noch vor dem Frühstück mit Öl gurgeln und Öl trinken - so werde man nicht krank.
Von Petra Martin
Schopfheim. Die renommierte Reform-Ölmühle, deren Kundenkreis weit über Schopfheim hinausreichte, war ihrer Zeit voraus: Heute darf der Umgang mit hochwertigen Ölen in keinem Gesundheitsratgeber fehlen.
Das alte Mühlrad in der Himmelreichstraße steht schon seit 20 Jahren still. Der Familienbetrieb, der bis zum Schluss schwarze Zahlen schrieb, stellte seinen Betrieb Ende der 90er Jahre ein. Doch jetzt herrscht wieder Leben in dem einstigen Traditionsbetrieb.
Bärbel und Thomas Peither haben das Gebäude erworben und stellen dort auf schonende Weise naturbelassenes Öl her. Am kommenden Sonntag gewähren sie einen Einblick in die historische Ölherstellung.
Möglich macht das die Stadt, unter deren Regie Besucher am „Tag des offenen Denkmals“ Gelegenheit erhalten, an Besichtigungen und Führungen vorbei an Mühlrad, Mahlsteinen und Schneckenpressen teilzunehmen. Interessierte werden wohl überrascht sein, denn in dem Gebäude verbirgt sich das gut erhaltene Juwel eines Industriedenkmals.
Die Peithers haben alles tipptop wieder hergerichtet und erzählen lebhaft und kundig von dem Betrieb in der Ölmühle, so dass man sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt fühlt. Die alten Gerätschaften und Maschinen, die Hydraulik und die Werkstatt-Konstruktionen, dürfen zwar nicht in Betrieb gehen, doch meint man das Rumpeln und Rattern und Flattern förmlich zu hören.
Die Ölmühle hat eine mehr als 260-jährige Geschichte. Klaus Strütt, verantwortlich für das Schopfheimer Jahrbuch, schreibt, eine Ölmühle sei schon um 1750 herum betrieben worden. Zunächst war sie über Generationen im Besitz von Familie Clais, danach ging sie an die Familie Kaucher über, die die Mühle, die einen Brand in den 1920er Jahren überstand, ebenfalls über vier Generationen hinweg erfolgreich mit Tradition und Leidenschaft bewirtschaftete - zuletzt mit der damaligen Juniorchefin Gabriele Kaucher.
Die Käufer des Walnussöls von hoher Qualität und des Leinöls mit hohem Linolsäure-Anteil lockte Käufer von nah und fern - das diätetische Lebensmittel war begehrt. Sogar die Rückstände, der trockene Presskuchen, fanden noch Abnehmer, zum Beispiel zum Backen von Nuss-Waie oder als hochwertiges Tierfutter.
Zwar werden am „Tag des offenen Denkmals“ die alten Anlagen nicht angeworfen, doch die Peithers haben eine kleine neue Ölmühle angeschafft, mit der am Sonntag 150 Kilo Walnüsse gepresst werden - sie stammen vom imposanten Baum direkt neben dem Gebäude. Gegen eine Spende dürfen Pröbchen mitgenommen werden. Auch Leinsamenöl wird dort heute hergestellt. Familie Peither erwägt auch die Einrichtung eines dauerhaften Museums, doch derzeit fehlt ein ehrenamtlicher Unterstützerkreis.
Dass das einzigartige Industriedenkmal am kommenden Sonntag erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, freut Jutta Hofmann, städtische Tourismuschefin, sehr. Es sei selten genug, dass eine solche Anlage mit ausgeklügelter Mechanik - noch dazu im Bereich der Nahrungsmittelherstellung - zu besichtigen sei. Noch vor knapp einem Jahr seien riesige Tanks im Gebäude gestanden. Familie Peither aber habe das Gebäudeinnere und die Anlagenteile wieder so hergerichtet, dass man in den Räumen der historischen Ölmühle beinahe wohnen könne.
„Tag des offenen Denkmals“ am Sonntag, 8. September, in der Ölmühle in der Himmelreichstraße 5 in Schopfheim: von 11 bis 17 Uhr geöffnet; stündliche Führungen durch die Ölmühle und Erläuterung der Herstellung von Leinöl und Walnussöl. Die Führung zeigt, wie der handwerkliche Prozess in der Vergangenheit war und heute sein kann. Die Führung ist auch für jeden interessant, der sich für die Herstellung von Lebensmitteln interessiert.
Geboten wird außerdem: Live-Pressen von Speiseöl mit einer modernen Ölpresse, Verkostung von frisch gepressten Pflanzenölen, Ausstellung zur Geschichte der Ölmühle. Veranstalter: Stadt Schopfheim mit Familie Peither.
