Schopfheim Ein Leben für die Stadtgeschichte

Petra Martin

Abschied: Ulla Schmid prägte über Jahrzehnte die Museumsarbeit in Schopfheim, jetzt geht sie in Ruhestand

Schopfheim -  Ob sie wohl ein Altstadt-Gebäude nicht kennt, von einer alteingesessenen Familie nichts weiß, ob ihr wohl ein historischer Grabstein, eine Begebenheit von einst unbekannt ist? Man kann es kaum glauben. Ulla Schmid ist ein Phänomen – die Chefin von Museum und Stadtarchiv verwaltet das Gedächtnis Schopfheims und ist es auch selbst – sie lebt Geschichte. Nach 35 Jahren geht die promovierte Ethnologin nun in den Ruhestand.

Ihr Zimmer im Rathaus, voll bis unter die Decke mit Requisiten, Ausstellungsgegenständen, Erinnerungen, Akten und Bergen von handschriftlichen Notizen, musste sie schon leer räumen, die Museumsleitung hat sie an Nachfolger Dominik Baiker abgegeben, der zugleich die Kultur managt, einen feierlichen Abschied im Roggenbachzimmer gab es auch; im Stadtarchiv schafft sie noch im Juni und Juli, dann ist auch hier das Ende ihrer beruflichen Laufbahn besiegelt.

Ulla Schmid hat ihren Traumberuf verwirklicht, im Museum gewirkt und es geprägt, noch dazu in ihrer Heimatstadt. „Es war ein Glücksfall für mich, das Museum übernehmen zu können“, sagt Ulla Schmid – und ganz bestimmt war es ein Glücksfall für die Stadt und ihre Einwohner, die ortsverbundene und geschichtsinteressierte Museumsleiterin jahrzehntelang an ihrer Seite zu haben.

Schon in der Schule entwickelte die gebürtige Fahrnauerin ihre Leidenschaft für Geschichte und das Sammeln, hielt auch während ihres Magisterstudiums der Fächer Geographie und Ethnologie in Freiburg Kontakt zu ihrer Heimatstadt – auch wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf außereuropäische Kulturen lenkte.

Nach Schopfheim zurück kam die promovierte Ethnologin, die mal Archäologin werden wollte, als der Gemeinderat beschloss, im bis dato von der Museumsgesellschaft geführten städtischen Museum zum 1. Oktober 1986 eine hauptamtliche Stelle zu schaffen. Tatsächlich noch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angelegt, entwickelte sich daraus eine Festanstellung; 1993 übernahm Ulla Schmid auch die Leitung des Stadtarchivs.

Insgesamt 187 Sonderausstellungen

Danach tat sich eine Erfolgsgeschichte auf: Insgesamt 187 Sonderausstellungen fanden seitdem im Museum in der Altstadt statt, 84 davon hat Ulla Schmid selbst konzipiert. Einzelveranstaltungen und Veranstaltungsreihen fanden ihre Liebhaber: Unvergessen sind die „Geschichten zur Dämmerung“ mit Christa Hoheisel und das „Museumsgeflüster“, bei dem Michael Hermann das Tafelklavier spielte, Vorläufer der Tafelklavier-Matinees („Musik im Museum“). Ulla Schmid wagte immer wieder Neues. So lud sie einmal um sieben Uhr morgens zu einer Veranstaltung ein – und diese war gut besucht.

Mozart-Ausstellung als schwierigste Aufgabe

Mit Herzblut organisierte sie jede einzelne Ausstellung, recherchierte, suchte, räumte, telefonierte und konzipierte sie Ausstellungen zur Historie der Stadt, etwa zur 1250-Jahrfeier, zur ersten urkundlichen Erwähnung Schopfheims 807, und sie zeigte das Leben von Otto Normalverbraucher von wohl jeder Epoche auf – eine Stärke der Ethnologin, die jedem Kind, jedem Bürger auf spannendste Weise vermitteln kann, wie einst der Alltag in den Mauern dieser Stadt gelebt wurde.

Ihre „schwierigste Herausforderung“ war eine Ausstellung zu Mozart, da es keine auszustellenden Gegenstände gab, am meisten recherchiert hat sie für eine Ausstellung über „Schopfheim zur Zeit der französischen Revolution“. Aber auch hier wusste sie sich zu helfen und nahm alte Stadtrechnungen zur Hand, die dem Museumsbesucher eröffneten, für was die Gemeinde das Geld in die Hand nahm.

Eine der erfolgreichsten Ausstellungen von der Besucherzahl her gesehen war die über „Schopfheim in der Jahrhundertwende“, in der die szenische Darstellung eines Wohnzimmers um 1900 im Museum lebensecht nachgestellt war – beruhend auf alten Fotos eines Fahrnauer Kaufmanns.

Teile davon sind noch heute in der Dauerausstellung des Museums zu sehen. Ob Frauenverein, Micky Maus, Kaugummipapier, Auswanderer – kaum ein Thema, dem sich Ulla Schmid nicht gewidmet hat. Der Höhepunkt ihres Berufslebens war in ihren Augen die historische Modenschau zur 1250-Jahrfeier der Stadt. „Das war die Quintessenz meiner ganzen Museumstätigkeit.“

Und ihre Lieblingsausstellung? Ulla Schmid, Jahrgang 1955, weiß das noch genau: „Getupft, gestreift und kunterbunt – Erinnerungen an die 50er Jahre“. Gibt es da noch ein Thema, das sie noch nicht in einer Ausstellung würdigen konnte? „Wirtshäuser“, sagt Ulla Schmid, der ihr geschichtliches Wissen bei der Leitung des Stadtarchivs zugute kam.

Falls es jemals zur Digitalisierung kommen sollte, hofft Ulla Schmid, dass das Vermächtnis der Stadt auch weiterhin im Original aufbewahrt wird. Es sei doch etwas ganz anderes, die Urkunde mit der ersten Erwähnung Schopfheims als Stadt oder andere Akten im Original in der Hand zu halten. Beispielsweise würden auch viele Architekten beim Stöbern in alten Bauakten viel lieber die Originalpapiere studieren. Wenn heute etwa Geburtseinträge nur noch digital geführt werden, so müsse man sich schon fragen, ob dies in 200 oder 300 Jahren noch existiere – die alten Originale sind jedenfalls noch vorhanden.

Auch wenn die Suche nach den Akten mittlerweile durch die Digitalisierung der Aktentitel erleichtert wird, danach das Original in den Händen zu halten, gebe viel mehr Aufschlüsse. Und eine komplett digitale Museumswelt? „Da braucht man ja dann nicht mehr ins Museum zu kommen“, warnt Ulla Schmid vor einer solchen durchtechnisierten Entwicklung. „Man muss doch die Gegenstände in echt sehen können.“

Man muss Gegenstände in echt sehen können

Ulla Schmid will auch im Ruhestand nicht von ihrer Passion für Geschichte lassen. Sie will weiterhin Stadtführungen leiten und plant zusammen mit Andi Gsell ein Gewerbekataster („Was war wann in welchem Gebäude?“), sie führt ihre persönliche historische Kartei, in die sie hineinschreibt, was ihr die alten Bürger erzählen, sie will sich vielleicht politisch betätigen und sich bei der Museumsgesellschaft einbringen.

Die Ruheständlerin will in ihrer freien Zeit als Aufsicht ehrenamtlich Museumsdienst verrichten und dafür sorgen, dass die Besucherzahl im Museum angekurbelt wird: durch eigene Besuche. „Dann kann ich endlich mal das Museum in Ruhe anschauen.“

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