Schopfheim "Ein Schicksalstag deutscher Geschichte"

(hf)

Zeitgeschichte: Gedenkfeier zur Reichspogromnacht am 9. November 1938.

Schopfheim - Der 9. November ist in der deutschen Erinnerung mit vielen Ereignissen verbunden. Am 9. November 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die demokratische deutsche Republik aus, nur zwei Stunden später verkündete Karl Liebknecht die sozialistische deutsche Republik.

Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler einen erfolglosen Putsch gegen die erste demokratische Republik von Weimar. Und am 9. November 1989 öffnete sich plötzlich die Berliner Mauer.

Aber der Schicksalstag der deutschen Geschichte war der 9. November 1938, als in ganz Deutschland Synagogen und Bethäuser in Flammen aufgingen, über 1000 Geschäfte jüdischer Inhaber zerstört und geplündert wurden und mehr als 400 jüdische Mitbürger ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Vortrag bei der Gedenkfeier

Daran erinnerte Professor Hermann Wiegand in einem Vortrag bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht in der Alten Kirche. Bürgermeister-Stellvertreter Thomas Gsell hatte die Feier vor zahlreichen Besuchern eröffnet. Seinen Vortrag konnte Hermann Wiegand wegen eines Todesfalls in der Familie nicht selbst halten, das übernahm seine Frau Rosmarie Wiegand.

Ein Attentat auf den deutschen Legationssekretär in Paris bot Reichspropagandaminister Goebbels Gelegenheit, die schon seit 1934 geplante gewaltsame Aktion gegen die jüdische Bevölkerung in Gang zu setzen.

In Mannheim wurde die große Klaus-Synagoge vollständig zerstört. Den Rabbiner Chaim Lauer und sein Familie rettete nur, dass einen Schweizer Pass besaß. Aber nicht nur 250 Synagogen und viele jüdische Gebetsräume gingen in Flammen auf, auch Wohnhäuser und Häuser jüdischer Mitbürger wurden demoliert und verwüstet. Dabei waren nicht nur Mitglieder der SA beteiligt, auch brave Bürger machten bereitwillig mit.

Die Täter der „Reichspogromnacht“ blieben laut Weigand großenteils unbehelligt. Dafür erließ aber Hermann Göring 1938 eine Reichsverordnung, nach der den jüdischen Mitbürgern eine Kontribution von einer Milliarde Reichsmark als „Sühneleistung“ auferlegt wurde.

Zum Schluss stellte der Referent die Frage, ob diesen Ereignissen nach 80 Jahren noch gedacht werden sollte. Er antwortete mit einem entschiedenen „Ja“, nicht zuletzt, da es wieder Menschen gebe, die von solchem Geschehen als von einem „Vogelschiss reden“.

Stadtarchivarin Ulla K. Schmid beleuchtet die Ereignisse des 9. November aus Schopfheimer Sicht. Sie erinnerte an jüdische Bürger und an ihre weiteren Lebenswege. Schopfheim hatte nie eine große jüdische Gemeinde, berichtete sie, darum gab es in der Stadt nie jüdische Einrichtungen wie Synagoge, Verein, Schule oder Friedhof. Die jüdischen Bürger waren meist Geschäftsleute mit eigenen Ladenlokalen an der Hauptstraße und in der Scheffelstraße.

1938 lebten in Schopfheim 18 Personen jüdischen Glaubens aus den hier ansässigen Familien Josua Hirschel, Lazarus Frank, Lippmann Pollag, Joseph Picard, Isaac Picard und Maier Mayer.

In der Nacht des 9. November 1938 gab es in der Stadt zwar keinen Synagogenbrand, aber im Geschäft Isaac Picard, Scheffelstraße 7, wurden die Schaufensterscheiben eingeworfen. Und in zwei weiteren Geschäften fanden Plünderungen statt.

Vier jüdische Geschäfte

Im November 1938 gab es in Schopfheim noch vier jüdische Geschäfte: 1. Lippmann Pollag Nachfolger, Hauptstraße 43, Dekorationsstoffe, Teppiche, Weißwaren. Nach der Pogromnacht erfolgte die „Arisierung“ des Geschäfts und der Verkauf ans Hotel Wehraschlucht Hirschen. 2. Maier Mayer, Konfektionsgeschäft: November 1938 Plünderungen im Geschäft, 1941 Zwangsenteignung nach der Deportation im Oktober1940. 3. Isaac Picard, Scheffelstraße 7, Herren- und Damenkonfektion, November 1938, Schaufensterscheiben eingeworfen; Geschäftsführer Isaac Picard und Klara Hess-Picard verzogen im November1940 nach Frankfurt. Keine Zwangsenteignung, da die Eigentümerin Martha Picard Schweizer bStaatsbürgerin war. 4. Salomon Auerbacher, Wallstraße 5. Viehhandel: Mai 1940 Wilhelm Auerbacher wandert in die USA aus, Oktober 1940 seine Schwester Bella Auerbacher, Zwangsenteignung.

Zum Schluss gab Ulla K. Schmid noch die Lebensdaten aller 1938 in Schopfheim lebenden 18 jüdischen Bürgern an.

Die Gedenkfeier begleitete Christoph Bogon an der Orgel.

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