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Schopfheim Ein Stich ins Wespennest

Markgräfler Tagblatt

Windkraft: Toter Wespenbussard am Rohrenkopf wirft Fragen auf / NABU fordert neues Gutachten

Tod im Windpark: Am Rohrenkopf ist jetzt passiert, was die Windkraftgegner immer befürchtet, die Behörden hingegen kaum für möglich gehalten haben – ein Wespenbussard fiel tot vom Himmel.

Von Werner Müller

Schopfheim-Gersbach . Diese streng geschützte Vogelart steht in Deutschland auf der „Roten Liste“ und gilt als „gefährdet“. Lediglich in Baden-Württemberg hat sie diesen Status derzeit nicht.

„Das ist ein Vogel, der dort oben laut Genehmigungsbehörden eigentlich gar nicht vorkommen dürfte“, wundert sich Wolfgang Ühlin voller Ironie – und fühlt sich zugleich bestätigt, denn die Windkraftgegner hätten stets auf diese Gefahr hingewiesen.

Der Fund

Insofern ist der jetzige Fund für sie wie ein Stich ins Windpark-Wespennest. „Ein Spaziergänger hat das tote Tier Ende August etwa 30 Meter vom Mast der WEA 5 entdeckt“, berichtete Ühlin vorgestern in einem Pressegespräch. Der Vorsitzende der Gersbacher Windkraftgegner schaltete Andreas Lang ein, der am Rohrenkopf und am Glaserkopf schon mehrere faunistische Gutachten vor allem zur Rotmilan-Problematik verfasst hat (wir berichteten). Der Biologe reichte den Vogelkadaver im Auftrag des NABU (Naturschutzbund) beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) ein, um die Todesursache feststellen zu lassen.

Ergebnis: Der junge, etwa ein Jahr alte und gesunde Wespenbussard wies zwar keinerlei äußerliche Verletzungen auf. Lediglich in seinen Augen und in seinem Schnabelwinkel war Blut zu sehen. Dennoch bestehe „der Verdacht, dass der Bussard durch die Windenergieanlage zu Tode gekommen ist“, so die CVUA. Der Grund: Im Inneren des toten Vogels entdeckten die Veterinäre „massive Blutungen“, die durch den Riss von Leber und Lunge auftraten. Die Ursache für den Tod des Wespenbussard liege in einem „Anflug- beziehungsweise Barotrauma“, so die CVUA weiter.

Innere Verletzungen

Der Vogel sei ohne direkte Berührung mit den Rotoren an diesen inneren Verletzungen gestorben, so die Schlussfolgerung von Biologe Andreas Lang. Der Riss von Lunge und Leber könne entweder durch die Druckunterschiede in der Nähe der Rotoren oder aber durch ein „plötzliches Verreißen“ des Vogels aufgrund der rotornahen Luftströmung auftreten.

Der Südschwarzwald biete mit seiner abwechslungsreichen Landschaft für den Wespenbussard „ideale Lebensbedingungen“, betont Lang. Die Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg(LUBW) empfehle nicht umsonst, mit Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1000 Metern zu den Horsten dieser Vogelart einzuhalten.

Dunkelziffer

Bislang seien beim Wespenbussard in Deutschland insgesamt zwar nur zwölf „Schlagopfer“ bekannt, doch das seien bloß „Zufallsfunde“, die Dunkelziffer sei in Wahrheit sehr hoch. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass Windräder den Wespenbussard regelrecht anlocken, weil sich Wespen und Hummeln, deren Bruten zur Hauptnahrung der Vogelart zählen, besonders gerne an den Sockeln und im Umkreis der Mastfüße ansiedeln.

Tatsächlich gab es auch schon in früheren Gutachten zur Genehmigung des Windparks am Rohrenkopf Hinweise, dass der Wespenbussard dort als „Nahrungsgast“ häufig seine Kreise zieht. Dennoch hätten die Gutachter seinerzeit das Kollisionsrisiko als „eher gering“ eingestuft. Auch der NABU habe bereits 2015 auf die Wespenbussard-Problematik hingewiesen, so Lang.

Durch den Fund sei das „Tötungsrisiko“ für den Wespenbussard nun eindeutig belegt, resümiert der Biologe und kritisiert im gleichen Atemzug die bisher „unzureichenden“ Gutachten zu dieser Problematik.

Die Konsequenzen

Aufgrund der neuen Erkenntnisse will Lang im Namen des NABU dem Landratsamt vorschlagen, die Wespenbussard-Problematik noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen, um die offenkundig lückenhaften Erhebungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens „zu heilen“. Auf der Basis eines neuen Gutachtens sei dann zu entscheiden, ob gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der gefährdeten Vogelart zu treffen seien, so Lang. Falls tatsächlich ein Horst in der Nähe einer WEA nachzuweisen sei, könne dies zu Abschaltzeiten führen. Falls sich ein Horst gar innerhalb eines Radius von einem Kilometer befinde, könne dies auch einen „Ausschlussgrund“ für ein Windrad darstellen.

Neues Gutachten

Für Wolfgang Ühlin sind jetzt ebenfalls die Behörden am Zug. „Wir wussten schon immer, dass der Wespenbussard da oben ist“, ärgert er sich. Die Windkraftgegner hätten immer wieder Fakten auf den Tisch gelegt, und es sei nichts passiert. Jetzt sei bewiesen, dass die damaligen Gutachten „nicht in Ordnung“ waren, stellt Ühlin fest und ist gespannt, was das Landratsamt zu unternehmen gedenkt.

„Wir erwarten, dass die Behörde ein nachträgliches Gutachten zu Wespenbussard und Rotmilan in Auftrag gibt“, so der Sprecher der Windkraftgegner. Sollte sich dabei bestätigen, dass der Wespenbussard am Rohrenkopf tatsächlich ein Revier hat, könnte er sich als Konsequenz längere Abschaltzeiten durchaus vorstellen: „Das tut weh“.

Bei der Stadt will Ühlin unterdessen erneut beantragen, dass die Windkraftgegner mit Pkw auf den öffentlichen Waldwegen zu Kontrollen zu den Windrädern fahren dürfen. Einen entsprechenden Antrag hatte die Stadt indes schon einmal abgelehnt.

Das Landratsamt hält sich derweil noch bedeckt. Der Sachverhalt sei „im Hause bisher nicht aufgeschlagen“, teilte der zuständige Dezernent Michael Kauffmann auf Nachfrage mit. Selbstverständlich werde man den Fall prüfen.

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