Schopfheim „Eine Katastrophe für die alten Leute“

Markgräfler Tagblatt

Procurand: Angehörige und Mitarbeiter geschockt /Bürgermeister bemüht sich um Übergangslösung 

Hohe Schockwellen schlägt die bevorstehende Schließung des Procurand Pflegestifts. Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter sind am Boden zerstört. Bürgermeister Christof Nitz hat sich mittlerweile eingeschaltet, um für die Betroffenen das Allerschlimmste zu verhindern.

Von Werner Müller

Schopfheim . Sein Ziel ist, gemeinsam mit Heimaufsicht, Procurand und den Eigentümern der Immobilie – es sind dem Vernehmen nach über 50 – eine Übergangslösung zu etablieren und die Frist bis zur Schließung zu verlängern. So hätten die Angehörigen etwas mehr Zeit, für ihre Angehörigen einen neuen Platz zu finden, und die Mitarbeiter, sich nach einer neuen Stelle umzusehen.

Es habe diesbezüglich auch schon Gespräche gegeben, so das Stadtoberhaupt gestern auf Anfrage. Ein Betreiber, der das Pflegestift übergangsweise weiter führen will, stehe ebenfalls parat. Aber noch seien einige Fragen zu klären, in erster Linie mit der Eigentümergemeinschaft.

„Man kann die alten Leute doch nicht einfach auf die Straße setzen“: So wie Monika Rotzler, die seit Jahren Tag für Tag im Pflegestift eine Frau besucht, reagieren viele Angehörige auf die für 31. März angekündigte Schließung des Pflegestiftes.

Sie kritisiert insbesondere, dass die Heimaufsicht des Landratsamtes die Angehörigen nicht frühzeitig informiert hat. Sie und die Bewohner seien jetzt verzweifelt. weil sie nicht wissen, ob und wo sie künftig einen Platz finden. „Für die alten Leute ist das eine Katastrophe“, klagt Monika Rotzler. Sie setzt derzeit alle Hebel in Bewegung, um ein Treffen von Angehörigen und Mitarbeitern zu organisieren, zu dem sie auch Heimaufsicht sowie Vertreter von Stadt und Procurand einladen will.

Wie ihr ergeht es auch Sabine Wettig aus Berlin. Ihr Vater feiert am 31. März seinen 100. Geburtstag. „Sollen wir den im Umzugswagen begehen?“, fragt sie sarkastisch. Für die Bewohner, die zum Teil seit vielen Jahren im Pflegestift lebten, Freundschaften geschlossen und Alltagsrituale entwickelt hätten, sei das abrupte Ende besonders schmerzhaft. „Sollen sie an ihrem Lebensabend auseinandergerissen werden?“, so Sabine Wettig, die nach eigenen Angaben zehn Jahre lang in der Altenpflege gearbeitet hat.

Sie kritisiert denn auch die Vorgehensweise des Landratsamtes, das die Schließung unter anderem mit „gravierenden Mängeln“ in der Pflege begründet hatt (wir berichteten).

„In jedem Pflegeheim gibt es Mängel“, nirgendwo ist alles perfekt“, meint Sabine Wettig. Tatsächlich habe es im Procurand seit den Querelen von 2016, als die damalige Heim- und die Pflegedienstleitung nach massiven Beschwerden und Streitereien mit dem Mitarbeitern gehen mussten, ständige Personalwechsel gegeben. Trotz der „schwierigen Arbeitsbedingungen“ sei sie von der Qualität der Pflege „positiv überrascht“ gewesen.

Wettig lobt denn auch das Engagement und die „Herzlichkeit“ der Pflegekräfte, die trotz des Personalmangels auf die Anliegen der Bewohner eingegangen seien und tatsächlich eine sehr gute Benotung verdient hätten. Der „eigentliche Skandal“ bestehe für sie darin, dass das Haus binnen fünf Wochen schließen solle.

Das war ursprünglich offenbar jedoch gar nicht geplant. Was Mitarbeiter (auch ehemalige) und Angehörige gleichermaßen auf die Palme bringt, ist denn auch die Tatsache, dass die Heimaufsicht das Pflegestift ursprünglich erst zum 31. Juli dieses Jahres schließen wollte.

„Wir haben eine längere Übergangsfrist gewährt“, bestätigte der zuständige Referent beim Landratsamt, Michael Laßmann, auf Nachfrage entsprechende Informationen unserer Zeitung. Der Schließungstermin vom 31. März stamme vom Betreiber.

Das erhärtet einen Verdacht, den Angehörige und Mitarbeiter in Anbetracht der Entwicklung schon länger hegen: „Procurand wollte das Schopfheimer Haus sowieso abstoßen“, so eine Insiderin. Der Grund: Im Sommer 2019 läuft der Vertrag des Betreibers mit der Eigentümergemeinschaft im Bifig dem Vernehmen nach aus.

„Es ist so schade für das Haus“, bedauert eine langjährige Mitarbeiterin, die wegen Differenzen mit der früheren Heimleitung die Stelle wechselte, die traurige Entwicklung im Pflegestift.

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