Schopfheim Ende einer sozialen Pionierleistung

Ralph Lacher

Vereine: Krankenuntertützungsverein Fahrnau löst sich nach 140 Jahren auf

Aus für eine Institution des sozialen Pioniergeists: Der Krankenunterstützungsverein Fahrnau, gegründet zu Beginn der 1880er Jahre, löst sich endgültig auf.

Von Ralph Lacher

Schopfheim-Fahrnau . Sozial engagierte Fahrnauer gründeten im damals von Schuh-, Textil- und Metallindustrie geprägten Dorf einst den Verein mit dem Ziel, die Mitglieder im Krankheitsfall zu unterstützen.

Das sei damals eine „Pionierleistung“ gewesen, erklärt Vorsitzender Jürgen Jäckh, der bei der 140. und zugleich letzten Generalversammlung am gestrigen Freitag die Auflösung des Vereins beantragte.

„Wir werden mit einem entsprechenden Beschlussvorschlag in die Sitzung gehen“, sagte Jürgen Jäckh im Vorfeld. Er rechne damit, dass zwei Drittel der anwesenden Mitglieder diesem Vorschlag auch zustimmen werden und somit die Auflösung beschließen.

Das Ende des Traditionsvereins zeichnete sich schon länger ab. Sozialgesetzliche Auflagen waren das eine, ein drastischer Mitgliederrückgang und immer weniger Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, das andere.

Im Grunde genommen sei der Krankenunterstützungsverein eigentlich kein Verein, sondern eine Sozialversicherungsgesellschaft, erklärt Jürgen Jäckh. Die übergeordnete Versicherungsaufsicht habe gravierende Satzungsänderungen gefordert und auch eine Aufstockung der Vorstandschaft sowie die Erhöhung der finanziellen Rücklagen. All das mache jedoch keinen Sinn mehr, so Jäckh.

Er erinnert mit einer gewissen Portion Stolz an die Geschichte des Vereins, dem er seit vielen Jahren vorsteht. Weil im Kaiserreich bis Mitte der 1880er Jahre keine Sozialgesetzgebung existierte, unterstützte der 1881 gegründete Verein „im Falle von Krankheit und entsprechendem Lohnausfall“ seine Mitglieder finanziell, erläutert Jürgen Jäckh.

Die Vereinsgründer in Fahrnau seien somit in sozialer Hinsicht schon vor 140 Jahren Vorreiter gewesen und hätten eine Art von „Sozialversicherung“ etabliert, noch bevor Reichskanzler Bismarck dies im Kaiserreich verwirklichte.

Die Unterstützung der Mitglieder war bis in die Gegenwart das einzige Anliegen des Vereins. Er zahlte im Krankheitsfall bis zu 70 Tage lang pro Jahr 1,50 Euro täglich; im Todesfall erhielten die Hinterbliebenen ein Sterbegeld in Höhe von 150 Euro. In den Genuss dieser Leistungen kam ein Mitglied des Krankenunterstützungsvereins für zwölf Euro Jahresbeitrag.

Trotzdem sei die Altersstruktur der Mitglieder immer ungünstiger geworden, so Jäckh. Die Folge des hohen Durchschnittsalters seien vermehrte finanzielle Belastungen für den Verein. Und junge Mitglieder sind nach Jäckhs Worten kaum zu gewinnen.

Das war früher deutlich einfacher. Der wohl letzte Vorsitzende der Vereinsgeschichte erinnert an die schon legendären „Mitgliedswerbe-Aktionen“ seines langjährigen und mittlerweile verstorbenen Vorgängers Franz Schäuble. Der „Hirschen“-Wirt spendierte jedem einen Schnaps, der den Aufnahmeantrag für den Krankenunterstützungsverein unterschrieb – „das passierte am Hirschen-Stammtisch recht häufig“, erinnert sich Jürgen Jäckh nicht ohne Wehmut.

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