Schopfheim Enkenstein Baustelle im Zentrum spaltet das Dorf

Gerald Nill
Remko Brouwer (stehend) und Technischer Beigeordneter Thomas Schmitz beantworteten alle Fragen von 35 Einwohnern bei der Ortschaftsratssitzung in Enkenstein. Foto: Gerald Nill

Hoch her ging es bei der Ortschaftsratssitzung in Enkenstein. Anlass: Die Hochwasser-Baustelle im Dorfzentrum, die etliche Bewohner zu immensen Umwegen zwingt.

Ortsvorsteherin Eva Brutschin eröffnete die Sitzung durch ein persönliches Statement, eingeleitet mit den Worten: „Wer das nicht hören will, kann draußen warten.“ Doch die 35 Zuhörer, die in den Maibergsaal gekommen waren, blieben sitzen. Es ging um den Brandbrief der Bürger gegen die Straßensperrung im Zuge der Hochwasserschutz-Bauarbeiten. „Ich war nicht vorgewarnt. Das hat mir die Sprache verschlagen“, erklärte Brutschin. Von dem Brandbrief habe sie erst aus der Presse und vom Bürgermeister erfahren. Sie distanziere sich von den Beleidigungen und Unterstellungen gegenüber den Behörden.

„Sperrung unumgänglich“

Spätestens da war klar: Es geht ein Riss durchs Dorf. Die Sperrung der Kreuzung mitten im Dorf sei zweimal geprüft worden und im Namen der Sicherheit unumgänglich, so Brutschin. Sie stehe voll und ganz hinter dem Projekt und seinen Begleiterscheinungen. Ihr Plädoyer in eigener Sache beendete sie mit der Drohung, dass in wenigen Tagen eine Security-Firma eingeschaltet werde, wenn die Bauzäune abends weiterhin geöffnet werden.

Auch Ortschaftsrätin Renate Brigert zeigte sich „sehr enttäuscht“, von dem Schreiben ans Landratsamt erst aus der Zeitung erfahren zu haben. Dadurch werde der ganze Ortschaftsrat unglaubwürdig. Brigert: „Wir haben bei jeder Ortschaftsratssitzung die Möglichkeit, Meinungen der Bürger aufzunehmen.“

„Baff, wie tief der Riss ist“

Thomas Schmitz, Technischer Beigeordneter der Stadt, war zusammen seinem Bauamtskollegen Remko Brouwer gekommen, um sich den Fragen der Anwohner zu stellen. Er sagte: „Ich bin baff, wie tief der Riss im Ort ist und bedaure das sehr.“ Nicht nur der „Zwist im Ort“ sei sehr bedauerlich, „sondern auch, wie mit Frau Brutschin umgegangen wird“, hob Schmitz an. Außerdem sei der Stil, wie die Verwaltung attackiert werde, nicht in Ordnung.

„Aber“, so Schmitz, „wir sind gekommen, um das Thema auf die Sachebene zurückzuholen.“ Dazu skizzierte Remko Brouwer noch einmal die Baumaßnahme: Seit einem Jahr werde gebaut. Das Absetzbecken Gresger Bach am Ortseingang steht und der Bypass, der eine Hochwasserwelle aufnehmen soll, ist ebenfalls weitgehend fertig. „Das ist sehr gut gelaufen mit der Baufirma“, lobte Brouwer.

Aber jetzt kommt das Knifflige: Im Ortskern müssen Abwasser- und Regenwasserleitungen verlegt und wieder angebunden werden. Außerdem Trinkwasserleitungen, von denen man nicht mal genau weiß, wo sie liegen, sowie das neue Glasfaserkabel. Und hinterher müssen alle Wege und Fahrbahnen wiederhergestellt werden.

Brouwer sprach von maximal neun Monaten Bauzeit. Aber das ist eben auch die Zeit, in der nahe Kindergärten und Schulen, eigene Felder sowie die Arbeitsstellen für 60 Einwohner nur über kilometerlange Umwege erreichbar sind.

In der Fragestunde kam fast jeder zu Wort. Ob die Kreuzung wirklich neun Monate geschlossen bleibe? Von einer so langen Sperrung sei zuvor nie die Rede gewesen. Das hänge von der Witterung ab und könne jetzt noch nicht abschließend beantwortet werden. Unverständnis wurde wiederholt für die aktuelle Sperrung geäußert, ohne dass dort etwas passiert. Brutschin erwiderte: „Auf die Sperrung haben wir keinen Einfluss“ und schloss nach einer kritischen Zwischenbemerkung den einzigen Ordnungsruf der Sitzung an: „Wenn Du nicht ruhig bist, gehst Du raus.“

Nicht doppelt abnabeln

Erst später hatte der Technische Beigeordnete Schmitz die Gelegenheit zu erklären, dass gar nicht „das Loch der Grund für die Sperrung ist, sondern die unsichere Anbindung an die Landstraße“. Sie verläuft aktuell auf einer provisorischen Behelfsstraße. Diese sei auch nicht umsonst zu haben gewesen, habe man aber gebaut, um Enkenstein nicht doppelt abzunabeln.

Der erste Landwirt kritisierte Harschers Bemerkung, Landwirte könnten Wald und Weiden über Wirtschaftswege erreichen. „Da kennt Herr Harscher die Wege besser als ich“, bemerkte einer. Ein anderer kritisierte, dass er mit einem Rundballen keinen acht Kilometer langen Umweg zur Weide fahren könne. Schmitz baute die goldene Brücke und empfahl, beim Landratsamt eine Sondergenehmigung für eine Durchfahrt mit dem Schlepper zu beantragen. Positiv müsse auch anerkannt werden, dass jedes Grundstück während der Bauphase erreichbar bleibe, warb die Verwaltung.

Thema war auch die Baustellenampel, auf die die Stadt während der vierwöchigen Übergangsphase bis zum tatsächlichen Baubeginn aus Kostengründen verzichtet hatte. Die Entscheidung verteidigte Schmitz ebenso wie diejenige, Anliegerverkehr in der Baustelle nicht zu ermöglichen. Das sei in der Praxis nicht machbar, da andere Autofahrer das Schlupfloch nutzen würden, verteidigte er die Verkehrsbehörde.

Während sich die Debatte zunehmend versachlichte, zeigte die Ortsvorsteherin sich nochmals von der emotionalen Seite. Brutschin sprach davon, es mache ihr „Angst, wie ihr mit der Stadt umgeht“. Sie sprach davon, dass „keiner zu den Ortschaftsratssitzungen kommt und am Ende beschweren sich alle“. Sie erwähnte 100 Info-Briefe, die sie im Dorf verteilt und auf die es keine Reaktion gegeben habe – dann aber einen Brandbrief über ihren Kopf hinweg. Und sie stellte das Dorffest zur Disposition „wegen der Stimmung im Dorf“.

Park-Provisorium gesucht

Die Bürger griffen den Vorschlag eines zentralen Parkplatzes auf, der die weiten Umwege über den Maiberg und Schopfheim während der Bauphase überflüssig machen würde. Bürgermeister Harscher hatte die Schotterung einer Fläche in der Gemeinderatssitzung angeboten. Jetzt musste der Amtsleiter einräumen: „Wir haben wenig eigene Flächen in Enkenstein. Aber wir nehmen das Anliegen mit.“ Gegebenenfalls sei man darauf angewiesen, dass jemand eine private Fläche anbietet. Brutschin sprang bei und will forschen, ob jemand im Dorf etwas möglich machen kann.

Schließlich kam die Modellierung des Gresger Baches im Bereich des Alten Rathauses zur Sprache. Sie ist auch aus Sicht des Bauamtes völlig missraten und soll auf jeden Fall korrigiert werden.

Am Ende dieser denkwürdigen Ortschaftsratssitzung stand also doch noch ein konstruktives Angebot und die Verwaltungsleute aus Schopfheim wurden mit respektvollen Applaus verabschiedet.