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Corona-Alarmstufe Einzelhandel fürchtet negative Folgen von "3G"

Anja Bertsch

Umfrage: Wie der Schopfheimer Einzelhandel mit der aktuellen 3G-Regel umgeht

Schopfheim - Mit der seit Mittwoch geltenden Alarmstufe treten auch für den Handel schärfere Zugangsregeln in Kraft: Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung gehören, dürfen nur noch von Getesteten, Geimpften oder Genesenen betreten werden.

Eine Umfrage unter den Schopfheimer Einzelhändlern zeigt: Diese 3G-Regelung ist für die lokalen Ladeninhaber in Grundsatz wie in der Umsetzung durchaus eine Herausforderung.

Viel größer aber ist die Angst davor, dass die Geschäfte in einem nächsten Schritt erneut, und das ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, komplett dichtmachen müssen. Ein Szenario, das viele Existenzen bedrohen würde. Entsprechend gedrückt ist die Stimmung.

Einzelhändler als Kontrolleure

„Die neuen Auflagen sind natürlich nicht so prickelnd“, bekennt beispielsweise Gerhard Reif von „Sigrid’s Bastellädele“. Gerade für kleine Geschäfte seien die Kontrollen schwierig umzusetzen.

Da ist zum einen der schiere Aufwand. Zum anderen aber die Herausforderung im direkten Miteinander mit den Kunden. Zwar zeigen viele ihren Nachweis von selbst, berichtet Reif. „Was aber, wenn jemand das nicht tut? Bin ich dann berechtigt und verpflichtet, darauf zu bestehen – und muss ihn andernfalls aus dem Laden werfen?“  Selbst wenn die rechtliche Grundlage das hergibt: Das sei einfach nicht die Rolle, die man als Einzelhändler vor Ort den teils langjährigen Kunden gegenüber einnehmen will.

„Wir versuchen eben, mit der Situation umzugehen und hoffen, dass es nicht noch schlimmer kommt. Was anderes bleibt uns ja nicht“, so Reif.

Froh sind die Einzelhändler immerhin über eine Erleichterung, die der Handelsverband Baden-Württemberg erreichen konnte: Demnach müssen die Geschäftsinhaber nicht mehr im Sinne einer Eingangskontrolle alle prüfen, die den Laden betreten wollen. Statt dessen genügt eine „stichprobenartige Kontrolle“; etwa jeder zehnte Kunde sollte es sein.

Negative Folgen für Kundenaufkommen wahrscheinlich

Ob die neue Regelung negative Folgen für das Kundenaufkommen hat? Da die Regel erst sei drei Tagen in Kraft ist, lässt sich das für die Händler noch nicht abschätzen.

Martin Bühler beispielsweise, Inhaber des „Euronics“-Fachgeschäfts und Vorsitzender des Gewerbevereins, hält das durchaus für wahrscheinlich. „Etwa 65 Prozent Geimpfte - das bedeutet im Umkehrschluss 35 Prozent Nicht-Geimpfte“, rechnet er vor: „Das ist über ein Drittel, die ich nicht oder nur unter Auflagen ins Geschäft lassen darf.“ 

Ein erhebliches Kundenpotenzial, das in der Gastronomie wegen der dort mittlerweile geltendenden 2G-Regel nun ganz wegfällt - und im Einzelhandel mit Sicherheit zumindest teilweise.

Zwar dürfen Nicht-Immunisierte mit einem aktuellen Schnelltest einkaufen. Das aber ist ein Aufwand, den man höchstens noch für eine teure Anschaffung mitsamt Beratungsgespräch auf sich nimmt - eher aber nicht, um spontan ein paar Kerzen, einen Satz Batterien oder ein neues Oberteil zu kaufen.

„Viele Kunden werden damit vorsätzlich ins Internet getrieben“, ist sich Bühler sicher – eine ohnehin bestehende Tendenz werde damit weiter beschleunigt. Um betroffene Kunden dennoch bedienen zu können, gibt es die Beratung und/oder die Ware bei Euronics bei Bedarf auch mal an der Ladentür.

Weitere Spaltung der Gesellschaft befürchtet

Einen solchen Abholservice bietet auch „Schöbel’s Laden“ in der Scheffelstraße an. Jenseits der eigenen Betroffenheit durch womöglich ausbleibende Kundschaft macht sich Inhaberin Martina Schöbel allerdings grundsätzlich Gedanken darüber, welche Folgen die immer stärkere Ausgrenzung von Nicht-Geimpften langfristig für den Zusammenhalt beziehungsweise die Spaltung der Gesellschaft hat.

Waren im ersten Lockdown tatsächlich so gut wie alle Geschäfte außer Lebensmittelmärkte und Apotheken dicht, ist das entscheidende Etikett der „Grundversorgung“ diese mal deutlich weiter gefasst, so dass wesentlich weniger Geschäfte von den Einschränkungen betroffen sind.

Wa ist Grundversorgung und was nicht?

Das Label der „Grundversorgung“ ist bereits in den aktuellen Maßnahmen von Bedeutung: Für „Grundversorger“ gibt es keine Zugangsvoraussetzungen. Für „Nicht-Grundversorger“ hingegen gilt aktuell „3G“. Und im Falle eines erneuten Lockdowns womöglich die Schließung.

Für viele, die nicht unter diese Definition fallen, ist diese Unterscheidung existenziell – und oft kaum nachvollziehbar. „Einen Blumenstrauß im Wohnzimmer stehen zu haben, gehört zum Grundbedarf, Essen-Kochen-Können aber nicht?“, formuliert beispielsweise Patrick Jost von „Jost- und Jost Haushaltwaren“ in der Scheffelstraße sein Unverständnis über die in seinen Augen willkürliche Zuordnung. „Das ist nicht logisch und nicht zu begreifen“.

Josts Befürchtungen gehen mit Blick auf die Zukunft noch weiter: „3G ist nicht das Problem. Der nächste Lockdown, der womöglich kommt: Der ist das Problem.“

Ähnlich kritisch äußerst sich Martin Bühler angesichts der Grenzziehungen: „Sagen Sie selbst: Kühlschrank, Herd, Waschmaschine: Gehört das etwa nicht zur Grundversorgung?“

Wichtiger als dieser Vergleich ist aus Sicht der Betroffenen allerdings die Ungleichbehandlung beispielsweise gegenüber einem Drogeriemarkt mit seinen breiten Non-Food-Angeboten, der weiterhin anbieten darf, was spezialisierten Geschäften im Falle eines Lockdowns untersagt wäre – vom Parfüm über Spielzeug bis hin zu Kurzwaren und Geschirr.

„Es ist eine sehr schwierige Zeit. Was der richtige oder der falsche Weg ist: Man weiß es nicht“, bringt der Gewerbevereinsvorsitzende Martin Bühler die Ratlosigkeit auf den Punkt, die aktuell nicht allein den Einzelhandel umtreibt - und skizziert das Maximum an Optimismus, das ihm derzeit bleibt: „Wir rechnen mit dem Schlimmsten - und hoffen, dass es doch nicht eintritt“.

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