Schopfheim „Es ist noch Luft nach oben“

Markgräfler Tagblatt

Interview: Bürgermeister Dirk Harscher spricht über seine Erfahrungen im ersten Amtsjahr.

Ein Bürgermeister ist kein König: Diese Lektion hat Dirk Harscher in seinem ersten Jahr als Rathauschef schnell gelernt. Auch in der Kommunalpolitik heißt es nämlich, dicke Bretter zu bohren und Mehrheiten zu finden – für einen Neuling in dem Metier nicht ganz einfach, wie das Stadtoberhaupt im Gespräch mit unserem Redakteur Werner Müller verrät.

Frage: Herr Harscher, seit ziemlich genau einem Jahr sind Sie jetzt im Amt. Wie sicher fühlen Sie sich schon im Bürgermeister-Sattel?

Mit der Zeit immer sicherer. Allerdings kommen ständig neue Themen auf, bei denen ich die Richtung vorgeben muss. Das ist in der Entscheidungsfindung immer noch gewohnheitsbedürftig.

Frage: Wie gut waren Sie vorbereitet auf das, was ab 2. Januar tatsächlich auf Sie einprasselte?

Die Vorbereitung war eigentlich eine Art Hubschrauberblick über alles. Das habe ich relativ schnell gemerkt. Die ersten zwei Wochen im Rathaus waren noch relativ entspannt, aber dann kamen so viele Themen auf den Tisch – da reicht der Hubschrauberblick nicht mehr. Das waren so viele Sachverhalte, bei denen man sich erst einarbeiten und nachfragen muss, da reichen vier oder fünf Wochen nicht. Wichtig ist zwar, dass man Leute kennen lernt, um einen groben Überblick zu bekommen, aber das allein genügt nicht. Es gibt jetzt noch viele Themen, die für mich neu sind. Wir haben zum Glück zwar eine gute Verwaltung mit fähigen Mitarbeitern. Aber auch diese brauchen klare Vorgaben. Da bin ich noch ein bisschen in der Testphase.

Frage: Was hat Sie am meisten überrascht?

Das eine ist die große Zahl der Menschen, mit denen man als Bürgermeister zu tun hat. Wöchentlich lernt man neue kennen. Das Problem ist dann nur, sich alle Namen zu merken. Das zweite ist die Menge an Themen, mit denen man sich beschäftigen muss. Oft sind es auch nur kleine, von denen der Bürger gar nichts mitbekommt. Hochspannend. Das gilt auch für Personalfragen. Da gab es im vergangenen Jahr allerdings auch einige – zum Teil mit Konsequenzen, die nicht so einfach waren. Aber bei rund 350 Beschäftigten gehört das halt auch dazu.

Frage: Gibt es etwas, das Ihnen immer noch schwer fällt oder an das Sie sich bis heute nicht gewöhnen konnten?

Was mir schwer fällt und was ich lernen muss, wenn ich nicht baden gehen will, ist Nein zu sagen, beziehungsweise: so nicht. Eine klare Linie zu verfolgen, gehört ebenso dazu wie Themen schneller zum Abschluss zu bringen. Ich habe gelernt: Es jedem recht zu machen, geht nicht. Manchmal sind Entscheidungen zu treffen, die nicht sehr populär sind. Da tut man sich am Anfang vielleicht ein bisschen schwerer.

Frage: Welche Erfahrungen möchten Sie auf keinen Fall missen?

Das Spannende an der Herausforderung, die Begegnungen mit den Menschen, die sehr viel für die Allgemeinheit tun - das möchte ich nicht missen. Ich bin sehr positiv überrascht, dass es in Schopfheim so viele Menschen gibt, die sich engagieren. Diese schönen Erfahrungen überwiegen.

Frage: Auf welche würden Sie künftig gerne verzichten?

Mit nicht gut vorbereiteten Unterlagen in eine Sitzung zu gehen, darauf möchte ich gerne verzichten. Der Gemeinderat hat ein Recht auf gute Informationen. Da sind sicher ein paar Fehler passiert. Aber das sollte eine Seltenheit sein. Die Stadträte müssen entscheiden, sie müssen dafür gut vorbereitet sein, sonst treten unnötige Fragen auf. Ich selbst bin auch jemand, der nur dann entscheiden kann, wenn er sich seiner Sache sicher ist.

Frage: Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?

Seit der Kommunalwahl gibt es ja neue Mehrheitsverhältnisse im Gremium. Es ist spannender geworden. Die neuen Stadträte wollen mehr Information, das Diskussionsbedürfnis ist größer, die Wortmeldungen sind zahlreicher. Das sieht man auch daran, dass die Sitzungen länger dauern. Insgesamt finde ich den Umgang miteinander gut.

Frage: Fällt es Ihnen als gelerntem Bänker eigentlich schwer, in Anbetracht unplanmäßiger Ausgaben und der städtischen Finanzen insgesamt die Ruhe zu bewahren?

Das ist sicher ein Kernthema, das ein mulmiges Gefühl auslöst. Das finanzielle Korsett für Städte und Gemeinden wird immer enger. Von oben her kriegen die Kommunen immer mehr Aufgaben, die sie bezahlen müssen. Und dann sollen sie sehen, wie sie finanziell damit klar kommen. Wir müssen trotzdem schauen, dass wir unsere laufende Kosten in den Griff kriegen und eine solide Struktur schaffen. Dazu müssen wir auch Liebgewonnenes in Frage stellen. Ich hätte auch lieber ein paar Millionen Euro mehr Gewerbesteuereinnahmen. Aber wir müssen mit der Situation umgehen, so wie sie ist.

Frage: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der ersten 12 Monate als Stadtoberhaupt aus?

Ich bin zufrieden, nicht mehr. Es ist noch einige Luft nach oben, was ich besser machen kann. Aber: Ich bin sehr motiviert. Und es macht mir Spaß. Ich muss mich allerdings auch daran gewöhnen, dass viele Dinge nur langsam vorangehen. Als Bürgermeister ist man halt nicht der König von Schopfheim, der alles allein machen kann. Die Verwaltung kann zwar Empfehlungen geben und Vorschläge machen. Wo die Reise dann hin geht, muss allerdings die Mehrheit entscheiden.

Frage: Sie haben sich mit der Wahl in den Kreistag ja noch eine zusätzliche Last aufgebürdet – bereuen Sie die Entscheidung mittlerweile?

Es ist sehr zeitintensiv, das ist wohl wahr. Allerdings merke ich auch, dass mir die Treffen, Sitzungen und Gespräche mit den Kollegen viel bringen. Es ist diese Vernetzung, die mir wichtig ist.

Frage: Sie bieten seit Ihrem Amtsantritt regelmäßige Bürgersprechstunden an. Was nehmen Sie daraus für Ihre Arbeit mit?

Man bekommt ein Stimmungsbild von den Bürgern. Es sind oftmals zwar nur kleinere Anliegen und Probleme. Manchmal geht es auch nur um Einzelinteressen. Und oft holt man sich auch zusätzliche Aufgaben ins Haus. Trotzdem ist es mir wichtig, dass es keine hohe Hemmschwelle gibt, zum Bürgermeister zu kommen.

Frage: Was nehmen Sie sich fürs neue Jahr besonders vor?

Persönlich möchte ich mich im Büro noch besser strukturieren und die Termine so steuern, das mir mehr Freiraum zum Nachdenken bleibt. So heiß laufen wie bisher kann ich auf Dauer nicht. Politisch stehen drei Kernthemen ganz oben: Haushaltskonsolidierung, Schulcampus und Ärzteversorgung. Beim letztgenannten Thema bin ich guter Dinge, dass wir schon bald ein gutes Stück weiter kommen.

Frage: In drei Jahren ist schon die erste Hälfte Ihrer Amtszeit um. Was wollen Sie bis dahin erreicht haben?

Die Ärzteversorgung soll in trockenen Tüchern sein. Bis in drei Jahren, so hoffe ich, haben wir bereits eine Baugenehmigung für ein Ärztehaus. Dafür gibt es jetzt schon Interessenten. Städteplanerisch hätte ich gerne eine Lösung fürs zentrumsnahe Parken sowie eine Strategie für eine attraktive Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität.

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