Schopfheim Improvisation in den höchsten Tönen

Jürgen Scharf
Vom Chorknaben zum preisgekrönten Organisten: Sebastian Heindl eröffnete mit virtuosen Improvisationen den Orgelsommer. Foto: Jürgen Scharf

Orgelsommer: Außergewöhnlicher Festivalauftakt mit Sebastian Heindl.

Schopfheim - Christoph Bogon improvisiert gern, auch Carsten Klomp ist ein großer Improvisator: Bei Kirchenmusikern und Organisten gehört das Improvisieren dazu.

So zog sich am Donnerstag beim Eröffnungskonzert des „Schopfheimer Orgelsommers“ mit dem ION-Preisträger Sebastian Heindl Großmeister J.S. Bach und die Faszination der Orgelimprovisation durchs Programm.

Bach ist ja das beste Beispiel, er war berühmt als Improvisator an der Orgel. Interessanterweise hat sich die Improvisation – jenseits vom Jazz – an der Orgel erhalten. In Klassik-Konzerten ist das Improvisieren unüblich geworden, nur die Orgelimprovisation hat im konzertanten Rahmen überlebt. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht es aus, dass sie auf die Zuhörer eine besondere Faszination ausübt: spontane Augenblickskunst.

Mehrfach blitzte bei diesem zeitlich ausgedehnten Orgelrezital an vielen Stellen Inspiration auf. Da waren mal ganz andere Klänge im Klangraum Kirche zu hören, ein experimentelles Kontrastprogramm. Bach und Heindl war der Programmschwerpunkt, das war schon mal hoch ambitioniert und zeigte gehöriges Selbstbewusstsein des Nachwuchsorganisten aus Gera, der in Leipzig studiert, aber bereits einige Preise abgeräumt hat.

Improvisation Nr. 1 spielt er - natürlich nicht ohne ein Bach-Zitat - im französisch-barocken Stil, in dem auch die hiesige Schuke-Orgel disponiert ist und daher von den Registerfarben perfekt passte. Der ehemalige Thomaner versteht es, auf der Orgel zu singen, gerade in einer Choralbearbeitung oder im Adagio aus der frühen Toccata und Fuge von Bach.

2006 war Sebastian Heindl „Organist des Jahres“ und beim letzten Wettbewerb der Internationalen Orgelwoche Nürnberg bekam er neben dem dritten Preis auch den Publikumspreis und den Max Reger-Sonderpreis. Seine erste CD beinhaltet französisches Repertoire, ebenfalls an einer Schuke-Orgel, aber viermanualig, im Dom zu Magdeburg, aufgenommen. Die beiden Schopfheimer Orgeln fand der junge Gast „wunderbar und gegensätzlich“.

Wie ging der 21-Jährige nun an ein improvisiertes Thema heran? Barock, romantisch und modern. In drei verschiedenen Stil-Improvisationen organisiert er den Klang der Orgeln, die Register und die Klangmischungen höchst wirkungsvoll. Orgelimprovisation ist eine hohe Kunst und braucht eine souveräne Technik. Und die hat Sebastian Heindl hörbar, ja geradezu in stupendem Maß, wenn man seine Improvisation im modernen Stil auch optisch mitverfolgt hat.

War zuvor bei den Bach-Werken noch die Pedalarbeit sehenswert, so war spannend, wie er mit musikalischer Kreativität über ein weltliches englisches Vokalstück fantasiert, mit auf- und absteigenden Läufen über die Tasten saust und clusterartig mit der flachen Hand über die ganze Tastatur fährt.

Zwei Manuale reichten ihm für dieses experimentelle Stück aus. Zum Schluss lässt er den sinnlich fesselndem Klang in höchsten Tönen ins Universum oder ins Elysium entschwinden: Cyberspace auf der Orgel - wann gab es das hier schon mal?

Der größte Brocken war Heindls große Sonate über vier Liedvorschläge des Publikums aus dem Gesangbuch auf der Emporenorgel. Eine ausgewachsene Sonate im romantischen Stil über Themenwünsche, das will was heißen.

Diese letzte Improvisation war von faszinierender Geschlossenheit, hatte Überzeugungskraft, war kunstvoll, fantasievoll, hochvirtuos, vielleicht etwas lang. Mithin ein außergewöhnlicher Festivalauftakt!

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