„Es war ein Pilotprojekt.“ Zustande gekommen war es über die Partnerschaft der Stadt zu Dikome. Beeindruckt waren die Zabels von den Patienten, die stundenlange Fußmärsche durch unwegsames Gelände auf sich nahmen, um zu den „white doctors“ zu gelangen, für die die Kinder Anfang der 80er Jahre noch an der Straße Spalier standen. Bis 2006 war das Ehepaar jedes Jahr dort.
Erschütternd waren die drei abenteuerlichen Einsätze im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, in dem Patienten mit Kriegs- und Minenverletzungen auf sie warteten. „Damals hatten wir noch kein eigenes Instrumentarium“, berichtet Günter Zabel. „Da lagen rostige Zangen herum.“ Besonders geprägt haben diese Einsätze das Ehepaar, weil es „eine komplett andere Welt“ war. Medizinisch gesehen „sieht man dort in 14 Tagen Dinge, die man hier wahrscheinlich das ganze Leben nicht sieht“, so Günter Zabel. „Das sind schon gewaltige Eindrücke gewesen.“ Zu den Erkrankungen und Verletzungen, mit denen die Teams konfrontiert waren, kamen Eindrücke der neuen Umgebung, Frauen in Burkas, der Ruf des Muezzins um 5 Uhr morgens, das Fladenbrot aus dem Erdofen.
„Brandverletzte ohne Versorgung“
Viel Schreckliches mussten die Zabels bei all ihren Einsätzen rund um die Welt mit ansehen. Dazu gehörte der Anblick schwerstbrandverletzter Kinder. Oder das Team stieß auf unversorgte Patienten. „Da lagen die brandverletzten Patienten tagelang in ihrer Kleidung in den Betten.“ „Wir sind auch vielen Schicksalen familiärer Art begegnet“, berichtet Marianne Zabel. „Das waren tief greifende Erlebnisse.“ Die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern sei in manchen Ländern sehr ausgeprägt. Da würden Kinder zur Strafe auf heiße Herdplatten gesetzt oder in siedendes Wasser getaucht, Frauen angezündet. „Da muss man sich einen Eigenschutz aufbauen“, betont Günter Zabel, früherer Chefarzt am Schopfheimer Kreiskrankenhaus.
Immer mehr Länder und Einsätze kamen dazu. Zwei- bis dreimal im Jahr waren sie für Interplast unterwegs, in einem Jahr sogar fünfmal. Der eigene Urlaub mit der Familie wurde hintan gestellt.
Zabels waren auch in Indien und Sikkim, in Guatemala, Bolivien und Vietnam tätig. Oft waren die Einsätze abhängig oder bestimmt von den politischen Verhältnissen vor Ort. Am Anfang versuchten die Zabels noch, im Anschluss an die OP-Eingriffe etwas vom Land zu sehen, doch die Anstrengung forderte ihren Tribut. In Sikkim hieß der dortige Gesundheitsminister bei der offiziellen Verabschiedung den reinen Arbeitseinsatz gar nicht gut. „Ihr seid ein blödes Volk“, sagte er sinngemäß, man müsse doch das schöne Land anschauen - und er hatte Recht, so Günter Zabel.
„Mit den Einheimischen auf Augenhöhe arbeiten“
Dabei schlossen der Chirurg und die OP-Schwester nicht nur innerhalb der Interplast-Teams Freundschaften, sondern auch mit den Menschen vor Ort. Und das unterscheidet sie auch von manch einem US-amerikanischen Team, das mit 60 Leuten zum Einsatzort reist und vom Koch bis zum Pressereferenten alles dabei hat; Einheimische dürfen nicht mitmachen. Das Interplast-Team praktiziert das Gegenteil: eine kleine Gruppe, die andere nicht belehrt, sondern auf Augenhöhe arbeitet. „Wir wollen jeder voneinander lernen.“ Die strahlenden Augen der Patienten sind denn auch der - einzige - Dank für die ehrenamtlich Operierenden.
Die Herausforderung sei, mit minimaler Ausrüstung auszukommen, unterstreicht Marianne Zabel. „Improvisationstalent ist sehr gefragt.“ Ziel sei „die sichere Methode vor Ort“, erläutert Günter Zabel seine OP-Maxime.
Mittlerweile gehe die Tendenz dahin, dass Einreisen je nach Land mehr oder weniger erschwert würden, sagt Günter Zabel, der nach wie vor Einsätze der Sektion Schopfheim für Kollegen organisiert.
Niemals ans Aufgeben gedacht
Wechselnde Verhältnisse in Bolivien, gut ausgebildete Ärzte in Indien, die aber in Privatkliniken arbeiten, derweil europäische Mediziner die Armen auf dem Subkontinent operieren - mit all diesen Entwicklungen muss sich das Interplast-Team auseinandersetzen.
Aber zu keinem Zeitpunkt dachten die beiden frisch gebackenen Ehrenmitglieder ans Aufgeben. Das hatte wohl pathologische Gründe. „Es gibt da einen Interplast-Virus. Entweder man infiziert sich damit, oder man macht es nie wieder“, schmunzelt Günter Zabel. „Nach dem ersten Einsatz ist die Entscheidung gefallen.“ Selbst für einen ausgewiesenen Spezialisten ist der Interplast-Virus offenbar inkurabel.
Da Interplast alle Einsätze selbst bezahlen muss, wird um Spenden gebeten. Die Bankverbindung der Sektion Schopfheim lautet: Sparkasse Wiesental. IBAN: DE85 6835 1557 0003 1977 79. BIC: SOLADES1SFH.