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Schopfheim „Ja, ich will noch mal antreten“

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Interview: Dirk Harscher bekleidet seit vier Jahren das Amt des Bürgermeisters – Zeit für eine Zwischenbilanz

Vor vier Jahren, am 2. Januar 2019, trat Dirk Harscher als Polit-Neuling das Amt des Bürgermeisters an. Halbzeit also. Welches Resümee zieht der 52-Jährige über seine bisherige Amtszeit, und welche Pläne hat er für die zweite Hälfte? Über das und noch einiges mehr sprach unsere Redakteurin Petra Pflüger mit dem Amtsinhaber.

Frage: Herr Harscher, mit welchen Erwartungen haben Sie damals Ihr Amt angetreten?

Es war eine Herausforderung, aber die Erwartungen waren damals schon bekannt. Ich bin nicht blauäugig in das Amt eingestiegen. Ich musste viel arbeiten, viele Stunden. Ich wusste aber schon im Vorfeld, was mich erwartet.

Frage: Welche Folgen hatte es für Sie, für die Stadtverwaltung und die Kommune, dass Sie keine einschlägigen Erfahrungen mitbrachten?

Wenn man keine Verwaltungserfahrung und keine kommunalpolitische Erfahrung hat, ist es schon etwas schwierig. Das muss man klar und offen sagen. Aber ich habe ein sehr kompetentes Team mit langjährigen Fachbereichsleitern, die mich sehr unterstützen.

Frage: Nachdem Sie Ihr Amt angetreten hatten, kamen Corona, der Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise. Sind Sie in solchen Zeiten eher Bürgermeister oder mehr Krisenmanager?

Man ist beides. Man hat natürlich die enormen Aufgaben vor Augen, die auf die Kommunen zukommen, zusätzliche Ausgaben, die man zu bewältigen hat, die vor allem von den Mitarbeitern zu leisten sind, aber auch in der Öffentlichkeit ist man sehr gefragt. Das war besonders während der Pandemie der Fall, als Gastronomie und Einzelhandel schließen mussten und viele Ängste da waren. Da ist man dann schon mehr Krisenmanager.

Frage: Was kann sich die Stadt in solchen Zeiten denn noch leisten?

Wir müssen konservativ agieren. In den letzten Jahren war die Haushaltsplanung eher negativer als das, was unterjährig tatsächlich herauskam. Eigentlich haben wir mit einem Minus geplant und mit einem Plus abgeschlossen. Jetzt komme ich auf das Konservative zurück: Für die Zukunft darf nicht so geplant werden. Wir können nicht damit rechnen, dass die Gewerbesteuereinnahmen immer nach oben gehen.

„Die Stadt darf sich nicht zu Tode sparen“

Wir müssen schauen, was wir uns noch leisten können, müssen unsere Pflichtaufgaben optimal, ordnungsgemäß und kostensensibel erfüllen, aber trotzdem möchte ich nicht alle Freiwilligkeitsleistungen streichen, denn das ist das, das was unsere Stadt ausmacht. Wir dürfen uns nicht zu Tode sparen. Grundsätzlich 30 bis 40 Prozent bei jedem Posten zu sparen, macht keinen Sinn. Das Schwimmbad nur halb mit Wasser zu füllen oder in der Bibliothek nur alte Medien vorrätig zu haben, ist nicht zielführend.

Frage: Nicht nur das Geld ist knapp. Auch an Fachkräften mangelt es. Wie wirkt sich das auf die Verwaltung aus?

Es gibt Bereiche bei uns, in denen wir länger Mitarbeiter suchen, in denen es nur schleppend vorangeht und wo wir kaum erfolgreich sind, besonders in technischen Bereichen, in denen private Unternehmen vielleicht noch gefragter sind. Wenn die Krise länger dauert, kann es aber sein, dass plötzlich die Verwaltungsjobs wieder stärker nachgefragt werden.

Frage: Das Amt des Bürgermeisters hat Höhen, aber auch bittere Momente. Was waren die Höhen in Ihrer bisherigen Amtszeit?

Wir können sagen, dass wir gut durch die Krisen gekommen sind. Unser Krisenmanagement funktioniert. Zu den Höhen gehört auch der gute Umgang im Gemeinderat – ein positives Signal. Das ist nicht überall so.

Auch der Umgang mit der Bürgerschaft ist hier sehr fair und offen, dafür möchte ich danke sagen, das ist eine gute Basis.

Dann ist da noch das ISEK (integriertes Stadtentwicklungskonzept), das wir forciert, und die Innenstadtverkehrsberuhigung, die wir auf den Weg gebracht haben. Zudem haben wir „Schopfheim aktiv“ installiert, und das Zusammenspiel zwischen Gewerbe und Verwaltung ist sehr gut. Das sind die Highlights.

Frage: Was gehörte zu den bittersten Momenten?

Das war die Gemeinderatssitzung rund um Bremt-West. Wenn man die Uhr zurückdrehen könnte, dann würde man das anders machen.

Frage: Wie sieht die Planung für 2023 aus? Wann und wie geht es mit den Uehlin-Häusern weiter?

Wir sind mit dem Bauträger in Abstimmung, innerhalb des ersten Halbjahres 2023 wird man sehen, dass etwas geht, der Abriss wird stattfinden. Ein genaues Datum kann ich nicht sagen. Für die Baukonjunktur sind es schwierige Zeiten.

Frage: Die Entwicklung des Krankenhaus-Standorts in Schopfheim ist für viele Schopfheimer Ärzte, Pflegekräfte und in besonderem Maß für Patienten äußerst besorgniserregend. Welchen Standpunkt vertreten Sie hier?

Zum einen muss man sehen, wie die finanzielle Situation der Kreiskliniken ist. Die ist sehr ernst. Ich bin hier zwiegespalten. Einerseits muss man schauen, dass man das Unternehmen auf Vordermann bringt und sich vorbereitet auf den Einzug ins neue Klinikum. Aber: Man man muss auch darauf achten, dass man den Weg richtig einschlägt und richtig kommuniziert. Ich hoffe, dass wir noch eine gute Lösung finden. Das Klinikum muss etwas machen, da es sehr angeschlagen ist. Die Stadt hat kaum Mitspracherecht, das liegt in der Macht der Kliniken GmbH. Man versucht zu intervenieren, ich versuche zu vermitteln.

Frage: Was halten Sie von Überlegungen, dass Schopfheim große Kreisstadt wird und Sie Oberbürgermeister?

Die Überlegungen gehen schon länger. Wir müssen mal intern genau schauen, was die Vor- und Nachteile sind, und abschätzen, was unsere Wege bedeuten würden – aber nicht heute und nicht morgen.

Frage: Welche Themen stehen im neuen Jahr noch auf Ihrer Agenda?

Wir müssen die begonnenen Bauprojekte umsetzen und final fertigstellen sowie die neuen in Angriff nehmen. Der Hochwasserschutz in Enkenstein läuft sehr gut; was den Schulcampus betrifft, so hoffen wir, dass die neue Sporthalle im ersten Halbjahr eingeweiht werden kann. Wenn dann das alte Gebäude abgerissen ist, wird man sehen, was das für ein schönes Schmuckstück ist. Die Aufgabe mit dem Technikgebäude, das stehenbleibt, müssen wir noch bewältigen.

„Eine tote Innenstadt ist das Allerschlimmste“

Außerdem steht der Einstieg in das Nahwärmenetz in der Kernstadt an, das der Start für weitere Projekte sein soll. Zudem müssen wir unsere Hausaufgaben für die Klimaneutralität erledigen und den Ausbau der Photovoltaik vorantreiben, um CO2 einzusparen.

Frage: Was möchten Sie für Schopfheim noch erreichen?

Ich möchte, dass die Stadt noch mehr an Attraktivität gewinnt. Auch dass noch mehr Menschen von extern hierher kommen und die Aufenthaltsqualität genießen. Es ist eine Riesenherausforderung – Stichwort Internethandel. Der Einzelhandel ist bislang gut davongekommen. Eine tote Innenstadt ist das Allerschlimmste. Ich möchte die Stadt insgesamt zukunftssicher ausrichten, klimaneutral, dass die Stadt den Hitzephasen begegnen kann, ich möchte mehr Grün, einfache Dinge.

Frage: Haben Sie vor vier Jahren eigentlich erwartet, dass das Amt Sie so fordert?

Man hat diverse Krisen hinter sich. Man kann nicht genau sagen, was der Normalmodus ist. Meine Freizeit ist minimiert. Das Amt hat Spuren hinterlassen, es ist kein Spaziergang.

Frage: Und trotzdem werden Sie in vier Jahren für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehen?

Ja klar, man hat ja Visionen und Ziele, wohin man die Stadt bringen möchte. Durch Corona haben wir zwei Jahre verloren. Nur eine Amtsperiode vollzumachen, macht keinen Sinn.

Dirk Harscher (parteilos) gewann im Oktober 2018 die Bürgermeisterwahl im zweiten Wahlgang mit 64,75 Prozent gegen den dann noch einzigen Kandidaten Josef Haberstroh. Seit vier Jahren ist er im Amt, in vier Jahren findet wieder eine Bürgermeisterwahl statt.

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