Und doch ist das Elefantenrennen vor den Toren der Hauptstadt eher ungewöhnlich. Denn traditionell lassen die Parteien ihre Spitzenkräfte in sicheren Wahlkreisen antreten. Schließlich ist ein klarer Sieg zuhause ein Vertrauensbeweis und gibt Rückenwind.
Einen klaren Sieg hat hier allerdings keiner der Spitzenpolitiker vor Augen. Bei der Bundestagswahl 2017 holte die SPD-Kandidatin die Mehrheit der Erststimmen, während die CDU bei den Zweitstimmen vorne lag. Die Grünen landeten mit weniger als zehn Prozent abgeschlagen auf dem fünften Platz. Die Kandidatin damals: Annalena Baerbock - seinerzeit als klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion allerdings längst nicht so bekannt wie heute.
Schopfheims Partnerstadt ist genauso unberechenbar wie der Wahlkreis: Kleinmachnow hat mit Michael Gruber einen SPD-Bürgermeister, doch seine Partei ist in der Gemeindevertretung nur drittstärkste Kraft - knapp hinter der CDU, und deutlich abgehängt von den Grünen. Die holten bei der letzten Wahl knapp 25 Prozent der Stimmen.
Warum geben sich die Kandidaten diesen direkten Zweikampf? Für Baerbock und Scholz stellt sich die Frage nicht, denn beide wohnen tatsächlich im Wahlkreis, genauer gesagt: in Potsdam. Sie in der vornehmen Nauener Vorstadt, er im Zentrum am Alten Markt.
Dabei sind beide nicht von hier: Olaf Scholz ist Hanseat, und Annalena Baerbock wuchs auf einem Bauernhof in Niedersachsen auf.
Sie schafft es in den hektischen Tagen vor der Wahl nicht nach Kleinmachnow. Im Spagat zwischen Wahlkreis und Bundeskanzleramt setzt sie klar auf die ganz große Bühne und tourt durch die Republik: 42 Termine zwischen Konstanz und Flensburg.
Wenn die Kleinmachnower ihre grüne Direktkandidatin sehen wollen, müssen sie dennoch nicht weit fahren. In Potsdam steht sie an diesem letzten Dienstag im August auf dem Bassinplatz, einem barocken Stadtplatz am Holländischen Viertel mit seinen markanten Ziegelsteinhäusern.
Um die „grüne Bühne“ scharen sich rund tausend Wählerinnen und Wähler. Die eifrigsten sitzen ganz vorne auf Pappkartons und hoffen, gleich im Format „Frag Annalena“ zum Zuge zu kommen. Doch erst einmal gibt’s den politischen Rundumschlag: Kinderarmut. Soziale Ungerechtigkeit. Wir brauchen mehr Kitas, mehr Schulen und eine Vermögenssteuer. Und immer wieder das Kernthema: die Klimakrise.
So richtig lokal ist das alles nicht, doch dann kommt die ersehnte Fragerunde: Warum muss die Raststätte Havelseen an der A10 neu gebaut werden? Warum modernisiert der Bund nicht einfach die bestehende Raststätte Wolfslake, damit nicht noch mehr Boden versiegelt werden muss? Annalena Baerbock kennt die Sachlage und verspricht, sich hier weiter für die ökologischere Variante einzusetzen.
„Frag Annalena“ auf der grünen Bühne
Auch sonst kenne sich die Kanzlerkandidatin im Wahlkreis aus, sagt Alexandra Pichl. Sie ist Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Gemeindevertretung von Kleinmachnow und hat mit Baerbock oft über lokale Fragen gesprochen.
Zuletzt immer wieder über die Stammbahn. Die vor Jahrzehnten stillgelegte Schienenverbindung zwischen Potsdam und Berlin gehört zum langfristigen Infrastrukturplan der Grünen.
Die längst überwachsene Strecke wiederzubeleben, würde die Nahverkehrsanbindung des Wahlkreises an die Hauptstadt enorm verbessern. Doch gibt es Widerstand, denn die alten Gleise verlaufen nunmal durch den Wald, und den wollen viele Anwohner lieber erhalten.
Die Kandidatin kennt die Befindlichkeiten. Die große und die kleine Politik zusammen zu bringen - für Baerbock kein Problem, sagt Pichl.
26 Tage vor der Wahl sind in Kleinmachnow die Wahlbenachrichtigungen verschickt. Ob die prominenten Kandidaten die Wahlbegeisterung anfachen, bleibt abzuwarten. Aber eines ist längst klar: Wer auch immer gewinnt, Kleinmachnow und der Wahlkreis 61 werden im Bundestag gut vertreten sein. Denn die Kandidaten aller Parteien sind durch gute Listenplätze abgesichert.