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Schopfheim Kein Staub mehr auf den Noten

Jürgen Scharf

Studierendenkantorei Freiburg: Oratorienkonzert in der Stadtkirche mit beeindruckender Schattierungskraft

Mit einem ungewöhnlichen Konzertprogramm oratorischer Werke kam die Evangelische Studierendenkantorei Freiburg am Samstag in die Stadtkirche. Alle verfügbaren Besucherplätze waren unter den gegebenen Umständen belegt.

Von Jürgen Scharf

Schopfheim. Zuletzt war dieser größte Freiburger Studentenchor, der sich jetzt genderkonform Studierendenchor nennt, unter seiner neuen Leiterin Friederike Scheunchen noch vor dem Lockdown 2020 zu Gast. Und noch immer sind die Probenarbeit und das Konzert von dem Thema Pandemie geprägt. Das hat man gesehen, denn es wurde mit Masken gesungen, was inzwischen zum Alltag des Chors gehört.

Natürlich ist das Singen mit Maske nicht gerade förderlich für die Textverständlichkeit - und die drei Solisten sangen auch ohne Maske -, aber dieses Manko machten die gute chorische Dynamik und die vielen frischen, jungen, unverbrauchten Stimmen wieder wett. In allen Chorwerken beeindruckte eine hervorragende dynamische Schattierungskraft.

Zwischen der Leiterin und den Choristen scheint die vokale Kommunikation absolut zu stimmen; die Studierendenkantorei macht ihre Sache sehr überzeugend. Angenehm die Natürlichkeit, mit der gesungen wird. Und dass man unter der Maske auch einiges an Klarheit und Konturen der Stimme nachzeichnen kann, sogar in den Piani, ist schon geradezu unglaublich.

Besonders bei Benjamin Brittens facettenreichem Chorwerk „Festival Te Deum“ wird die breite dynamische Palette vollends deutlich. Einmal mehr zeigte sich, dass der Engländer einer der größten Chorkomponisten seiner Zeit war. Hier wurde in den Chorreihen eine Klanghomogenität erreicht, die überaus beeindruckend war. Da blühte die Dynamik auf, weil mit Emphase gesungen wurde, entstand ein plastischer Chorklang.

Dieses Klangbild wurde sogar noch irisierender in einem Werk der französischen Tradition, Lili Boulangers buddhistischem Gebet „Vieille prière bouddhique“ mit der aktuellen zentralen Thematik Frieden, Erlösung, Toleranz. In den schwebenden Harmonien besticht der Chor mit guter Diktion des farbig kolorierten geistlichen Textes, ebenso mit heller, kristallklarer Stimmigkeit und trifft das Idiom dieser Musik.

Dazu passte perfekt die Feierliche Messe (Messe Solennelle) von Boulangers Lehrer Louis Vierne. Dass Vierne neben Franck und Widor einer der französischen Orgelgroßmeister war, war gleich im „Kyrie Eleison“ zu hören. Da fährt die Orgel rein. Überhaupt ist in dieser Messe das Kircheninstrument (an dem den ganzen Abend über Julian Beutmiller sehr souverän mit nuanciertem und engagiertem Spiel begleitet) prominent eingesetzt. Dass diese geistliche Vokalmusik nicht im Schatten von Viernes Orgelsinfonien stehen muss, zeigte die interessante Stelle „miserere nobis“ im abschließenden „Agnus Dei“ mit ihrem Wechsel zwischen Frauen- und Männerstimmen.

Hauptwerk des Abends, das sicher kaum ein Zuhörer kannte oder je gehört hat, war „Isaaks Opferung“, ein ausgewachsenes Oratorium für Solo-, Chor- und Gemeindegesang mit Orgelbegleitung des Spätromantikers Hermann Franke, eines an der Oder lebenden Kantors. Ausgegraben aus dem Archiv der Staatsbibliothek Berlin hat es die junge Dirigentin. Bei der intensiven Wiedergabe merkte man das Engagement und die Empathie für dieses in der Mendelssohnschen Nachfolge stehende Werk, mit dem Friederike Scheunchen die Rezeptionsgeschichte Frankes beleben will. Die Qualität der Interpretation war hörbar, der Staub auf den Noten wie weggeblasen.

Sowohl die Choristen als auch die drei Solisten zeigten spürbare Hingabe bei dieser unbekannten Chorliteratur. Und die imaginierten Szenen von der Versuchung Abrahams und dem Menschenopfer seines eigenen Sohnes begannen zu leben und zu sprechen. Das war dem sehr gut instruierten Chor, aber auch den Vokalsolisten, die über kräftige, einzeln ausgeprägte Stimmen verfügten, zu verdanken.

Im Erzählerpart ließ die mit strahlender Klarheit singende und gestaltende Altistin Mareike Zorko als wortgewaltige Protagonistin dieses Geschehens aufhorchen, der sich die markante Stimme von Paul Frey für die Figur des Abraham beigesellte. Der Tenor Pierre Arpin verkörperte mit angenehmer, leuchtender Stimme den Engel. Den Isaak sangen homogen die drei Chorsängerinnen Johanna Felden, Johanna Matthies und Magdalene Gürtler, die Stimme des Herrn hohe weibliche Chorstimmen. Ein vokaler Höhepunkt stellte sich beim kunstvoll gebauten Quartett ein.

Obwohl der Brahms-Zeitgenosse Hermann Franke stilistisch in der Tradition von Mendelssohn zu verorten ist, darf man Friederike Scheunchen, die auch voller Elan die Gemeinde dirigierte, dankbar sein für die Wiederentdeckung der vor dem Verfall geretteten Noten.

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