Schopfheim Klänge von hinreißender Farbigkeit

Jürgen Scharf
Mit viel konzertanter Brillanz eröffnete die Hamburger Organistin Judith Viesel-Bestert die Orgelsommer-Sonderausgabe. Foto: Jürgen Scharf

Konzert: Judith Viesel-Bestert imponiert beim Orgelsommer in der Stadtkirche

Schopfheim - Beim ersten Konzert der diesjährigen Sonderausgabe des Schopfheimer Orgelsommers saß mit Judith Viesel-Bestert eine ehemalige Orgelschülerin von Christoph Bogon aus dessen Freiburger Zeit an den beiden Orgeln der Stadtkirche.

Das Schönste, das ein ehemaliger Lehrer über seine Schülerin sagen kann, so Bogon, sei: „Sie hat den Lehrer überholt“.

Da ist sicher viel Understatement bei in dieser Begrüßung, aber wenn man das Wort „überholt“ auf die reine Dynamik des Spiels bezieht, dann stimmt es sicher.

Denn die Organistin drückt schon gleich zu Beginn auf die Tube, spielt die zweite Sonate e-Moll von August Gottfried Ritter, eine von vier Orgelsonaten des Merseburger Romantikers, die relativ selten aufgeführt wird, zügig, virtuos, dabei stets transparent, ganz im Sinne und Geiste Mendelssohns, an den diese Sonate auch etwas erinnert.

Ritters Sonate, die reich an musikalischen Ideen und vom Organistischen her dankbar ist, passte natürlich perfekt auf die romantisch disponierte Emporenorgel. Folglich begann die in Hamburg lebende Organistin auch oben am Instrument von Voit. Das Stück von Ritter war eine Entdeckung, zumal in dieser von Vitalität und Spielvehemenz geradezu vibrierenden Interpretation.

Es folgten bei diesem zeitlich auf 45 Minuten gekürzten Konzert drei Stücke aus den „Leipziger Chorälen“ von Bach, die in Tempo, Spielweise und Registrierung eine überzeugende musikalische Einheit bildeten.

Auch hier muss man Judith Viesel-Bestert hochprofiliertes, formstrenges Bach-Spiel attestieren, bis hin zu dem schön kantabel ausgesungenen Cantus firmus im Tenor in „Allein Gott in der Höh“ (BWV 663).

Besonders beim letzten Stück des Programms war das Klangbild der Chororgel bestechend. In zwei Sätzen aus „Ricercari“ von Michael Radulescu (Jahrgang 1943), dem Wiener Orgellehrer ihres Hamburger Orgelprofessors, entlockte die höchst konzertant spielende Organistin der Schuke besondere Klangwirkungen.

Da tat sich gleich im ersten Satz („Organa“) eine moderne Klangwelt auf, die sich aber doch an der Historie orientiert, nämlich am mittelalterlichen Organum – also Renaissancemusik mit zeitgenössischer Musiksprache verbindet. Radulescus Musik war hier von hinreißender Farbigkeit und voller sphärischer Klänge, konnte aber auch, wie im dritten Satz („Estampie“) radikal klingen.

Dieses Orgelwerk endet ungewöhnlich klanggewaltig, mit wuchtigen Akkordschlägen, aber dank der den Überblick behaltenden Interpretin war es sehr durchsichtig.

Vor dem inneren Auge entstanden Klangfarben eines ganzen Orchesters: So intensiv haben wir diese Orgel selten gehört. Schade, dass man aus zeitlichen Gründen auf den zweiten Satz verzichten musste, denn Judith Viesel-Bestert fasst Radulescus „Ricercari“ mit kongenialem Blick auf.

So hatte das gestraffte Sonderrecital, bei dem sich die 50 Zuhörer großzügig im Kirchenraum verteilten, bei aller gebotenen Kürze eine imponierende Geschlossenheit und Überzeugungskraft. Die Individualität der Spielerin zeigte sich auch in der Zugabe, einer eigenen Liedimprovisation.

Ob das eigentliche Auftaktkonzert von Christoph Bogon, das bekanntlich ausgefallen ist, noch nachgeholt wird, steht bislang noch nicht fest.

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