Schopfheim Kontakt mit der Außenwelt

Hans-Jürgen Hege
Die beiden jungen „Lehrer“, Malwina Arncken und Julius Rummel, der die ganze Geschichte ins Rollen gebracht und damit im Mehrgenerationenhaus offene Türen eingerannt hat, zeigten den Senioren wichtige Funktionen der digitalen Welt. Foto: Hans-Jürgen Hege

Diakonie: Jeden Mittwoch gibt es in Schärers Au eine „digitale Sprechstunde“ für ältere Menschen

Schopfheim - „So e Schissdreck bruech i nit. Gang mir blos weg mit dem moderne Zügs“, bekam man vor wenigen Monaten noch zu hören, wenn Smartphones – also internetfähige Schnurlostelefone – bei vorwiegend älteren Leuten ins Gespräch gebracht wurden.  Und man lief unweigerlich Gefahr, bei Oma und Opa in Ungnade zu fallen, wenn man versuchte, Ideen von digitalen (Hilfs-)Systemen wie etwa den DRK-Notruf oder gar einen Computer umzusetzen oder zu integrieren.

Seit „Corona“ hat sich das geändert. Um Kontakte zu Angehörigen nicht gänzlich abzuwürgen, um die Enkel wenigstens auf dem Bildschirm oder dem Handydisplay mal wieder zu sehen, mit ihnen zu reden und ihnen das Kusshändchen zuzuwerfen, das auf beiden Seiten zunehmend schmerzlich vermisst wird, ist moderne Technik plötzlich auch bei Menschen gesetzteren Alters stark gefragt.

Ein sprichwörtlich „gefundenes Fressen“ für soziale Einrichtungen wie das „Mehrgenerationenhaus“, das Dagmar Stettner im Namen der Diakonie und der Stadt in Schärers Au betreibt. Andrea Singer hat dort eine „digitale Sprechstunde“ eingerichtet, die jeden Mittwoch ab 15 Uhr im Generationencafé in Anspruch genommen werden kann, irgendwann wieder ohne Einschränkungen, derzeit aber etwas gemaßregelt durch Hygienevorschriften und dem Zwang, sich telefonisch anzumelden unter der Nummer 07622 / 697 596 32, um einen der auf Abstand getrimmten Plätze ergattern zu können.

Ein Team junger Kenner der Materie bietet in diesen Sprechstunden seine Dienste an, zeigt den Senioren, wo es drauf ankommt bei WhatsApp, E-Mail oder Facebook und Co.

„Ich traue mich nicht, einen Knopf zu drücken“

„Was ist ein Update?“, „wie funktioniert die Internet-Suche?“, „was muss ich tun und beachten, wenn ich Online-Bestellungen aufgebe?“ Oder „wie versende ich Mails?“, und „warum ist das in manchen Fällen besser als die Kommunikation mit WhatsApp?“ Der Stoff, aus dem die Sozial-Media-Träume von allumfassenden Kontakten mit der Außenwelt, mit Kindern und Enkeln gestrickt ist, bietet unglaublich viele Möglichkeiten. Aber gerade das macht Ungeübte unsicher, misstrauisch, scheu und ängstlich.

„Ich traue mich nicht, irgendeinen Knopf zu drücken aus Angst, ich mache etwas kaputt“, sagte eine Dame (ach ja, warum sind eigentlich keine Männer in der Runde, die ich am Mittwoch in Schärers Au besuchen durfte?) und ließ sich von Waldorfschüler Julius Rummel ihre Ängste ausreden, während seine Schulkameradin Malwina Arncken einer anderen Seniorin, die vorsorglich ihren Laptop mitgebracht hatte, zeigte, wie sie mit dem Computer ganz einfach Mails verschicken kann.

Eine weitere Anwesende gab zu, „großen Respekt vor diesen Dingen“ zu haben. Und Angst, in eine Falle zu tappen wie vor einigen Monaten, als sie beim Surfen auf die Webseite der Telekom geriet und dort gefragt wurde, ob sie Hilfe benötige. „Selbstverständlich habe ich ‚ja‘ angeklickt. Und seither bezahle ich der Telekom monatlich fünf Euro für eine Dienstleistung, die eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren hat“, erzählte sie und erinnerte sich dabei an zahlreiche Versuche, aus dem ungewollt abgeschlossenen Vertrag herauszukommen – ohne Erfolg.

Die Telekom habe auf Einhaltung des Vertrages bestanden. Verstehen konnte das niemand in der Runde. „Nimmst du wenigstens die Hilfen, die du bezahlst, in Anspruch?“, wurde sie gefragt. Und die bezeichnende Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Im Leben nicht. Sonst drücke ich irgendwo einen anderen Knopf und habe eine weitere Dummheit gemacht.“

Jugendliche helfen Senioren aus der Klemme

Drei Jugendliche versuchen derzeit – ehrenamtlich – den alten Menschen aus der Klemme zu helfen. „Das finden wir toll“, sagen die und freuen sich, dass sich jemand so engagiert Zeit für sie nimmt. „Ich habe zwar einen Enkel, der auch versucht, mir Dinge beizubringen. Aber der hat leider nur wenig Zeit und kaum Geduld“, gab eine der Damen zu verstehen, um sich dann wieder ihren Anliegen zu widmen, Fragen zu stellen zu Verträgen, zur Flatrate, zu Recherche-Möglichkeiten, die bald noch intensiver gezeigt werden können, weil das Mehrgenerationenhaus demnächst mit zwei Computern ausgestattet wird, die über WLAN und Internetzugang verfügen werden, wie Andrea Singer versicherte.

Sie wies darauf hin, dass die Sprechstunde kostenlos angeboten wird, Spenden aber natürlich gerne angenommen werden. Parallel zur Sprechstunde bestehe die Möglichkeit, zu günstigen Preisen etwas zu trinken und miteinander auch über andere Themen ins Gespräch zu kommen.

Und: „Jugendliche mit Smartphone- und Computerkenntnissen, die Freude an der Begegnung mit Menschen haben und sich beim Projekt einbringen möchten, auch um das Taschengeld etwas aufzubessern, sind – bitte anrufen – sehr willkommen.“

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