Schopfheim Kräftig auftrumpfender Plenumklang

Jürgen Scharf
Mit einem modernen Stück (Agnus Dei) von Penderecki berührte die polnische Gastorganistin Agnieszka Kosmecka beim Schopfheimer Orgelsommer emotional am meisten. Foto: Jürgen Scharf

Orgelsommer: „Volles Werk“ beim dritten Konzert mit Agnieszka Kosmecka.

Schopfheim - „Volles Werk“: Der Begriff aus der Musiksprache trifft auf das dritte Konzert im Schopfheimer Orgelsommer durchwegs zu.

Die polnische Organistin Agnieszka Kosmecka, die zum ersten Mal an den Orgeln der Stadtkirche saß und den Zuhörern einen Abend mit deutsch-polnischer Orgelmusik bescherte, liebt den kräftig auftrumpfenden Plenumklang.

Und tatsächlich: Polnische Komponisten wie Karol August Freyer und Mieczyslaw Surzynski - beide kommen aus der deutschen Orgelschule - schreiben als Dynamikhinweis „Volles Werk“ in die Noten, wenn das Stück laut werden soll.

Kleiner Nebeneffekt: Selten einmal hat man gehört, was an saftigem Sound und Volumen in der romantischen Voit-Orgel steckt. Auf der Empore konnte sich die Organistin voll entfalten und ein verblüffend kraftvolles Spiel an den Tag legen.

Begonnen hat die Gastinterpretin aus Poznan allerdings an der für Barock und Frühbarock geeigneten Chororgel mit einer Ciaconna von Buxtehude und dem a-Moll-Präludium und Fuge von Bach (BWV 543), das eine technisch anspruchsvolle, lange Fuge hat, was schwierig ist für die Konzentration der Spielerin. Kosmecka meisterte diese Herausforderungen makellos.

Kombiniert hat sie die beiden Barockmeister mit Mendelssohn. Von dem Romantiker gibt es bekanntlich eine Verbindung zu Bach.

Dass die sechste Mendelssohn-Sonate auf dem norddeutsch disponierten Instrument von Schuke erklang, war insoweit nicht ungewöhnlich, da es ja barockisierende Musik aus der Zeit der Romantik ist – allerdings blieb das Klangbild etwas verwaschen, war nicht so durchsichtig und tiefgängig im Klangeindruck. Mendelssohn scheint an der Emporenorgel doch besser aufgehoben.

Mit den Concert-Variationen op.2 über ein russisches Volkslied des deutschstämmigen Komponisten Freyer, der in Warschau Lehrer von Chopin war, und den Improvisationen über das polnische Kirchenlied „Heiliger Geist“ von Surzynski war der spätromantische polnische Teil gut abgedeckt. Freyers Stück ist äußerst bombastisch, hier war wirklich „volles Werk“ angesagt.

Als nicht ganz so pompös stellte sich der Stil von Surzynski dar, dessen aufgeschriebene Variationenfolge noch romantisch in der Harmonie ist. In beiden Stücken ihrer Landsleute beeindruckte Kosmeckas beherztes Plenumspiel.

Der Höhepunkt des Recitals der Polin, die am Abend zuvor noch in Norwegen ein Konzert gegeben hatte, war das in der Konzertmitte platzierte erste Stück an der Voit-Orgel: Das Agnus Dei aus dem „Polnischem Requiem“ des berühmtesten lebenden polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, der über das „Lamm Gottes“ schwelgt. Eigentlich ein Orchesterwerk, hat der Bearbeiter und Penderecki-Kenner Oskar Gottlieb Blarr die Orchesterstimmen kongenial auf die Orgel übertragen. Auch wenn es aus den Bankreihen im Kirchenschiff nicht zu sehen war, die Organistin musste hier mit beiden Händen und Füßen in virtuoser Vitalität agieren.

Agnes Kosmecka registrierte wirkungsvoll, war manuell über jeden Zweifel erhaben. So vermochte sie dieses avantgardistische Stück mit seinen Clustern (Tontrauben), das eine Synthese aus Modernismus und Romantizismus darstellt, ausdrucksstark und klangintensiv zu realisieren und in Schopfheim einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

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