Schopfheim Kraftstrotzend und wie in Trance

Jürgen Scharf
Schöner Zwiegesang zwischen Andrea Kauten am Klavier und der Cellistin des Kammerorchesters Pforzheim beim Abschlusskonzert der Saison im Krafft-Areal. Foto: Guido J. Wasser / zVg

Krafft-Areal: Saisonabschluss der Klassikreihe. Pianistin Andrea Kauten interpretiert Schumann.

Schopfheim - Von zwei Wunderkindern, Felix Mendelssohn und Clara Schumann, geborene Wieck, gab es zum Abschluss der Konzertsaison im Krafft-Areal zwei beachtenswerte Jugendwerke zu hören.

Von Mendelssohn die neunte Streichersinfonie und von Clara Schumann das selten gespielte, einzig überlieferte Klavierkonzert, die beide im Alter von 14 Jahren komponiert haben!

Bei Clara Schumanns Jugendwerk kann man von einer längst fälligen Wiederentdeckung reden, von einem Repertoiregewinn und vielversprechenden Vorgeschmack auf das Clara-Schumann-Jahr 2019 (200. Geburtstag), dass sich Andrea Kauten, „Hauspianistin“ in der Fahrnauer Tonhalle, und das ihr gut vertraute Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim unter Leitung von Timo Handschuh, dieses Konzerts annahmen.

Bei der spannenden Aufführung in der ehemaligen Schuhfabrik konnte man im zweiten Satz eine romantische Liebesbotschaft (an wen auch immer) heraushören. Das Konzert vereint Elemente aus den Bereichen Konzert und Klaviersolostück, ist also episodenartig und bis auf besagten zweiten Satz nicht dialoghaft in der Struktur, eher von improvisatorischem Charakter.

Der zweite Satz ist etwas ganz Besonderes, und das machten die Solistin Andrea Kauten und die Cellistin des Orchesters ohrenfällig: Zuerst beginnt das Klavier mit einer langen Soloeinleitung, dann setzt das Cello ein und es kommt zu einem wunderbaren Zwiegespräch, wobei das Cello in der direkten Akustik der Halle und bei dem mächtigen Konzertflügel nolens volens „die zweite Geige“ spielen musste.

Das Klavier war dominierend im ganzen Konzert, vom kraftvoll majestätischen Allegro maestoso-Kopfsatz mit der beachtlichen Kadenz bis hin zum Konzertfinale, das Robert Schumann instrumentiert hat. Dieser dritte Satz, ein wahres fingerbrecherisches Bravourstück, verlangte der Pianistin höchste Kondition, ja Sportives, und Vollgriffigkeit ab. Mit Andrea Kauten saß in dem mit technischen Schwierigkeiten gespickten Konzert eine ebenso selbstbewusste und virtuose Interpretin am Klavier, wie es damals wohl die junge unkonventionelle Komponistin war. Denn nicht nur das Konzert strotzt vor unheimlich viel Kraft, Energie und romantischen Gefühlen, auch die Interpretation von Kauten war so.

Nach einer solchen Meisterleistung lässt ein begeistertes Publikum eine Pianistin, die so engagiert und fast wie in Trance spielte, nicht ohne Zugabe gehen; und Kauten spielte als willkommene Zugabe passend zur Jahreszeit und zur Nähe Claras von Robert Schumann „Knecht Ruprecht“ aus dem „Album für die Jugend“.

Aber nicht nur die fantasieartige Gestaltung des Klavierkonzerts beeindruckte an diesem Schlussabend der Reihe „Klassik im Krafft-Areal“ der Anneliese Benner-Krafft-Stiftung. Auch wie die Pforzheimer Mendelssohns Jugendsinfonie Nr. 9, die „Schweizer Sinfonie“ spielten, das nachhaltig wirkende Ergebnis einer sommerlichen Schweizerreise 1822 - eine der ersten Ferienreisen, die man im aufkommenden Tourismus und der erst erschlossenen Alpenwelt machen konnte -, war erwartungsgemäß schwungvoll, zupackend, hochkonzentriert und mit schöner Streicherkultur.

Zuvor hatten sich die Streicher schon beschwingt und voller Frische in drei Ungarische Tänze von Brahms gelegt und den ersten als Zugabe wiederholt. Für die 130 Zuhörer in der vollbesetzten Tonhalle war es der Schluss- und Höhepunkt der Konzertsaison.

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