Schopfheim Magier der Klarinette und des Klezmer

Jürgen Scharf
Giora Feidman, die Legende der Klezmer-Musik, trat in Schopfheim mit der Münchner Band Gitanes Blondes auf. Foto: Jürgen Scharf

Konzert: Giora Feidman und das Münchner Ensemble „Gitanes Blondes“in der Stadthalle Schopfheim

Schopfheim - Giora Feidman, der Altmeister der Klezmer-Musik, hat das Generationenproblem auf seine Art gelöst. Der 83-Jährige geht jetzt mit der jungen Klezmer-Generation auf Tournee, er hat sich und die Musik mit dem Münchner Ensemble „Gitanes Blondes“ verjüngt. Musikalisch sprechen sie eine ganz ähnliche Sprache bis hin zum argentinischen Tango. Und so ergibt sich beim Konzert in der fast vollen Schopfheimer Stadthalle ein musikalischer Dialog zwischen den verschiedenen Klezmer-Generationen.

Er ist älter geworden, der berühmte Musiker, etwas gebeugt, man sieht es, wenn er die Bühne betritt – übrigens in Freizeitkleidung, weil sein Gepäckkoffer beim Flug anscheinend abhanden kam –, aber wenn er zur Klarinette greift, ist er der alte Magier der Klarinette mit dem unverwechselbaren filigranen, zarten Klarinettenton.

Jetzt im Alter ist er zum absoluten Meister der leisen Töne geworden. Immer wehmütiger ist der Klang, die Anfänge der Melodien spielt Feidman flüsterleise, so das man im Saal die Ohren spitzen muss. Es ist stets der charakteristische Ton, der sich zum Freudigen wendet. Vielleicht ist das Timbre inzwischen etwas heiser geworden, aber Feidman kann immer noch jauchzen und jubilieren, nicht nur weinen und klagen. Sein Markenzeichen ist und bleibt die singende Klarinette.

Kaum hörbar beginnt er sein erstes Stück, eine der bekannteren jüdischen Melodien. Sie erklingt wie aus weiter Ferne, kommt immer näher. Musik aus dem Stetl. Es ist fast wie in seinem autobiografischen Musical „Nothing but Music“, das Feidman bei einem seiner verschiedenen Auftritte im Lörracher Burghof präsentierte, wo er allein und gedankenversunken auf der Bühne saß, als Auswanderer von der Neuen Welt träumte und einen jener Klezmorim spielte, einen der Wandermusiker des europäischen Ostens, die in alle Welt verstreut waren.

„Very Klezmer“

An diesem Abend ist der „King of Klezmer“ noch kosmopolitischer als sonst. „Neue Melodien“ sind bei dem Programm „Very Klezmer“ angesagt, und man hört sie als Balkanklänge, Irish Folk, Gypsy und Latino. Die Stücke ergänzen die bekannten Standards wie „Josel, Josel“ oder das berühmte Traditional „Donna, Donna“, eines von Feidmans Erkennungsstücken, zu dem das Publikum einen fast professionellen Chor bildet. Wobei dem alten Herrn die Frauenstimmen mehr gefallen als die der Männer: „Die Damen bringen mich ins Paradies, Sie singen wie Engel!“

Was immer bei Feidman war und geblieben ist: die weltumspannende Geste. Klezmer ist eine Weltsprache. Wenn er in Schopfheim ans Mikrofon tritt, hat Feidman universelle Botschaften ans Publikum. Er spricht von den Juden in Deutschland, in Israel und Palästina, und man hört daraus die Versöhnung zwischen den Kulturen. Feidman bekam ja einen Preis für Völkerverständigung.

Giora Feidman ist ein Brückenbauer, auch und gerade in diesem neuen Programm, wo sich Gitanes Blondes sehr stark in Soli profilieren können: der Geiger Mario Korunic mit einem fröhlichen Gypsy-Ton, der klassische Gitarrist Christoph Peters mal im Stil von Bach, der jazzig zupfende Bassist Simon Ackermann und der sehr souveräne Akkordeonist Konstantin Ischenko, der immer sein eigenes Ding macht. Wenn sie allein spielen, setzt sich Feidman hin und lauscht entzückt.

Verschiedene Stile in Medleys

Zu schön auch, wie der Akkordeonist eine Rossini-Opernparaphrase virtuos hinlegt, der Gitarrist in Klezmer-Tango-Gefilde mit Anklängen an „El Choclo“ abtaucht oder der Geiger Motive aus der Ouvertüre von Wilhelm Tell swingend verjazzt. Die Band vermischt in Medleys verschiedene Stile, kombiniert, zitiert – stilistisch eine Art von Weltmusik.

Wenn dann Feidman selber zur Klarinette greift, ein stiller, in sich gekehrter Mann, mit verschmitztem Humor, dann ist er wieder da, dieser spezielle Klarinettenton einer menschlichen Stimme. Die Klarinette ist Feidmans Seele. Er singt auf dem Instrument, verzaubert und versöhnt. Ob mit dem Welthit „What A Wonderful World“ oder dem bekannten traditionellen Klezmer-Stück „Happy Nigun“.

Das Publikum war gerührt, und es gab Standing Ovations. Der Abend war eine Ehrung für den Grandseigneur der Klezmer-Musik, und Giora Feidman ließ sich gerne feiern. Das Finale war wie im großen Stetl bei einem Hochzeitsfest, wo der Klarinettist zum Tanz aufspielt. Die Legende lebt.

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