Schopfheim „Mein Herz ist immer noch dort “

Werner Müller

Fukushima: Monika Bruttel gibt Missionsarbeit in Japan nicht auf  / Atomkatastrophe wirkt nach

Schopfheim -  Die Atomkatastrophe von Fukushima – für Monika Bruttel ist sie allgegenwärtig. Die 63-Jährige braucht keinen Jahrestag, um den Tsunami von 2011 und seine verheerenden Folgen vor Augen zu haben.

Denn die Schopfheimerin, die seit 30 Jahren in Japan als Missionarin wirkt, bekommt bis heute hautnah mit, was der Beinahe-Super-GAU bei den Menschen angerichtet hat.

„Mein Herz ist immer noch dort“, erzählt Monika Bruttel, die seit zwei Jahren in ihrem Elternhaus in der Altstadt lebt. Sie hat ihre Missionarstätigkeit Ende 2017 abgebrochen, um ihre Mutter bis zu deren Tod vor gut einem Jahr zu pflegen. „Ich habe gelernt, dass ich nicht der ganzen Welt helfen kann und dabei meine eigene Mutter vergesse“, so umschreibt sie ihre Gefühlslage.

Mittlerweile hat sie sich in der alten Heimat eingerichtet, die Wohnung mit japanischen Motiven dekoriert und sich mit Japanisch-Sprachkursen bei der VHS in Schopfheim und in Bad Säckingen beruflich ein zweites Standbein geschaffen – den Kontakt zu ihrer kleinen Gemeinde in Japan aber hat sie nie abreißen lassen.

Über das Internet hält sie für die 100 Mitglieder der christlichen Gemeinde regelmäßig Bibelstunden ab. Zu Ostern und zu Weihnachten schickt sie Päckchen nach Fernost – und sitzt mittlerweile schon wieder auf gepackten Koffern.

„Ich warte nur noch auf meine Impfung, dann geht’s wieder nach Japan, voraussichtlich im September“, hofft Monika Bruttel. Sie hat zwar kein Dauervisum mehr, aber mit dem Touristenvisum will sie sich zwei bis drei Mal pro Jahr jeweils für drei Monate vor Ort um ihre Schäfchen kümmern.

Denn die Menschen sind nach ihrer Beobachtung auch zehn Jahre nach dem Reaktorunglück „traumatisiert“, viele benötigen therapeutische Hilfe und kommen im Leben nur schwer zurecht. Erst vor kurzem habe ein Erdbeben die alten Wunden wieder neu aufgerissen, weiß Monika Bruttel.

Tatsächlich haben die Menschen der kleinen Gemeinde vor zehn Jahren durch den Tsunami alles verloren. Sie lebten nur vier Kilometer von Fukushima entfernt, mussten nach dem Reaktorunglück Hals über Kopf fliehen und alles zurücklassen. Nachdem sie ein Jahr lang in der Nähe von Tokio in einer Notunterkunft verbrachte hatten, gelang es dem Pastor und seinen Schützlingen, sich in Iwakish, einer Stadt in 60 Kilometer Entfernung von Fukushima, ein neues Zuhause aufzubauen– nicht zuletzt dank 50 000 Euro Spendengeldern aus Deutschland.

Die alte Heimat werden sie so schnell auch nicht wieder sehen. Einmal im Monat fahren die Menschen mit einem Bus zu Besuch dorthin, Geigerzähler im Gepäck, die sie aber nicht benutzen. Niemand will zugeben, dass er Angst vor Verstrahlung hat, um nur ja – nach japanischem Verständnis – das Gesicht nicht zu verlieren.

„Diese Menschen sind bis an ihr Lebensende gezeichnet“, weiß Monika Bruttel und zieht daraus den Antrieb, ihnen weiterhin beizustehen. „Hilfe aus Deutschland ist eine Ermutigung fürs sie, sie gibt ihnen Halt“, ist die Missionarin überzeugt.

Sie sieht ihre Aufgabe denn auch als Mentorin und Seelsorgerin, die den Menschen Mut macht, sei es in Form von Englischunterricht für die Kinder oder in Form von geselligen Treffen im Frauenkreis.

In all den Jahren in Japan hat die Missionarin indes erkannt, dass man von den Menschen dort auch einiges lernen kann – gerade in diesen Corona-Zeiten zum Beispiel. Unter anderem die Fähigkeit, sich auch in schwierigen Zeiten nicht unterkriegen zu lassen und schlimme Erfahrungen stoisch durchzustehen.

Monika Bruttel ist mit ihrem Auftrag denn auch noch lange nicht fertig. Sie freut sich schon auf ihren nächsten Trip ins Land der aufgehenden Sonne. Ist sie doch sicher: „Das ist mein Lebenswerk“.

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