Schopfheim Mit der schönsten Form der Klage

Jürgen Scharf
Mit Theresa von Bibra, Cécilia Roumi und Johannes Menke waren die Klagelieder mit Spezialisten der Alten Musik besetzt. Foto: Jürgen Scharf

Mit den „Lesungen der Dunkelheit“ von François Couperin erklang eine besondere Passionsmusik in St. Bernhard in Schopfheim.

„Wie liegt die Stadt so wüst (verlassen)“: So beginnen die Klagelieder des Propheten Jeremia, und so beginnt auch die erste „Lesung“ von François Couperins „Leçons de ténèbres“ (Lesungen der Dunkelheit) für zwei hohe Frauenstimmen und Generalbass. Ein ganz besonderes Werk, ja, ein Gipfelpunkt geistlicher Vokalmusik im Frankreich der Barockzeit.

Es war etwas für entdeckungsfreudige Zuhörer, dieses Passionskonzert in der katholischen Kirche mit Gesängen für die nächtlichen Stundengebete an Gründonnerstag, „ténèbrea“ genannt nach dem lateinischen Schatten, der Finsternis. Bei dieser Aufführung wurde der alte Brauch aufgegriffen, 14 brennende Kerzen im Kreuzgang im Laufe des Nachtgebets zu löschen, bis am Ende fast völlige Dunkelheit herrschte.

Ergreifende Gesänge

Musikalisch und interpretatorisch waren die „Leçons“ an Innigkeit und innerer Dramatik nicht zu überbieten. Die beiden jungen Sopranistinnen Theresa von Bibra und Cécilia Roumi (Mezzo), beide durch die Gesangsschulung der Schola Cantorum Basiliensis gegangen, steigerten sich in die magische Kraft dieser ergreifenden und affektgeladenen Gesänge. Von der Empore tönte Leid und Leidenschaft in dieser kostbaren Musik voller Koloraturen und Melismen.

Die beiden Sängerinnen fühlten sich wunderbar ein in diese französische Barockwelt der reichen Verzierungen und in die Diktion des französisch ausgesprochenen Lateinisch, was etwas ganz Besonderes war und ein tiefes Wissen um die Musik Couperins verrät.

Ideale Vokalbesetzung

Es war eine ideale Vokalbesetzung mit den Sängerinnen, die Grazie und Esprit in ihren Stimmen haben. Roumi und von Bibra brachten ein feines Gespür für Sprache, Melos und die typisch französischen Verzierungen mit und ihre Stimmen mischten sich schön in den Duetten der dritten „Lektion“.

Eine Besonderheit war, dass man bei dem Kirchenkonzert Couperins von der Gregorianik inspirierten und tiefreligiösen „Leçons“ die archaischen gregorianischen Choräle in ihrer asketischen Schlichtheit voranstellte und in einen Dialog mit den ausgeschmückten Vertonungen dieses königlichen Organisten treten ließ.

Das war besonders faszinierend, zumal diese Choräle sehr natürlich erklangen. In der dritten Klagelied-Vertonung finden die beiden Gesangsstimmen höchst wirkungsvoll zusammen, und es gibt auch eine leichte Aufhellung gegen Ende.

Neue musikalische Welten

An der Orgel begleitete Johannes Menke, Professor für historische Satzlehre und Theorie der Alten Musik an der Schola Cantorum in Basel. Der Einsatz der Solostimmen ist mit Generalbassbegleitung ausgeschrieben, das kann eine Gambe sein, ein Cembalo oder eine Truhenorgel. In diesem Fall war es die große Kirchenorgel, wodurch dieses „accompagnement“ durch die spätromantische Optik gesehen wurde. Bei dieser Lamentations-Komposition erschlossen sich neue musikalische Welten und durch die angefügten gregorianischen Gesänge noch die Musik einer anderen Wirklichkeit. So war es eine bewegende Stunde mit dieser schönsten Form der Klage!

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading