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Schopfheim Namensschild und Klingel für jeden

Petra Martin

Sozialwerk: Ambulant betreute Wohngemeinschaft: Neues Angebot für Senioren ab September

„Ich will nicht ins Heim.“ Kaum jemand, der das nicht schon gedacht hätte – obwohl heute viele Einrichtungen mit ihren Wohn-, Haus- und Lebensgemeinschaften nichts mehr mit den Gegebenheiten früherer Häuser gemein haben. So etwa beim Georg-Reinhardt-Haus, jene wegweisende Einrichtung vor Ort, für die nach der Fertigstellung des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses noch lange nicht Schluss ist mit Impulsen für innovative und alternative Wohnformen für Senioren.

Schopfheim. Zwischen dem Verbleib in der Wohnung, obwohl das vielleicht doch gar nicht mehr geht, und dem Wechsel in eine stationäre Einrichtung klafft eine Angebotslücke. Das evangelische Sozialwerk Wiesental erweitert die Auswahlmöglichkeiten ab September mit dem ambulant betreuten Wohnen – am Eisweiher mitten in der Stadt.

„Für viele Menschen stellt sich im Älterwerden die Frage, ob die Versorgung in der eigenen Häuslichkeit noch sichergestellt werden kann. Es gibt keine Angehörigen oder sie wohnen weit weg, und auch die ambulante Pflege stößt irgendwann an ihre Grenzen“, beschreibt das Sozialwerk die Lage.

Bislang ist ein Umzug in eine stationäre Einrichtung die einzige Option. Mit dem neuen Angebot, das zusammen mit der Curare gGmbH, einer Tochtergesellschaft des Sozialwerks, auf den Weg gebracht wird, soll das anders werden.

Im Neubaugebiet am Eisweiher entsteht in Kooperation mit der Städtischen Wohnbaugesellschaft Lörrach eine rund 400 Quadratmeter große barrierefreie Mietwohnung im Erdgeschoss mit Einzelzimmern für zehn Bewohner. Alle Zimmer sind mit einem voll funktionsfähigen Bad ausgestattet.

Jeder Bewohner kann sein Zimmer individuell einrichten, die Gemeinschaftsräume wie Ess- und Wohnbereich sind möbliert. Zur Wohnung gehören Außenflächen - ein Garten sowie zwei Terrassen –, die ausschließlich zur Nutzung durch die Mieter der Wohngemeinschaft vorgesehen sind, wie das Sozialwerk ausführt.

Anders ausgedrückt: Selbstbestimmt leben, aber nicht allein. Jeder Mieter hat sein Zimmer und die Schlüssel zum Abschließen. „Das sind Privathaushalte“, erläutert Pia Maria Späth, Geschäftsführerin von „Curare“. Der Küchen-, Wohn- und Essbereich wird indes wie in einer Familie geteilt. >Jeder Mieter werde ein Namensschild mit eigener Klingel an der Tür haben.

Rund um die Uhr sind Präsenzkräfte vor Ort, die die Mieter im Alltag begleiten sowie eine Haushaltsführung und Betreuung anbieten. Bei Bedarf kommt eine pflegerische Unterstützung dazu. Aber: „Es ist keine Vollversorgung wie im stationären Bereich“, sagt Pia Maria Späth. Die Mitarbeiter des Sozialwerks betreten die privaten Zimmer nur auf Wunsch, sind dort nur zu Gast.

Voraussetzung für das Mieten eines Zimmers in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft ist mindestens Pflegegrad zwei. Außerdem sollten die Bewerber möglichst aus Schopfheim kommen.

Es handle sich um eine Wohnform für Menschen in besonderen Lebenssituationen. Sie biete ein geeignetes Angebot bezüglich des Wohnens, der Versorgung und Betreuung. Gemeinsam mit weiteren betreuungsbedürftigen Mietern werde der Alltag selbstbestimmt gestaltet, so das Sozialwerk.

Durch eine 24-Stunden-Alltagsbegleitung sei gleichzeitig eine Versorgungssicherheit gewährleistet. Dahinter steckt die tiefe Überzeugung des evangelischen Sozialwerks, einen alten oder kranken Menschen nicht auf das Gebrechen zu reduzieren, auch wenn er sich zum Beispiel durch eine Krankheit verändert. „Wir sehen den Menschen als Mensch“, macht Pia Maria Späth von „Curare“ deutlich. „Es geht um Normalität.“

Es ist also möglich, bis zum Sterben in der Wohnung zu verbleiben; gewährleistet werden könne dies aber nicht, verdeutlicht Pia Maria Späth. Denn das ambulant betreute Wohnen ersetze keine stationäre Einrichtung. Wer Intensivfachpflege benötigt oder etwa unter einer Demenz mit starker Ausprägung leidet, für den komme die Wohnform – auch zum Schutz der anderen Bewohner – nicht in Betracht.

Das neue Angebot versetzt Senioren aber in die Lage, vor Ort unter verschiedenen Möglichkeiten wählen zu können. „Senioren haben Wahlfreiheit, die sie so in Schopfheim bisher nicht hatten“, unterstreicht Pia Maria Späth. Das sei ein ganz wichtiger Aspekt des von Martin Mybes, geschäftsführender Vorstand des evangelischen Sozialwerks Wiesental, erarbeiteten Konzepts.

„Die Menschen brauchen eine Wahlmöglichkeit“

Trotz der ebenfalls neuen Tagespflege für alte Menschen im Bonhoeffer-Haus befänden sich noch viele Familien in Schieflagen, weil sich die Angehörigen um die Eltern beziehungsweise einen Elternteil stark kümmern müssten. Für Senioren, besonders auch die alleinstehenden, ist somit die „Zwischenform“ – eigenes, abschließbares Zimmer mit Privatsphäre und Bad, aber gemeinsamer, begleiteter Alltag – eine Überlegung wert.

Pia Maria Späth denkt schon weiter in die Zukunft. Sie wünscht sich eine Öffnung der ambulant betreuten WG ins neue Quartier am Eisweiher, hofft auf Kontakte zwischen Senioren und den Quartierbewohnern in den anderen Häusern, und auch die Angehörigen dürfen sich gerne einbringen, sie sollen es sogar. Auch die Mieter selbst sollten das tun, es gibt ein Mietergremium. Die Bereitschaft, Kompromisse zu schließen, ist in dieser Wohnform unerlässlich.

„Ein gelungenes Projekt, das die Altenhilfe in Schopfheim wertvoll ergänzt und für die Zukunft ausrichtet“, so umschreibt Martin Mybes das neue Angebot.

Eines, das vor allem auch notwendig ist. Baden-Württemberg sei das Schlusslicht im Angebot ambulant betreuter Wohngemeinschaften, weiß Pia Maria Späth. Es gebe zahlreiche bürokratische Hürden für deren Gründung. Das sei das eine, das wisse man, das schaffe man.

Das andere ist: Anerkennung, Bekräftigung, Unterstützung, etwa auf Landkreisebene, würden auch gut tun.

Innerhalb von knapp zwei Jahren ist neben dem Georg-Reinhardt-Haus die Curare gGmbH entstanden, die nicht nur die ambulante Pflege abdeckt, sondern seit Ende November 2019 auch eine Tagespflege im Dietrich-Bonhoeffer-Haus betreibt.

„Der Angebotsmix aus ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung ist der Schlüssel zu einer tragfähigen Fürsorge einer älter werdenden Gesellschaft“, so Pia Maria Späth, Geschäftsführerin der Curare gGmbH.

„Selbstbestimmung, Versorgungssicherheit und soziale Teilhabe dürfen sich nicht ausschließen. Zusammen mit dem Verbleiben im vertrauten sozialen Umfeld soll die Lebensqualität bestmöglich erhalten oder sogar verbessert werden.“

Alle Interessierten sind zu einer Informationsveranstaltung am Samstag, 4. Juli, um 14.30 Uhr im Bonhoeffer-Saal des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses , Luisenstraße 1 in Schopfheim, eingeladen. Um Anmeldung wird unter Tel. 07622 /  3900-138 oder per E-Mail an info@curare-wiesental.de gebeten.

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