Es wird Weisheit gebraucht
Eine Weisheit und Erkenntnis also – beide seien als Gaben und Schätze selten so gefragt wie heute, ist Pfarrerin Ulrike Krumm überzeugt. „Ich glaube, eines hat uns das vergangene Jahr gezeigt: nämlich, wie geglaubte Selbstverständlichkeiten immer weiter verloren gehen“, sagte die Pfarrerin in ihrer Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in Gersbach und Hausen.
Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass Friede in Europa ist. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass alles sicher bergauf geht. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass das Leben so weitergeht wie bisher – „und für viele leider auch nicht, dass das Geld auf dem Konto reicht“.
Es fange mit Kleinigkeiten an – dass ein Brief nicht mehr pünktlich ankommt zum Beispiel – und es ende damit, dass für einen schwerkranken Menschen kein Platz auf der Intensivstation frei ist. „Auf vielen Ebenen geschehen Dinge, von denen wir nicht mehr geglaubt hätten, wir würden sie noch erleben.“
Das Leben als Aufgabe
Ulrike Krumm berichtete: „Ich habe eine alte Dame beerdigt, die zu ihren Kindern sagte, als Russland den Krieg in der Ukraine begann: Wenn wieder Krieg kommt, dann halten wir uns alle an den Händen. Mir sind fast die Tränen gekommen, als ich das hörte. So rührend – und so hilflos. Nein, Leben ist nicht mehr selbstverständlich.“ Darum steige bei vielen der Stresspegel, die Angestrengtheit. Viele seien überarbeitet, viele würden dadurch krank, andere hätten Angst.
„Wie sollen wir leben in dieser so wenig selbstverständlich gewordenen Welt? Und nicht nur leben, sondern nach Möglichkeit auch zufrieden leben, vielleicht sogar glücklich? Was ist unsere Verantwortung, uns und anderen und der Zukunft gegenüber?“, so Ulrike Krumm. „Denn dass wir Verantwortung tragen, an dieser Erkenntnis zumindest kommen wir nicht mehr vorbei. Ja, ich glaube, Weisheit und Erkenntnis waren als Gaben und Schätze selten so gefragt wie heute“, sagte Ulrike Krumm. Das Leben sei Aufgabe der Menschen – oder ein Kunstwerk, das wachsen und sich verändern darf.
Gott sei der Urgrund allen Seins, allen Lebens, Sinn für ganze Universum wie für jeden einzelnen Menschen, ging Pfarrer Michael Latzel bei seiner Weihnachtspredigt in der katholischen Kirche St. Bernhard auf das Johannes-Evangelium ein. Im Sohn Gottes hätten die Menschen Gnade und Wahrheit, gefunden ja sogar „Gnade über Gnade“, so der Lobtext. Es liege an den Menschen, nach den Feiertagen die Krippe – im übertragenen Sinn – nicht zurück in den Schrank zu räumen, sondern diese Erkenntnisse, das dankbare Staunen und den neuen Blick auf Gott im Alltag weiter zu leben, laute die Erkenntnis, machte Pfarrer Latzel deutlich.
Menschsein im Alltag
Denn nicht das neueste Handy, nicht ein Diamantring, keine Spielsachen, auch keine Fernreise gebe es an Weihnachten zu feiern, sondern die Geburt eines Kindes, das auf Stroh in einem Stall lag. Die Hirten hätten die Krippe nicht als bloße Sehnsucht abgetan – sie hätten der wundersamen Botschaft Gehör und Herz geschenkt, so Pfarrer Latzel an Heiligabend. Menschen könnten wieder zu Menschen werden, die anderen hin und wieder Hoffnung schenken, zum Beispiel durch die Unterstützung des Tafelladens oder die Hilfe für Menschen aus der Ukraine oder für Geflüchtete von anderswo.