Schopfheim „Nichts ist mehr selbstverständlich“

Petra Pflüger

Weihnachten: Predigten von Dekanin Bärbel Schäfer, Pfarrerin Ulrike Krumm und Pfarrer Michael Latzel

Durchwachsen war das Wetter an den Feiertagen, aber davon haben sich die Schopfheimer nicht vom Feiern alleine, im Familienkreis oder in Freundesrunde abhalten lassen. Nach den Corona-Jahren stand der Wunsch nach Zusammenkünften an den Festtagen an erster Stelle.

Von Petra Pflüger

Schopfheim. Nachdem die Listen – was musste nicht noch alles erledigt werden vor Heiligabend – abgehakt waren, genossen die Bürger das Fest. Auch Dekanin Bärbel Schäfer lag gut im Rennen und hatte schon viele Haken hinter dem, was geschafft war, gesetzt.

Doch dann warf sie ihr Predigtkonzept um und baute das Lied „Vom Himmel hoch...“ in ihren Text ein, ein Lied, das sie eigentlich gar nicht mochte, doch Kantor Christoph Bogon und seine Kantorei setzten sich durch. Es ist ein Lied mit der Fähigkeit, Menschen zu verwandeln, ein Lied, das die vielleicht weihnachtlichste Grundhaltung überhaupt, das Sich-Wundern und Staunen, ausdrücke. An eines aber lasse sich nie ein Haken dranmachen: an die Sehnsucht, so Bärbel Schäfer bei der Christmette an Heiligabend.

Sehnsucht nach Kriegsende

Als Dekanin wünsche sie sich, dass die leeren Pfarrstellen besetzt würden, dass alle in der Kirche Tätigen sich am rechten Platz wissen und dass Ehrenamtliche sich freudig engagieren und sich nicht über Strukturdebatten ärgern müssen. Und da sei die Sehnsucht nach dem Ende von Krieg, danach, dass die Diktatoren dieser Welt dem „Friede-Fürst“ Platz machen, die Sehnsucht, dass die Botschaft „Der Klimawandel ist gestoppt!“ verbreitet werden kann.

Gott ist überall

Die Sehnsucht nach privatem Glück ist bei jedem vorhanden; ob hier wirklich nie ein Haken drangemacht werden könne, sei indes zu hinterfragen. Auch die Menschen, die verspannt seien, weil ihnen immer jemand einredet, dass sie für alles selbst verantwortlich seien, die Menschen, die kaum zum Luftholen kommen, weil ihnen jemand sagt, sie müssten die perfekte Mutter oder Tochter, der Mitarbeiter des Monats oder Klassenbeste sein, auch die, die keine Kraft hätten, ihre Wohnung weihnachtlich zu schmücken, auch sie könnten an Heiligabend ihre Sehnsucht für einen Moment stillen. Wenn Gott es sich auf Heu und Stroh gemütlich machen könne, dann werde er auch auf einem alten Sofa Platz schaffen und aus einer verkratzten Tasse einen Tee trinken, war sich Bärbel Schäfer gewiss.

Es wird Weisheit gebraucht

Eine Weisheit und Erkenntnis also – beide seien als Gaben und Schätze selten so gefragt wie heute, ist Pfarrerin Ulrike Krumm überzeugt. „Ich glaube, eines hat uns das vergangene Jahr gezeigt: nämlich, wie geglaubte Selbstverständlichkeiten immer weiter verloren gehen“, sagte die Pfarrerin in ihrer Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in Gersbach und Hausen.

Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass Friede in Europa ist. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass alles sicher bergauf geht. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass das Leben so weitergeht wie bisher – „und für viele leider auch nicht, dass das Geld auf dem Konto reicht“.

Es fange mit Kleinigkeiten an – dass ein Brief nicht mehr pünktlich ankommt zum Beispiel – und es ende damit, dass für einen schwerkranken Menschen kein Platz auf der Intensivstation frei ist. „Auf vielen Ebenen geschehen Dinge, von denen wir nicht mehr geglaubt hätten, wir würden sie noch erleben.“

Das Leben als Aufgabe

Ulrike Krumm berichtete: „Ich habe eine alte Dame beerdigt, die zu ihren Kindern sagte, als Russland den Krieg in der Ukraine begann: Wenn wieder Krieg kommt, dann halten wir uns alle an den Händen. Mir sind fast die Tränen gekommen, als ich das hörte. So rührend – und so hilflos. Nein, Leben ist nicht mehr selbstverständlich.“ Darum steige bei vielen der Stresspegel, die Angestrengtheit. Viele seien überarbeitet, viele würden dadurch krank, andere hätten Angst.

„Wie sollen wir leben in dieser so wenig selbstverständlich gewordenen Welt? Und nicht nur leben, sondern nach Möglichkeit auch zufrieden leben, vielleicht sogar glücklich? Was ist unsere Verantwortung, uns und anderen und der Zukunft gegenüber?“, so Ulrike Krumm. „Denn dass wir Verantwortung tragen, an dieser Erkenntnis zumindest kommen wir nicht mehr vorbei. Ja, ich glaube, Weisheit und Erkenntnis waren als Gaben und Schätze selten so gefragt wie heute“, sagte Ulrike Krumm. Das Leben sei Aufgabe der Menschen – oder ein Kunstwerk, das wachsen und sich verändern darf.

Gott sei der Urgrund allen Seins, allen Lebens, Sinn für ganze Universum wie für jeden einzelnen Menschen, ging Pfarrer Michael Latzel bei seiner Weihnachtspredigt in der katholischen Kirche St. Bernhard auf das Johannes-Evangelium ein. Im Sohn Gottes hätten die Menschen Gnade und Wahrheit, gefunden ja sogar „Gnade über Gnade“, so der Lobtext. Es liege an den Menschen, nach den Feiertagen die Krippe – im übertragenen Sinn – nicht zurück in den Schrank zu räumen, sondern diese Erkenntnisse, das dankbare Staunen und den neuen Blick auf Gott im Alltag weiter zu leben, laute die Erkenntnis, machte Pfarrer Latzel deutlich.

Menschsein im Alltag

Denn nicht das neueste Handy, nicht ein Diamantring, keine Spielsachen, auch keine Fernreise gebe es an Weihnachten zu feiern, sondern die Geburt eines Kindes, das auf Stroh in einem Stall lag. Die Hirten hätten die Krippe nicht als bloße Sehnsucht abgetan – sie hätten der wundersamen Botschaft Gehör und Herz geschenkt, so Pfarrer Latzel an Heiligabend. Menschen könnten wieder zu Menschen werden, die anderen hin und wieder Hoffnung schenken, zum Beispiel durch die Unterstützung des Tafelladens oder die Hilfe für Menschen aus der Ukraine oder für Geflüchtete von anderswo.

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