Schopfheim Ostern ohne Buzzimummel

Petra Martin

Corona: Die Eierspringen – fester Brauch am Ostermontag – fallen wegen der Ansteckungsgefahr aus

Schopfheim - Wenn „Bolizischte“ Jagd machen auf diebische Zuschauer, wenn die Saublodere geschwungen und schwarze Schuhwichse verschmiert wird, dann ist die Zeit des Eierspringens gekommen – in Eichen, Wiechs und Gersbach.

2020 ist alles anders: Anke-Bäbi, -Bäberich und Butzimummel müssen wegen Corona zuhause bleiben, ebenso tausende von potenziellen Zuschauern, die sonst am Ostermontag zum Traditionsereignis nach Eichen zu strömen pflegen. Auch in Wiechs und Gersbach musste gestern das Eierspringen wegen der Ansteckungsgefahr ausfallen.

Eichen ohne das Getümmel der Jugendlichen auf dem Feld beim Seegelände? „Das ist ein Novum, das gab es zu meiner aktiven Zeit noch nie“, blickt Wolfgang Bühler zurück. „Mir ist nicht bekannt, dass das Eierspringen außer in Kriegszeiten jemals ausgefallen ist.“ Bühler war immerhin 30 Jahre als Moderator des Eiemer Eierspringens aktiv. Im vergangenen Jahr moderierte er letztmals das Großereignis an Ostermontag. Dieses Mal wäre er gern als Zuschauer gekommen. „Ich habe mich darauf gefreut.“

Das Eierspringen in Eichen habe stets bei jedem Wetter stattgefunden, betont Bühler. Was Schnee und Dauerregen nicht schafften, die Absage der Veranstaltung nämlich, habe nun das Coronavirus besorgt, sagt Bühler geknickt – auch in Anspielung auf den kleinen Privatkrieg mit den Hasler Eierspringern, bei denen die Veranstaltung schon allein bei schlechtem Wetter abgesagt werde.

Einige Leute hätten schon wissen lassen, dass sie den Ausfall des Eierspringens bedauern, so Bühler. Doch leuchte allen ein, dass es aufgrund der hohen Zuschauerzahlen und des Körperkontakts beim Gerangel keinesfalls stattfinden durfte.

Schon als Bub in Eichen war Bühler mit dabei. „Das gehörte zu Ostern dazu.“ Damals seien seltsam gekleidete Gestalten durchs Dorf gelaufen, sie hätten Masken vorm Gesicht gehabt. „Das hat Angst gemacht, und es hat uns gereizt, die zu ärgern.“

Eierspringen hat eine lange Tradition.

Das Eierspringen hat eine lange Tradition. Wolfgang Bühler verweist darauf, dass es begründete Vermutungen gibt, nach denen das Eierspringen keltischen Ursprungs ist. Dies habe auch der ehemalige Wiechser Lehrer Gerhard Daub in seinem Buch „Frau Lunas Hasenfest“ erwähnt.

Die Bräuche seien früher indes noch viel härter umgesetzt worden als heute. Damals habe man mit der Saublodere nicht nur gewunken, sondern damit Menschen erwischt, die dann in den eiskalten Brunnen mussten. Als er größer wurde, berichtet Wolfgang Bühler weiter, habe er sich als Eierdieb versucht. Das Eierspringen sei eng gebunden gewesen ans Dorf. Damals habe es noch zwei Wirtschaften gegeben, auf deren Wiesen abwechselnd das Eierspringen stattfand.

Als die Gasthäuser schlossen und die Felder nicht mehr zur Verfügung standen, habe das Eierspringen ein paar Mal bei der Halle und dann auf der Straße stattgefunden. Seit den späten 70er Jahren sei der Brauch beim Eiemer See vollführt worden und wurde dort zum „Selbstläufer“. Bei schönem Wetter seien 2500 bis 3000 Leute zum Spektakel erschienen, berichtet Wolfgang Bühler.

Das Eierspringen gehöre fest zum Dorfleben dazu. Es sei faszinierend, dass die Jugend das von sich aus organisiere, es gebe keinen Verein. Zwei junge Männer seien als „Boss“ festgelegt, dann sei das Ganze organisiert worden. Die Teilnehmer müssen konfirmiert und dürfen nicht verheiratet sein.

„Konfirmanden freuten sich seit Monaten darauf“

Etwa 22 bis 25 Jugendliche hätten sich beteiligt, sogar Studenten seien von auswärts zur Osterzeit zurück nach Eichen gekommen, um sich das Eierspringen nicht entgehen zu lassen.

Mit zunehmender Zuschauerzahl sei indes das Verständnis für den eigentlichen Brauch verloren gegangen, so Bühlers persönliche Meinung. Der Entwicklung, dass es sich um eine reine Gaudiveranstaltung handele, habe er mit seinen Moderationen stets entgegenwirken wollen, sagt Bühler. So seien zum Beispiel Verhaltensmaßregeln für Eierspringer aufgestellt worden.

Am Ostersonntag seien im Dorf Anke (Butter) und Eier eingesammelt worden. Anke-Bäbe und -Bäberich seien in alter Markgräfler Tracht durch den Ort gelaufen. Schon an Karfreitag hätten sich die Teilnehmer getroffen, um über Kürnberg nach Hasel zu laufen und sich bekannt zu machen. Auch das sei dieses Jahr ausgefallen, da die Gasthäuser geschlossen sind.

Besonders bedauerlich ist die Absage auch für Dirk Schrank. Er hätte am gestrigen Ostermontag als Nachfolger von Wolfgang Bühler seinen Einstand als Moderator beim Eiemer Eierspringen haben sollen. „In den letzten Jahrhunderten, oder besser Jahrtausenden, konnten Regen oder selbst Eis und Schnee das Eichener Eierspringen nicht verhindern“, so Dirk Schrank.

„Für mich war immer klar dass auch in diesem Jahr das Eierspringen auf jeden Fall stattfinden wird. Daher sind das ganze Team und ich jetzt sehr enttäuscht. Einige Konfirmanden freuen sich schon seit Monaten auf ihr erstes Eierspringen, und auch ich hatte mir schon einige Anekdoten für meine erste Moderation zurechtgelegt. Frack und Zylinder waren bereits gereinigt...“.

Doch zum Glück kann die Digitalisierung die Brauchtumspflege in schwierigen Zeiten unterstützen. Jeder Eierspringer habe am Ostermontag seinen persönlichen Eier- und Ankeball zu Hause gefeiert. „Wir sammeln dann alle Fotos auf unserer Homepage www.eierspringen.de/. Ich bin gespannt auf die Eindrücke…“, lässt Dirk Schrank wissen.

Dass die Veranstaltung abgesagt werden musste, ist für ihn trotz allem klar. „Verantwortung ist wichtig, da gibt es keine Diskussion“, sagt Dirk Schrank. Eine Verlegung in den Herbst sei sinnlos. Das Eierspringen sei untrennbar mit Ostern verbunden.

Auch in Wiechs vermisst man die Traditionsveranstaltung. Denn schon die Buurefasnacht sei vom Coronavirus überschattet gewesen, und es seien weniger Menschen gekommen. Und das obwohl die Fasnacht wegen des Hallenbaus zwei Jahre nicht stattfand, wie Wibufa-Präsident Fritz Streule berichtet. Der Verein, der auch das Eierspringen ausrichtet, habe immense Kosten gehabt: Dies aufgrund der Sicherheitsbestimmungen und weil man Bar und Bierbrunnen neu bauen musste.

„Das wären 100 Prozent Einnahmen für den Wibufa-Verein gewesen“

Das Eierspringen hätte 100 Prozent Einnahmen bedeutet. Es hätte Getränke, Currywürste und Kaffee und Kuchen gegeben – auf diese Einnahmen muss der Verein nun verzichten. Das Ereignis, das einst auf dem Schulhof stattfand und dann auf dem Feld beim Fasnachtsschopf, habe auch viele ältere Menschen angelockt, es sei Tradition gewesen, betont Fritz Streule.

Denen fehle das Eierspringen genauso wie den ehemaligen Wiechsern, die aus anderen Gemeinden und sogar aus dem Elsass kamen. Auch aus Bayern, wo der Brauch nicht bekannt sei, strömten Gäste herbei, die die Feiertage für einen Besuch nutzten. Jetzt muss jeder zuhause bleiben, bedauert Fritz Streule die Lage.

„Es ist höhere Gewalt“, sagt Wolfgang Bühler. „Ich hoffe, dass die Gemarkung Eichen trotzdem fruchtbar wird, auch wenn der ’Segen’ nicht stattfinden konnte.“

Das wünschen sich die Eierspringer wohl auch in Wiechs, Gersbach, Hasel und Hüsingen für ihre Gemarkungen.

Als kleiner Trost hat jeder Eierspringer von Eichen am Ostermontag ganz privat seinen Eier- und Ankeball mit Eiern und einem Glas Wein zu Hause gefeiert. Alle Fotos sind als Collage auf der Homepage ab dem heutigen Dienstag zu sehen unter:  http://eierspringen.de/eier-und-ankeball-2020

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