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Schopfheim Spätes Gedenken an NS-Opfer

Kathryn Babeck
Die Hauptstraße 49 in Schopfheim. Die früheren Bewohner wurden Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Kathryn Babeck

Die Initiative „Stolpersteine Wiesental“ verlegt drei weitere Stolpersteine für jüdische Bürger sowie eine Stolperschwelle für 108 Personen, die wegen ihrer Erkrankung ermordet werden sollten.

Mit Stolpersteinen erinnert die Initiative „Stolpersteine Wiesental“ an die Juden Katharina Waldi in der Hauptstraße 14 und an Meta sowie Herbert Mayer in der Hauptstraße 49. Bereits 2021 wurden mit Stolpersteinen an Bella, Wilhelm und Melitta Auerbacher gedacht.

Eine Stolperschwelle wird vor dem Max-Pflüger-Heim in Wiechs, dem einstigen Kreispflegeheim, gesetzt. Mit der Stolperschwelle wird 108 Menschen gedacht, die wegen geistiger oder körperlicher Behinderung sowie psychischer Erkrankung im Zuge der T 4 -Aktion ermordet werden sollten. Die T-4-Aktion benennen die Nazis nach der Tiergartenstraße 4 in Berlin. Dort befindet sich die Zentralstelle der Krankenmorde. In Wiechs überlebt nur eine der 108 Personen.

Das Markgräfler Tagblatt stellt sechs Biografien der jüdischen Bürger vor und berichtet über die Hintergründe der Verlegung der Stolperschwelle.

Tag der Deportation

„Heute früh wurden die wenigen Juden, die wir hatten, von einem Transportauto abgeholt.“ Diese Zeilen notiert am 22. Oktober 1940 nachts der Schopfheimer Drogist Hermann Glattes in sein Tagebuch. Am Morgen des 22. Oktober 1940 werden in Schopfheim neun Personen in Lastwagen der Gestapo verladen. Sie werden wie andere in Baden lebende jüdische Bürger nach Südfrankreich ins Internierungslager „Camps de Gurs“ verschleppt.

Es ist der Auftakt der systematischen Deportation der jüdischen Bevölkerung. Diese Deportation ist Teil eines nie da gewesenen Vernichtungsprogramms von Menschen, denen man die Gleichwertigkeit abspricht und damit ihre Verfolgung und Ermordung staatlich legitimiert. Aus den Dokumenten des Stadtarchiv geht hervor, dass die Nazis alles sehr genau dokumentieren, um die Menschen so effizient wie möglich zu verfolgen. 1935 listen sie für Schopfheim 22 Juden, Kinder und „Judenmischlinge“ wie es abschätzig heißt, in der „Judenkartei“ auf.

Händler und Kaufleute

In Schopfheim ist die jüdische Gemeinde nicht groß. Es gibt keine Synagoge, keinen jüdischen Friedhof, keine jüdische Schule. Erste jüdische Familien sind Mitte des 19. Jahrhunderts in die Stadt gezogen. 1933, als die Nazis an die Macht kommen, gibt es in Schopfheim vier jüdische Textilgeschäfte und eine Viehhandlung.

Lehmann Hirschel führt in der Hauptstraße 42 ein Textilwarengeschäft. In der Hauptstraße 43 besitzt Emil Picard ein Tuchgeschäft. Der Textilhändler Maier Mayer, der bei Juden damals den gebräuchlichen Vornamen „Maier“ trägt, führt in der Hauptstraße 49 ein Konfektionsgeschäft.

Für seine zweite Frau und seinen Sohn werden diesmal Stolpersteine verlegt. Isac Picard besitzt ein Konfektionsgeschäft in der Scheffelstraße 7, Salomon Auerbacher betreibt gemeinsam mit seinem Sohn Wilhelm in der Wallstraße 5 eine Viehhandlung. Für Wilhelm uns seine Frau Melitta Auerbacher wurden 2021 Steine verlegt. Mit der „Machtergreifung“ der Nazis werden in Schopfheim die Juden aus dem Stadtleben gedrängt.

Verfolgungsmaßnahmen

Beim Boykottaufruf 1933 stehen SA-Leute vor den Geschäften, pöbeln Kunden an. 1935 wird Beamten das Einkaufen in jüdischen Geschäften verboten. Beim Pogrom im November 1938 werden die zwei verbliebenen jüdischen Geschäfte geschändet. Ab 1938 müssen sie ihre Häuser unter Druck verkaufen, Geschäfte werden beschlagnahmt, Eigentümer enteignet. Das Markgräfler Tagblatt annonciert am 30. Januar 1941 die Versteigerung des Eigentums von Maier Mayer an den Meistbietenden.

Spätestens in den 1960er Jahren recherchiert man nach dem Schicksal der jüdischen Bürger. Die juristische Aufarbeitung bleibt aber für viele Betroffenen unbefriedigend.

Schwierige Aufarbeitung

Vor allem die Opfer der Eugenik-Morde und der Zwangssterilisation müssen in der alten Bundesrepublik sehr lange warten, bis sie endlich als Opfer des Nationalsozialmus anerkannt werden. Erst allmählich kommt der ganze Umfang der Verbrechen zu Tage. Und: Die Stolpersteine können nur verlegt werden, wenn die Biografie der betroffenen Person dokumentiert ist. Oft ist das eine schwierige Spurensuche.

Die Verlegung findet am 28. August statt. Zugleich gibt es ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm. Infos unter: www.stolpersteine-wiesental.de

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