Schopfheim „Sprache ist der Schlüssel zur Welt“

Markgräfler Tagblatt

Kindergarten St. Josef: Einrichtung nimmt am Bundesprogramm „Sprach-Kita“ teil / Fachkraft eingestellt

Ein Kind sagt: „Ich bin einen Baum hochgeklettert.“ „Schön“, sagt die Erzieherin. Sie muss es aber nicht dabei bewenden lassen. „Wie hast du das gemacht?“, könnte sie fragen. Oder: „Warum hast du das gemacht?“ Das Kind würde in dieser Alltagssituation gut Deutsch sprechen lernen, wenn die Erwachsenen nur nachhaken würden.

Von Petra Martin

Schopfheim. Im katholischen Kindergarten St. Josef wird genau das gemacht. Sprachförderung gibt es an allen Schopfheimer Kindergärten, aber die Einrichtung der Seelsorgeeinheit Mittleres Wiesental ist die einzige Sprachkita in der Stadt, die am 2016 geschaffenen Bundesprogramm teilnimmt, dessen Mittel zwischenzeitlich weiter aufgestockt wurden.

Vom Bund gebe es dafür bis 2020 einen jährlichen Zuschuss von 25 000 Euro für eine 50-Prozent-Kraft. Der Bund habe den Antrag des Trägers bewilligt, so Tobias Schnurr, zuständiger Kindergartengeschäftsführer bei der Verrechnungsstelle für katholische Kirchengemeinden, gestern bei einem Pressegespräch im Kindergarten St. Josef.

Viele Kinder mit Sprachdefiziten

Das Landratsamt hatte aufgrund von Tests durch das Gesundheitsamt zur Schulreife mitgeteilt, dass viele auffällige Kinder zu verzeichnen seien. Dazu zählten Kinder, die Defizite in der Entwicklung aufweisen; die Hauptauffälligkeiten seien freilich in der Sprachentwicklung zu finden.

Diese Situation soll sich mit Einführung der „Sprach-Kita“ Schritt für Schritt verbessern. In Britta Hirt hat der Kindergarten eine engagierte Fachkraft gefunden, die das „Sprach-Kita“-Programm „lebt“, die während des Kindergartenalltags in St. Josef ihre Kompetenzen an das Erzieherinnenteam weitergibt, es berät, begleitet und die fachliche Unterstützung leistet, die Ideen einbringt und die „Sprach-Kita“ in Gang bringt.

Die Sprachförderung habe ihre Ziele nicht erreicht, deshalb gehe der Bund mit seinem Programm neue Wege, so Britta Hirt. Bei ihrer Arbeit legt sie ihr Augenmerk dementsprechend auf folgende Schwerpunkte: sprachliche Bildung, Inklusion und Zusammenarbeit mit den Eltern.

Doch wie bringt sie ein Kind, zum Beispiel eines mit Migrationshintergrund, dazu, Deutsch zu sprechen? Sie baut eine Beziehung zum Kind auf. „Dann fühlt es sich wohl, dann wird es sprechen.“ In jedem Raum im Kindergarten, bei den Mahlzeiten oder den Hol- und Bringzeiten gibt es Möglichkeiten und Gelegenheiten, alltagsintegrierte sprachliche Bildung zu üben. „Ich bin ein Modell, das Team kann mir zugucken“, sagt Britta Hirt und nennt ein Beispiel.

Es wird gebastelt, ein Kind sagt: „Das ist Anna.“ Oder es sagt ein paar andere einzelne Substantive, „Brocken“. Manch eine Erzieherin würde das übergehen, einfach weiterbasteln. Weil sie viel zu tun hat und noch andere Kinder beaufsichtigen muss oder ihr im Fahrwasser der Routine nicht bewusst wird, dass hier eine Gelegenheit zum Miteinandersprechen bestanden hat. Britta Hirt fragt das Kind: „Ach, das ist die Anna. Kennst du sie?“ Das Kind antwortet, lernt Deutsch zu sprechen.

Auf solche Situationen angesprochen, habe sie schon von manch einer Erzieherin die Rückmeldung erhalten, dass sie recht habe, so Britta Hirt. Als Fachkraft von außerhalb hat sie den externen Blick. „Was mir auffällt, gebe ich weiter.“ Ziel sei die Verinnerlichung des Programms, die Reflexion des eigenen Sprachhandelns und Zuhörens, sagt Britta Hirt, die ganz genau weiß, welche Spiele sich etwa dafür eignen, damit Kinder Präpositionen oder die Bildung von Nebensätzen lernen.

Im Bereich Inklusion gehe es mitnichten allein um behinderte Kinder, betonte Britta Hirt. Vielmehr drehe sich ihre Arbeit hier um die frühkindliche Erziehung aller Kinder.

Kinder im Alter von drei Jahren könnten heute weniger als Kinder vor 15 Jahren. „Die Norm hat sich verändert.“ So gebe es beispielsweise Kinder, die in diesem Alter noch keine Schere in der Hand gehabt hätten, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht angeleitet werden.

„Das Elterncafé ist eine gute Idee“

Das dritte „Einsatzgebiet“ Britta Hirts liegt in der Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Fachkraft hat hier in Elterncafé ins Leben gerufen, das erfolgreich zu werden verspricht und am Ende von den Beteiligten allein weitergeführt werden soll. „Das ist eine gute Idee auch für andere Kindergärten“, bilanzierte Jacqueline Dumont, Leiterin der Fachgruppe „Bürgerservice, Familie und Soziales“ bei der Stadtverwaltung. Die Stadt trage die restlichen Kosten für die Sprach-Kita. „Das Geld ist gut angelegt“, unterstrich Dumont.

Die externe Fachkraft Britta Hirt, die mit der neuen Kindergartenleiterin Franziska Köhler ein „Tandem“ bildet, ist froh, dass die Anfangsschwierigkeiten des Bundesprojekts überwunden sind. Zu Beginn seien nicht alle Internetseiten frei zugänglich gewesen beziehungsweise nur über eine Fachberaterin, die aber nun mit Maria Kiefl in der Diakonie Baden gefunden worden sei; seit 2017 seien übrigens schon einige Schritte umgesetzt worden; es gebe auch Verbundtreffen.

Franziska Köhler bedauert bereits das Ende des Programms, doch nach 2020 muss es ohne externe Fachkraft weitergehen.

Daran, dass die Schritte intern fortgeführt werden, besteht indes kein Zweifel. „Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, bekräftigt Fachkraft Britta Hirt.

Der katholische Kindergarten St. Josef hat 74 Plätze und mit Leiterin Franziska Köhler neun Erzieherinnen. Bei den Kindern sind rund 15 Nationalitäten vertreten; einige Kinder wachsen mit zwei Sprachen auf, weil Mutter und Vater unterschiedlicher Herkunft sind. Deutsch ist dann ihre dritte Sprache.

Etwa 30 Kinder müssen sprachlich gefördert werden, davon zehn ohne Migrationshintergrund und 20 mit Migrationshintergrund. Fast alle dieser Kinder sind in Deutschland geboren.

Britta Hirt, Fachkraft für das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, ist selbst gelernte Erzieherin und arbeitete lange an einem Sonderschulkindergarten. Auch als Eingliederungshilfe war sie tätig. Britta Hirt arbeitete unter anderem in Einrichtungen in Langenau, im Oberfeld, in Maulburg und in der Kita Hintermatt.

Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ richtet sich laut Familienministerium an Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit besonderem sprachlichen Förderbedarf besucht werden.

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