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Schopfheim „Unser System ist auch ein Segen“

Werner Müller

Krebstod: Peter Elsen hat schlimme Schicksalsschläge erlebt - und verspürt dennoch Dankbarkeit

Schopfheim  - Leid und Schmerz, Sterben und Tod: Peter Elsen hat all dies in seiner Familie im Übermaß erdulden müssen. Innerhalb von nur drei Jahren verlor er erst seine Frau und dann seinen ältesten Sohn – beide starben an Krebs.

Und dennoch: Peter Elsen hat seinen Lebensmut nicht verloren. Statt mit dem Schicksal zu hardern, verspürt er den Wunsch, dankbar zu sein und anderen Menschen, die gleiche Schläge verkraften müsse, an seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen und sie auch vor Enttäuschungen bewahren.

Dank verspürt der Waldorflehrer nicht nur gegenüber den Kliniken, den vielen Ärzten und Pflegekräften, die sich bei der Behandlung seiner Frau und seines Sohnes „unendlich viel Mühe“ gaben. Er bezieht darin auch das Gesundheitssystem als Ganzes mit ein.

„Wenn mir so etwas in den USA oder in vielen anderen Ländern dieser Welt passiert wäre, wäre ich jetzt pleite, ich hätte mein Haus verkaufen müssen“, so Elsen. Bei aller berechtigten Kritik am hiesigen Gesundheitswesen steht für ihn fest: „Unsere Krankenversicherung ist ein Segen“. Nie habe das Geld bei der notwendigen Behandlung seiner Frau oder seines Sohnes eine Rolle gespielt. Auch freie Arztwahl oder das Einholen von Zweitdiagnosen sei kein Problem gewesen. „In anderen Ländern kriegt man ohne Bares nicht mal einen Termin“, weiß der Pädagoge, der schon weit herumgekommen ist.

Trotz aller Belastung hätten Ärzte und Pflegekräfte in „großer Menschlichkeit“ gemacht, „was möglich ist“. Das Gleiche gelte für Sozialdienst, Hospiz und ambulante Hilfsdienste.

Nicht ganz so gut fällt für Peter Elsen die Bilanz aus, die seine Erlebnisse im und mit dem privaten Umfeld betreffen. Da gebe es zwar sehr viel Empathie und Anteilnahme, doch nicht selten auch „Voyeurismus“, wie er zu seinem Leidwesen feststellen musste.

Immer wieder hätten ihn Bekannte regelrecht ausgequetscht über die Krankheit seiner Frau und seines Sohnes, ihn „zugetextet mit Storys“ aus dem eigenen Leben oder – ganz schlimm –„ungefragt Ratschläge erteilt“ und ihm vorschreiben wollen, wie er sich zu verhalten habe. Diese „Moralkeule“ indes sei das letzte, was eine Begleitperson von Todkranken brauchen könne. „Es geht einem ja eh schon schlecht genug“, so Peter Elsen. Nur der Betroffene selbst könne für sich entscheiden, was er bei der Pflege des Angehörigen zu leisten vermag. „Wer das alles nicht am eigenen Leib erfahren hat“, meint er, „soll die Klappe halten“.

Er habe zu spüren bekommen, dass sich eher wenige nicht nur um die Kranken, die natürlich die Hauptlast trügen, sondern auch um deren Begleitpersonen kümmern. „Die fallen aus dem Blickfeld“, weiß Peter Elsen. Er hat während der vergangenen drei Jahre zudem erkannt, dass „Tod und Krankheit“ den Freundes- und Bekanntenkreis durcheinander wirbeln und – wie beim therapeutischen Familienstellen – die „Karten neu mischen“. Plötzlich rückten vermeintlich enge Freunde in die Ferne und an ihre Stelle träten Personen, die eine viel wichtigere Rolle spielen.

Dass er selber an den „traumatischen Erlebnissen“ nicht zerbrach, sondern „stabil“ geblieben sei, hat für den Pädagogen mehrere Gründe. Zum einen habe er während der drei dunklen Jahre „nie aufgehört, für sich selbst zu sorgen“. Er habe an Ritualen wie dem regelmäßigen Laufen festgehalten und die Arbeit nicht aufgegeben. Bei alledem habe er sich auch ständig gefragt: „Was kann ich tun, damit ich mir hinterher keine Vorwürfe machen muss – und was brauche ich für mich?“ Ergänzend dazu habe er sich professionelle psychologische Unterstützung gesucht.

Peter Elsen vermutet auch, dass ihm seine langjährige Erfahrung als Notfallpädagoge zugute kam. Als Eurythmielehrer absolvierte er Einsätze in Thailand und in Nepal sowie im Gazastreifen, erlebte Erdbeben und Bombenangriffe hautnah mit – und sah, unter welch schlimmen Verhältnissen viele Menschen, vor auch Kinder, in dieser Welt ihr Dasein fristen müssen.

Und dann ist da noch ein weltanschaulicher Aspekt: „Woher kommt der Mensch, wo geht er hin?“ Wer sich mit solchen Fragen beschäftige, glaubt Peter Elsen, könne auch Schicksalsschläge, wie sie ihm widerfuhren, womöglich besser verkraften.

Er selbst jedenfalls schöpft daraus Kraft, die er gerne weitergeben will. So trägt sich der 57-Jährige mit dem Gedanken, für Menschen in ähnlichen Lebenslagen einen Flyer herauszugeben. „Meine Erfahrungen müssen ja nicht noch viele Menschen alleine machen“, so Peter Elsen.

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