Schopfheim Unvergessene Blues-Sessions

Markgräfler Tagblatt
Hary de Ville: „Die Kleinkunstszene ist zerstört“ Foto: zVg

Interview: Hary de Ville blickt auf über 40 Jahre Real Bluesband

Rheinfelden/Schopfheim -  Coronabedingt mit einem Jahr Verspätung startet die Real Bluesband ihre Jubiläumstour. Kein bisschen müde präsentieren die vier Profimusiker – Hary de Ville (Gesang, Gitarre, Mundharmonika), Daniel Messina (Drums), Tom Martin (Sax, Gesang, Gitarre) und Martin Hess (Bass) – , die an unzähligen Festivals und mit vielen internationalen Größen auftraten, nach wie vor mit quicklebendiger Power ein „Best of...“ ihrer CDs.

Ihr Repertoire: Eigenkompositionen werden umrahmt von originell arrangierten Blues-Klassikern, beispielsweise von Clapton, Fleetwood Mac oder B.B. King, Swing-Standards und skurrilen, in drei Jahrzehnten zusammengewachsenen Stilcollagen.

Heute, Freitag, Abend spielen sie in Herten, am morgigen Samstag (24.7.) findet dort ein zweites Konzert statt. Der Schopfheimer Musiker Hary de Ville erzählt im Interview über die Band und ihre Geschichte. Die Fragen stellte Gabriele Hauger.

Frage: Ihr seid alles eingefleischte Musiker. Wie habt Ihr, haben Sie, die Coronazeit und die fehlenden Auftrittsmöglichkeiten überstanden? Welche Strategien entwickelt?

Manche meiner Mitmusiker haben lange Zeit sehr gut verdient und waren international in Australien, Asien und USA unterwegs. Sie hatten keinerlei andere Einkünfte als die Musik, weil sie teilweise 250 Konzerte im Jahr absolvierten. Entsprechend gestalteten sie mit ihren Familien und Kindern ihr Leben mit Haus- oder Wohnungskauf.

Dann mit Corona sanken die Einnahmen über Nacht teils von einem sechsstelligen Einkommen jährlich auf Null. Staatliche Hilfen gab es wenig oder keine. Den Rest kann man sich denken. Ich bin zum Glück wenig betroffen und habe nur einige tausend Euro Verlust durch Konzerte, weil ich seit Jahren vom Musik Unterrichten lebte.

Strategien gibt es keine – höchstens Taxifahren. Die Kleinkunstszene ist zerstört und wird sich nicht mehr erholen. Große Konzertsäle dagegen werden bestimmt wieder in den Spielbetrieb gehen können.

Frage: 40 Jahre Real Bluesband – wie hält man es so lange miteinander aus? Was verbindet Euch musikalisch und was über die Musik hinaus?

Die Band hatte über die vier Jahrzehnte zahlreiche verschiedene Mitglieder. Der einzige, der immer konstant dabei war, bin ich, und mit dem hatte – und habe – ich es schon schwer genug. Ansonsten war eben viel Bewegung.

Mit unserem Saxofonisten, der von Anfang an dabei war und nach einer mehrjährigen Pause schon wieder um die 30 Jahre dabei ist, verbindet mich eine langjährige Freundschaft. Was die anderen betrifft: Wenn eine Band einigermaßen gut funktioniert, hat man immer viele gemeinsame Erlebnisse, die einen verbinden.

Frage: Je älter man wird, desto mehr neigt man dazu, die „guten alten Zeiten“ zu glorifizieren. Wie empfinden Sie die Entwicklung, gerade der regionalen Auftrittsmöglichkeiten, der Situation für Bands, die Aufgeschlossenheit des Publikums…?

Ich habe noch nie dazu tendiert, die 60er und 70er zu verherrlichen – im Gegenteil. Wir wurden von Nazis erzogen, und vieles war nicht so romantisch wie es heute verklärt wird. Die Hippiezeit brachte da einen Schub in die andere, liberalere Richtung, der aber nicht von Dauer war, wie man heute überdeutlich sieht. Die Verdienstmöglichkeiten waren allerdings nicht nur in der Musik deutlich besser, bevor sich der neoliberale Tross durchsetzte.

Unser Publikum ist großenteils mit uns gealtert, was natürlich auch entsprechend weniger heftige Reaktionen als früher zur Folge hat. Heute wird eher bedächtig genossen und mitgewippt, obwohl wir selbst eigentlich zum Glück noch nicht behäbig spielen. Die lokale Lage ist nicht anders als überall.

Frage: An welche(n) Höhepunkt(e) denken Sie spontan beim Rückblick auf vier Jahrzehnte Bandgeschichte?

An ein schönes großes Festival in Südfrankreich, wo wir mit Nino Ferrer und anderen Musikern, die damals sehr bekannt waren, spielten, an Konzerte in Kroatien, natürlich an die unvergessene Session mit den Jahrhundertlegenden Buddy Guy und Junior Wells. Drollig auch, dass Leute wie Klaus Lage und Trio Vorband für uns waren an verschiedenen Festivals Anfang der 80er Jahre.  Das hat sich leider blitzschnell ins Gegenteil verkehrt.

Ansonsten haben wir mit sehr vielen bekannten Bands zusammen schöne Festivals erlebt.

Frage: Wie sind die Zukunftsperspektiven für Euch?

Siehe oben. Die Lage für die Clubszene ist verheerend, und ich bin froh, nicht mehr auf die Einnahmen der Livekonzerte angewiesen zu sein. Ich kann mich nach 45 Berufsjahren wie viele andere Musiker mit einer fetten Rente von 650 Euro zurücklehnen…. 

Konzerte: Freitag, 23.7. und Samstag, 24. Juli, in Rheinfelden-Herten Earl-H.-Wood-Straße 6 Lange & Co. AG, Einlass: 18.30 Uhr, Beginn: 20 Uhr; Vorverkauf: Lange & Co.AG, info@lange24.net oder Tel. 07623/ 9653600 oder unter info@harydeville.de; ansonsten auch Abendkasse

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