Schopfheim Medi-MVZ erfüllt die Erwartungen nicht

Werner Müller

Ärzteversorgung: Medi-Verbund steht in der Kritik / Frustierte Patienten und Stadträte

Schopfheim  - Der Patient hängt immer noch am Tropf: Bei der Ärzteversorgung in der Markgrafenstadt kann von Genesung oder gar Wunderheilung keine Rede sein, im Gegenteil.

Medi-Verbund erfüllt Erwartungen nicht

Die günstigen Prognosen, die viele mit dem Medi-Verbund verknüpften, als dieser 2019 und 2020 die aus Altersgründen vakant werdenden Praxen in Fahrnau (Blessing/Klein) und Hebelstraße (Huber) übernahm, haben sich bislang jedenfalls nicht bewahrheitet.

Die Lage wäre vermutlich noch viel dramatischer, hätte sich dank einer glücklichen Fügung nicht eine Gemeinschaftspraxis aus Hausen zu Beginn dieses Jahres im ehemaligen Rietschle-Turm niedergelassen – die sich von Patientenanfragen seither kaum mehr retten kann.

Dabei hatte der Medi-Verbund im Herbst 2019 noch verkündet, für die Patienten „deutlich längere Sprechstunden“ anbieten zu wollen und mit jungen ärztlichen Vollzeitkräften „mehr Power ins System zu bringen“. Von einem „Gewinn für die Patienten“ war die Rede, von einem auf zwei bis drei Jahren befristeten, provisorischen Medi-MVZ beim Krankenhaus und sogar von Plänen für ein künftiges „Gesundheitshaus“ im Neubauprojekt im „Kohlengässli“.

Praxis in Fahrnau geschlossen?

Geblieben ist davon so gut wie nichts. Die Praxis in Fahrnau scheint geschlossen, jedenfalls verkündet ein Schild, dass die Patientenbetreuung „aus organisatorischen Gründen“ in der Hebelstraße stattfindet. Dort wiederum ist die Arztdichte, vornehm ausgedrückt, sehr überschaubar. Verärgerte Patienten machen ihrem Frust in den sozialen Medien jedenfalls Luft – und laufen dem Medi-MVZ in Scharen davon.

Im Rathaus und im Gemeinderat ist die anfängliche Euphorie über das Engagement des Medi-Verbunds denn auch längst ins Gegenteil umgeschlagen.

Gemeinderat stellt Frage nach Regress

In nicht-öffentlicher Sitzung kritisierten die Räte jüngst das Gebaren des Unternehmens und stellten die Frage nach eventuellen Regressforderungen, weil die Stadt für das provisorische MVZ neben dem Krankenhaus in Vorleistung getreten sei. „Wir haben zwar Zeit und Personal in die Planung investiert, aber kein Geld“, erklärt Bürgermeister Dirk Harscher dazu auf Nachfrage.

Wolfgang Fink, Geschäftsführer des „Medi-MVZ Ärzte vor Ort“, kann solche Vorwürfe nicht verstehen. In seinen Augen ist das Engagement des Unternehmens in Schopfheim vielmehr ein „voller Erfolg“.

Wie auch immer: Mit Blick auf die Ansiedlung einer großen Hausarztpraxis im Kohlengässli spielt das Medi-MVZ für Gemeinderat und Stadtverwaltung als möglicher Partner keine Rolle mehr. „Wir haben davon Abstand genommen“, bestätigt der Bürgermeister.

Geschäftsmodell sorgt für Stirnrunzeln

Auch in Medizinerkreisen sorgt das Geschäftsmodell des Medi-Verbunds für Stirnrunzeln. „Die kommen in ein Gebiet mit Ärztemangel, streichen Zuschüsse ein, nehmen die Patienten unter Vertrag und betreiben die Praxen mit minimalem Aufwand weiter“, schildert ein Insider die gängige Praxis und spricht von einer „gewinnorientierten Gelddruckmaschine“.

Wer – wie der Medi-Verbund – in einem unterversorgten Gebiet eine Hausarztpraxis übernimmt, bekommt von der Kassenärztlichen Vereinigung einen Zuschuss in hohem fünfstelligen Bereich – muss dafür die Praxis aber für eine gewisse Zeit weiter am Laufen halten.

Patienten zu Hausarztvertrag gedrängt

Das Medi-MVZ pocht zudem darauf, dass die Patienten einen so genannten „Hausarztvertrag“ unterschreiben, der festlegt, dass sie als erste Anlaufstelle immer die genannte Praxis in Anspruch nehmen. Mit solchen Verträgen wollen Krankenkassen eigentlich verhindern, dass Patienten wahllos von einem Arzt zum anderen pilgern und so die Gesundheitskosten in die Höhe treiben.

Solche Verträge schließen auch andere Hausarztpraxen ab, aber nicht „flächendeckend“ für alle Patienten, wie es nach Kenntnis von Insidern offenbar beim Medi-Verbund der Fall ist.

Tatsächlich hat so ein Hausarztvertrag für die betroffene Praxis den Vorteil, dass sie von den Krankenkassen pro Monat einen bestimmten Betrag als „Behandlungspauschale“ erhält – auch wenn der Patient kein einziges Mal in die Sprechstunde kam.

Geschäftsführer weist Kritik von sich

Wolfgang Fink lässt die Kritik am Medi-MVZ in der Markgrafenstadt nicht gelten. Der Geschäftfsührer der Medi-Gruppe erinnert in einer Stellungnahme daran, dass der Vorstand der Kassenärztlichen Vereingung Baden-Württemberg (KVBW) das Stuttgarter Unternehmen gebeten habe, die Praxen in Schopfheim zu übernehmen.

„Diesem Ruf sind wir gefolgt und haben in einer Rekordzeit von drei Monaten die Gründung eines MVZ und die Übernahme der Praxen umgesetzt“, so Fink.

Dafür habe es in der Tat Fördermittel der KVBW gegeben. Ohne diesen Einsatz wären indes alle Patienten der betroffenen Praxen „ohne Hausarzt dagestanden“, heißt es in der Stellungnahme weiter.

"Anspruchshaltung auf reslistisches Niveau senken"

Vor diesem Hintergrund sehe er das Medi-MVZ „als vollen Erfolg“, so Fink. Der Medi-Geschäftführer warnt zugleich, wenn es nicht gelinge, die Anspruchshaltung an die ambulante Versorgung in Schofheim „auf ein realistische Niveau zu senken“, würden in den kommenden drei bis fünf Jahren „noch weniger Patienten einen Hausarzt finden“.

Die Praxis in Fahrnau sei weiterhin in Betrieb, versichert Fink, allerdings seien die „dort durchgeführten Tätigkeiten auf beide Standorte verteilt“.

Rezepte und Überweisungen könnten nach vorheriger Bestellung und zwei Tagen Bearbeitungszeit in der Hebelstraße abgeholt werden. Patienten müssten – „auch im Akutfall“ – telefonisch vorab einen Termin vereinbaren.

Zu wenige Ärzte für Patientenzahl

Dass dem Medi-MVZ nur noch ein Arzt/eine Ärztin zur Verfügung steht, bestreitet Wolfgang Fink. Vielmehr seien zwei erfahrene Allgemeinmediziner angestellt, außerdem zwei Assistenzärzte. Das sei für die Anzahl der bis dato betreuten Patienten allerdings zu wenig. Zum Schutz der Mitarbeiter sei er deshalb gezwungen, die „Anzahl der Patienten zu reduzieren“. Sobald die Anstrengungen bei der Arztsuche erfolgreich seien, werde das Medi-MVZ das Betreuungsangebot wieder erweitern.

Patienten, die einen freiwilligen Hausarztvertrag unterschreiben, sind nach seinen Worten bei der Terminvergabe im Vorteil. Ohne Hausarztvertrag könne es in Anbetracht der zu hohen Anzahl der zu versorgenden Patienten zu langen Wartezeiten kommen, so Fink.

Da für angestellte Ärzte im Gegensatz zu ihren selbständigen Kollegen das Arbeitszeitgesetz gelte, könne das Medi-MVZ die steigenden Personalkosten „nur durch die höhere Vergütung im Hausarztvertrag“ ausgleichen.

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