Schopfheim Wenn ein Mensch nichts wert ist.

Kathryn Babeck
Am Markus-Pflüger-Heim wird eine Stolperschwelle verlegt, um der während der NS-Zeit deportierten Bewohner zu gedenken Foto: Werner Müller/Werner Müller

Die Initiative „Stolpersteine Wiesental“ hat sich der Geschichte des Markus-Pflüger-Heims angenommen: Ein eindrücklicher Film wurde gedreht, mit einem Dokumentationsband und einer Stolperschwelle wird nun an die Betroffenen erinnert.

Der Film beginnt mit ruhiger Musik. 108 Namen sind nach und nach zu lesen, manchmal sieht man ein Foto der betroffenen Person: „Das Markus-Pflüger-Heim. Als die grauen Busse kamen – Wie ein Heim zum Tatort wurde“ heißt der 37-minütige Dokumentarfilm der Schülerinnen Kira Hagmann, Anninka Shimshek und Katharina Heubes. Beim aktuellen Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten haben sie dafür einen Preis gewonnen.

Dokumentationsband

Nun wird beim Markus-Pflüger-Heim in Wiechs eine Stolperschwelle für die 108 Personen verlegt. Die Initiative Stolpersteine Wiesental bringt dazu einen Dokumentationsband heraus, in dem die 108 Einzelschicksale festgehalten sind. An diesem Band haben Marianne Merschhemke, Gründerin der Initiative Stolpersteine Wiesental, Stadtarchivar Johann Löwen, Lokalredakteur André Hönig und Johann Faltum gearbeitet. Akten aus unzähligen Archiven haben sie zusammengetragen.

Geschichte des Heims

Im Film gehen die Schülerinnen den Fragen nach „Was war das für ein Ort?“ und „Was wissen wir über die Markus-Pflüger-Einrichtung?“ Sie lassen Jeanette Weiligmann, die aktuelle Heimleiterin, Rainer Piepenbrink, Sohn des einstigen Heimverwalters Herbert Piepenbrink, Johann Faltum, André Hönig sowie den Lokalhistoriker Hansjörg Noe zu Wort kommen.

So erfährt man, dass die Einrichtung 1877 auf Initiative des Lörracher Gastwirts und liberalen Politikers Markus Pflüger ins Leben gerufen wird für Menschen, die Fürsorge und medizinischer Versorgung bedürfen. Damals gibt es in Baden nur zwei solche Einrichtungen, Pflüger will diese mit einem weiteren Heim entlasten. Die Unterkunft entspricht bei Weitem nicht den heutigen Maßstäben, aber für viele Bewohner ist es dennoch eine Art Zuhause. So teilen sie sich zu zwanzigst einen Schlafsaal, essen an einem langen Tisch, helfen in der Küche, und durch Arbeiten in der Landwirtschaft versorgen sie sich zumeist selbst. 1910 sind dort 270 Menschen untergebracht. Zuweilen sind auch Knechte aus der Landwirtschaft darunter, die im Alter nicht mehr bei den Bauern auf dem Hof leben können.

Mord an 107 Menschen

1933 erlassen die Nazis das Gesetz „Zur Verhütung erbkranken Nachwuchs“ – damit ist die Sterilisation von „minderwertigen“ Menschen erlaubt. Im Oktober 1939 erlässt Adolf Hitler die Anordnung zur Massentötung von körperlich und geistig behinderten sowie psychisch kranken Menschen. Damit beginnt ein Mord-Programm im Sinne der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“.

In Wiechs werden in einem ersten Transport 1940 78 Menschen nach Grafeneck gebracht und dort ermordet. Insgesamt sind es 107 Personen, die vom Markus-Pflüger-Heim aus in die Gaskammer geschickt werden. Eine Frau überlebt (s. Artikel unten).

Einzelschicksale

Im Film werden die Geschichten von Anna Gottlieb (*4. Oktober 1887), Emma Lachenmann (*15. März 1881) und Friedrich Döbelin (*1. Mai 1889) genauer beleuchtet. Sie zeigen, wie eine Diktatur persönliche Schicksalsschläge missbraucht, ohne dem Einzelnen irgendein Grundrecht zuzugestehen. Auch wird deutlich, wie Angehörige vergeblich versuchen, Betroffene zu retten.

Aktuelles Thema

In einem Videogespräch mit den drei Schülerinnen sagt Katharina Heubes, es sei ein sehr aktuelles Thema und erschreckend, dass es wieder viele rechte Bewegungen in Deutschland gebe. Die Erstellung des Films sei viel Arbeit gewesen und habe viel Zeit in Anspruch genommen. Die drei haben sich das Projekt aufgeteilt. Es entstand im Zuge eines Geschichtsprojekts, betreut wurden sie von Claudia Tatsch, Lehrerin für Geschichte und Deutsch und Schulleiterin des Theoder-Heuss-Gymnasiums.

Die historischen Hintergründe des Filmes recherchierte Kira Hagmann. Sie war auch für den Schnitt und die Technik des Filmes verantwortlich. Anninka Shimshek hat sich mit den Biografien der Betroffenen auseinandergesetzt und Katharina Heubes hat die Rolle des Anstaltsarztes Herbert Piepenbrink untersucht.

Informationen

Die Verlegung
von Stolpersteinen und -schwelle findet am kommenden Montag, 28. August, statt. Um 14 Uhr werden zunächst die Stolpersteine für Meta und Herbert Mayer in der Hauptstraße 49 verlegt, anschließend derjenige für Katharina Waldi in der Hauptstraße 14. Der Künstler Gunter Demnig wird die Verlegung selbst vornehmen. Schließlich wird die Stolperschwelle vor dem Markus-Pflüger-Heim in Wiechs verlegt. Im Anschluss wird zu einem Beisammensein im Markus-Pflüger-Heim eingeladen.

Der Film
wird am Montag bereits um 12.30 Uhr im katholischen Gemeindehaus gezeigt und nochmals beim Empfang im Markus-Pflüger-Heim.

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