Schopfheim „Wenn einer fehlt, rüttelt das auf“

Markgräfler Tagblatt

Weihnachten: Die Familie ist das große Thema der Predigten in den evangelischen und katholischen Kirchen

Ein ruhiges, besinnliches Weihnachtsfest erlebte die Stadt. Die Polizei meldete keine Vorkommnisse. Zwar ohne Schnee, aber bei kaltem Wetter feierten die Bewohner und machten sich nach reichlich gutem Essen auf zu Spaziergängen oder Schneeausfahrten in die Berge.

Von Petra Martin

Schopfheim. Viele Bürger Besuchten auch die Gottesdienste, sangen und lauschten den Predigten der Pfarrerinnen und Pfarrer. Das brandaktuelle politische Thema der Familienzusammenführung machte Dekanin Bärbel Schäfer am ersten Weihnachtstag in der evangelischen Stadtkirche zum Thema. Dabei wurden Bilder ausgeteilt, auf denen Krippenszenen zu sehen waren, aber es fehlten darauf Familienmitglieder. Und wenn einer fehle, rüttele das auf, sagte Dekanin Schäfer, die an die Kampagne „Recht auf Familie“ erinnerte, die die Kirchen in Baden-Württemberg zusammen mit der Liga der freien Wohlfahrtsverbände gestartet haben.

So viele Familien seien auseinandergerissen. Doch die Gotteskindschaft mache etwas mit den Menschen, sie lasse sie endlich ankommen, so Dekanin Schäfer, die sich auf den ersten Johannesbrief, Kapitel 3, Verse 1-6, bezog; sie mache stark. „Gott hat sich mit mir verbündet, traut mir etwas zu. Traut mir zu, Gesetzlosigkeit zum Beispiel aufzudecken, Sünde zu widerstehen. Traut mir zu, für Gerechtigkeit einzustehen. Dem Frieden zu dienen.“ Die Weihnachtsgeschichte lege dar, dass etwas, das zunächst einen verkorksten Anfang nehme, zu einem guten Ende kommen könne. Die Erfahrung zeige, dass Menschen „nicht hilflos, willenlos, bösen Mächten ausgeliefert“ seien, obwohl es einem so vorkomme. Es gebe Todesnächte voller Verzweiflung, doch die Menschen stünden als Gottes Kinder an der Krippe und spürten die Strahlen der Sonne, betonte Dekanin Schäfer.

Um die Familie ging es auch in der Josefspredigt, die Pfarrer Martin Schmitthenner am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag in Eichen und Fahrnau hielt und bei der er „ein Wort für die Emanzipation des Mannes an der Krippe“ einlegte. Nicht damit die Männerwelt auch hier noch dominiere, wie Pfarrer Schmitthenner betonte. Doch gelte es einmal festzuhalten, dass es Männer nicht leicht hätten. Im Beruf seien sie voller Selbstvertrauen, sie bauten Häuser und Straßen, Autos und Computer, doch zuhause stünden sie oft nur staunend „daneben“, schauten zu. Wer frage den Josef eigentlich nach seinen Gefühlen? Wer sehe ihn je weinen? „Darum ein Plädoyer für den Mann an der Krippe heute, nicht damit Maria ihm die Pantoffeln bringt, nicht damit Weihnachten auch noch Männersache wird, sondern Vertrauenssache für alle, für jeden und alle.“

„Josef muss kein Alleskönner sein“

Josef müsse kein Held wie Arnold Schwarzenegger sein, er werde in seiner ganzen Schwäche von Gott wahr- und ernstgenommen. Sich zu verabschieden vom Bild des Alleskönners, das sei die Lektion, die Josef hinter sich habe, der für ihn, Pfarrer Schmitthenner, ein „starker Typ“ sei, der sich über Traditionen hinwegsetze und um die Familie kümmere.

„Es begab sich aber“ - mit dem Wörtchen „aber“, das im Lukasevangelium an allen wichtigen Stellen steht, befasste sich Pfarrer Schmitthenner bei der Christmette in der Stadtkirche. Die private Familiengeschichte von Maria, Joseph und dem Kind lege sich quer zur Weltgeschichte: Nicht mehr Rom liege im Brennpunkt des Geschehens, sondern das Nest Bethlehem. Insofern habe das Wort „aber“ etwas Provozierendes, Subversives, wie einmal ein Schüler zu ihm gesagt habe, so Schmitthenner.

Über Weihnachten als das „Fest der Inkarnation Gottes“ sprach der katholische Pfarrer Michael Latzel an Heiligabend in Schopfheim und Hausen. Gott habe seine Fleischwerdung nicht in den Schaltzentralen der Macht, nicht in einem prunkvollen Palast und nicht als Superstar begonnen, sondern in einem Stall in der Provinz, als gewöhnliches Neugeborenes, dessen Geburt nicht per Facebook verkündet worden sei, sondern über göttliche Boten.

Gott sei nicht Mensch geworden, um das Leben der Machtvollen zu teilen und nicht das Leben jener, die sich sowieso alles kaufen könnten, und habe sein Reich nicht durch Revolte entstehen lassen, bei der Menschen getötet werden, sondern durch Jesus selbst „Hand“ angelegt, indem er liebe ohne Schutz, verzeihe und versöhne. Pfarrer Latzel wünschte den Gottesdienstbesuchern, „dass wir Gottes Geschenk der Weihnacht für uns selbst erkennen...ohne von uns allzu viel zurückzuhalten“.

„Gott kommt immer neu ins Leben“

Gott habe die oft gedachte und gefühlte Distanz der Menschen zu ihm überwunden, er gebe die Menschen nicht auf, sondern komme immer neu in deren Leben, und diese Liebe könnten die Menschen auch weiterschenken, unterstrich Pfarrer Latzel in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in Höllstein.

„Wir erleben immer mehr eine große Unübersichtlichkeit, es gibt kaum tragende, verbindende Perspektiven“, sagte der katholische Pfarrer Arno Zahlauer am ersten Weihnachtstag bei seiner Predigt in St. Bernhard in Schopfheim. Die Menschen dürften aber ihren Blick, ihre Intuition, ihr Gewissen ernst nehmen. „Unser Engagement, unser Einsatz, unser Hinhören und Hinsehen ist unersetzbar.“ Es gehe „schlicht und einfach“ darum, sich selbst ernst zu nehmen.

Auf die Straßenschlachten nach der Jerusalem-Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ging der evangelische Pfarrer der Bonhoeffer-Gemeinde, Kai Tilgner, ein. Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu, sei alles andere als eine Stadt des Friedens. Doch auch zu Jesu Zeiten sei es nicht beschaulich zugegangen, so Tilgner in seiner Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag in Langenau.

„Weihnachten birgt ein Risiko fürs Gemüt“

Und es machten nicht nur die politischen Zustände, Krisenherde in der ganzen Welt, auf der Erde zu schaffen, sondern auch die persönlichen Beschwernisse und Lasten, von denen manche zu Weihnachten als besonders schwer empfunden würden; das Weihnachtsfest birge durchaus seine Risiken für das menschliche Gemüt.

Aber sollten die Menschen es deshalb nicht mehr feiern? Viele fänden das Fest verlogen, würden wegfahren oder in die Disko gehen. „Aber ich bin der Meinung, dass ihnen damit etwas entgeht“, sagte Kai Tilgner. Es entgehe ihnen ein Licht als Zeichen der Hoffnung gegen alle Dunkelheit dieser Welt, gegen Terror und Gewalt. Das Licht als Symbol des Friedens überstrahle alle finsteren Mächte, und es habe einen Namen: Jesus Christus.

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