Alte Menschen, Arbeitslose oder Analphabeten fühlen sich an den Rand gedrängt, nichts mehr wert, sie schämen sich. Ein akutes Scham-Gefühl ist mit Körperreaktionen wie Erröten oder Erbleichen verbunden, der Betroffene „igelt“ sich ein und möchte in den Erdboden versinken.
Um die Scham zu verbergen, kommt es zu Vermeidungsstrategien oder einer emotionalen Erstarrung, im Extremfall auch zum Suizid nach dem Motto „lieber tot als rot“. Was kann man in der Begegnung und Arbeit mit Menschen also tun, um deren Würde zu respektieren und eine Beschämung zu vermeiden? Hier spielt für Stephan Marks folgende Erkenntnis eine zentrale Rolle: „Scham beginnt mit dem ersten Blick!“
Die Qualität des Augenkontaktes ist also von besonderer Bedeutung – egal, ob zwischen Mutter und Kind, Lehrer und Schüler oder Pflegendem und alten oder sterbenden Menschen. Immer sollte ein freundlicher, offener Blick den Auftakt bilden, damit das Gegenüber sich gesehen und angenommen fühlt.
Augenkontakt ist elementar für eine gute Beziehung
So zeigen neurologische Studien, dass Säuglinge angelächelt werden müssen, damit ihr Gehirn normal wächst. Verweigert man einem Kind die Zuwendung, stürzt es in Angst und Verzweiflung. Im Falle der Betreuung von Alten, Kranken oder Sterbenden sind empathische Umgangsformen ebenfalls enorm wichtig, da sich diese Menschen in ihrer Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit oft schämen.
Diese Schamgefühle können sich auf das Pflegepersonal übertragen, die dann selbst in die Scham rutschen und sich in manchen Situationen völlig überfordert fühlen. „Scham ist ein übergreifendes Gefühl: Man erlebt die Scham des anderen“, weiß Stephan Marks.
Deshalb können Zeugen von Entwürdigungen massiv Scham empfinden, was Gewaltregime häufig als perfides Machtmittel einsetzen. Um unnötige Scham zu vermeiden, sollten die Menschen daher bei unserem Gegenüber – vor allem bei hilflosen und schutzlosen Menschen – das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Integrität, nach Anerkennung und Schutz respektieren.
„Zuhören schafft Zugehörigkeit“, sagte Stephan Marks, der die Teilnehmer zu einem offenen, respektvollen Umgang mit Pflegebedürftigen und Sterbenden ermutigte. Dies gelinge am besten, wenn man sich zuallererst selbst angemessen wertschätze und schütze.
Eine Teilnehmerin der Fachtagung brachte es treffend auf den Punkt: „Wir sollten mit uns selbst befreundet sein.“ Diesen und viele andere wertvolle Ratschläge und Impulse konnten die Teilnehmer von diesem gelungenen Fachtag mit nach Hause nehmen.