Schopfheim „Wir hatten richtig Angst“

Markgräfler Tagblatt

Corona: Peru-Heimkehrer Jürgen Hässler über seine ganz anderen Urlaubserlebnisse.

Schopfheim - Das große Zittern kam erst mit ein paar Tagen Verspätung: Der Schrecken und die Verzweiflung, der Stress und die Ungewissheit, die Jürgen Hässler bei seinem Albtraum-Urlaub in Peru durchmachte, fuhren ihm erst so richtig in die Knochen, als er nach einer elftägigen Odyssee wieder daheim war.

„Für mich war’s hart, viel länger hätte ich das nicht ausgehalten“, erzählt der Musiker gut eine Woche nach der Landung auf heimischen Boden.

Hässler saß, wie viele andere deutsche Touristen wegen des Coronavirus mehrere Tag in Lima in einem Hotel fest und wartete fast zwei Wochen lang auf den Heimflug nach Deutschland.

Ganz ohne Bedenken hatte er die Reise – seine zweite ins südamerikanische Land – am 11. März nicht angetreten. Doch das Reisebüro habe ihm auf Nachfrage versichert, er brauche sich überhaupt keine Gedanken zu machen. Alles sei in Ordnung. Doch schon der Hinflug verlief alles andere als planmäßig – mit einem Tag Verspätung und über Umwege. In Lima selbst konnte Hässler nur den ersten Tag genießen – unter anderem mit einem ein Spaziergang am Meer . „Das war der einzige richtige Urlaubstag“, erinnert sich der Musiker.

Am Tag darauf sollte die „Rundreise zu Kultur- und Naturschätzen“ per Flugzeug nach Cusco führen. Doch nach neunstündiger Warterei am Flughafen – Hässler: „ein einziges Chaos“ mit langen Schlangen und verzweifelten Touristen – stellte sich heraus, dass alle Flüge gestrichen sind.

Für Hässler und seine Mitreisenden ging’s zurück ins Hotel, voller Ungewissheit ob und wann die Reise weitergeht. Nach zwei Tagen rückten Soldaten und Regierungsvertreter ins Hotel ein, verboten die Nutzung aller Gruppenräume und vergatterten die Gäste zu einer Art Quarantäne in ihren Zimmern. Damit nicht genug. Tagtäglich fanden Polizeikontrollen statt. Die Reisenden mussten sich Fieber messen lassen und wurden durchgezählt.

Von früh bis spät eingesperrt zu sein, macht den Tag unendlich lang. Zwar gab es Fernsehen im Zimmer, doch zu empfangen war nur ein Sender, die Deutsche Welle, die in Endlosschleifen immer dasselbe sendete. Dieses Eingesperrtsein und die gähnende Langeweile waren für den umtriebigen Musiker aus Schopfheim schon schlimm genug. Viel schlimmer war jedoch, dass es für die Touristen zunächst keinerlei Informationen gab, wie es weitergeht. Vom Reisebüro habe er die ganze Zeit in Peru nichts gehört, berichtet Jürgen Hässler.

„Wir wurden jeden Tag vertröstet.“

Die einzige Chance, die Isolierung zu umgehen, war das Handy. Über WhatsApp hielt Jürgen Hässler Kontakt zur Familie in der Heimat – und erhielt von dort nicht selten Informationen, von denen er vor Ort rein gar nichts mitbekam. Die Telefonleitungen zur Deutschen Botschaft waren heillos überlastet. Erst nach Tagen erreichte die Urlauber eine Mail des Botschafters, in der er ihnen mitteilte, dass sich die Bundesregierung um Rückflüge kümmere, zugleich aber um Geduld bat. Denn die Zusammenarbeit mit den peruanischen Behörden und dem Militär gestalte sich sehr schwierig. Ein erster Rückflugtermin verstrich denn auch ergebnislos. „Wir wurden jeden Tag vertröstet“, so Hässler.

Und dann ging es doch plötzlich Schlag auf Schlag. Mitten in der Nacht erhielten die deutschen Touristen per Telefon die Nachricht, dass sie um 5 Uhr in der Früh ein Bus zum Militärflughafen bringt. Dort zwängten sich nach Hässlers Schätzung etwa 300 Touristen in ein Zelt, es gab erneut medizinische Untersuchungen, ehe der Botschafter persönlich erschien und sich für die Verzögerungen entschuldigte. „Das war wirklich ein netter Mann“, so Hässler. Wie überhaupt die deutschen Behörden sich wirklich alle Mühe gegeben hätten.

Als die Lufthansa-Maschine schließlich in Richtung Frankfurt abhob, herrschte an Bord keineswegs helle Freude. „Wir waren alle viel zu erschöpft und mit den Nerven am Ende“ erinnert sich Jürgen Hässler.

Im Rückblick nennt er es ein Glück, dass seine Reise gleich am Anfang ins Stocken geriet und ihn nicht weiter ins Landesinnere nach Cusco führte. Dort säße er, wie viele deutsche Touristen, vermutlich heute noch fest und müsste um seine Heimkehr bangen. Und das in einer aufgeheizten Stimmung. In dem Land sei regelrechter Ausländerhass ausgebrochen, berichtet Hässler. Die Einheimischen hätten den Touristen die Schuld gegeben, dass auch in Peru Corona ausbrach. „Wir hatten richtig Angst“, gesteht Jürgen Hässler. Dabei seien die Peruaner an sich unglaublich nette und freundliche Menschen.

Das ist auch ein Grund, weshalb ihn das ehemalige Inka-Reich trotz dieser schlechten Erfahrungen nicht los lässt – die nächste Peru-Reise ist schon geplant. „Ich liebe dieses Land“, betont der glückliche Heimkehrer.

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