Schopfheim Zu Besuch bei „Patient Wald“

Gerald Nill

Gemeinderat: Begehung von Stadträten und Förstern / Trockenschäden sind immens

Es war ein bisschen wie bei einem Krankenbesuch, als Schopfheimer Gemeinderäte und Ortsvorsteher gemeinsam mit dem Bürgermeister und Förstern verschiedene siechende Waldgebiete besuchten, um den Zustand der Bäume zu betrachten und Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

Von Gerald Nill

Schopfheim - Der Schopfheimer „Waldbegang“ war diesmal besonders wichtig, weil der Vororttermin zwei Jahre lang ausfallen musste und die Weichen der Waldbewirtschaftung jetzt für die nächste Dekade gestellt werden.

Dabei ist die künftige Entwicklung höchst ungewiss, wie Förster Bernhard Schirmer angesichts bedrohlicher klimatischer Szenarien darlegte. Schon das dramatische Absterben der mächtigen Buchen am Entegast war in dieser Rasanz nicht einmal von den eilig eingeschalteten Experten der forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg für möglich gehalten worden. Die Baumriesen mussten nach einer schnellen Entscheidung im letzten Jahr gefällt werden, um einerseits noch etwas von ihrem Holzwert einstreichen zu können und zum anderen aus Sicherheitsgründen die Wanderwege an der Wiese geöffnet halten zu können.

„Seit 2015 war es durchweg zu trocken“, bilanzierte der Förster. Drei Badewannen Wasser fehlen auf jedem Quadratmeter. In einigen Publikationen ist bereits von einer „Jahrtausenddürre“ die Rede. Diese verkrafteten die bislang „verwöhnten“ alten Buchen nicht, zumal die letzten 20 Jahre deutlich wärmer waren als das langjährige Mittel. In den 40 Meter hohen Baumkronen kam kaum ein Tropfen an, sie entlaubten früh und ließen auch noch die Stämme überhitzen.

Immense Trockenschäden

Die erste Station machten Lokalpolitiker und Förster aber auf halber Höhe am Entegast. Dort kam vor 15 Monaten ein teurer Seilkran zum Einsatz, der 30 000 Euro kostete und den Einschlag letztlich defizitär machte. Das musste den Gemeinderäten erklärt werden, die den Wald zum Teil noch immer als „Sparkasse“ betrachten.

Förster Stefan Niefenthaler erläuterte, dass durch diese Maßnahme der steile Hang zur Wiese vor Erosion geschützt wurde. Auch die jungen Bäume wurden durch den „schwebenden“ Abtransport der Stämme am Kranhaken verschont, so dass der nächste Wald nun gut heranwächst.

Schneebruch und Borkenkäfer, Sturmholz und Trockenschäden - der Klimawandel hat im Wald viele Facetten. „Kalamitäten“, die der Forst in einem naturnah bewirtschafteten Wald beseitigen muss, um die Folgen zu minimieren. Schirmer stellte klar: „In einem sich selbst überlassenen Wald sind die Trockenschäden gravierender als in einem naturnah bewirtschafteten.“

Freilich sei Naturverjüngung der Königsweg“, präzisierte Niefenthaler. Junge Bäume, die durch natürliche Aussaat wachsen, sind besser verwurzelt als nachgepflanzte.

Doch dann zog Kollege Schirmer ganz oben am Entegast eine Karte hervor, die zeigte, dass selbst der am weitesten verbreitete Baum Mitteleuropas, die Buche, hier in 80 Jahren kaum eine Chance mehr hat, wenn es mit der Erderwärmung so weitergeht. Also müssen die Förster nachhelfen, auch dort, wo junge Buchen schön dicht nachwachsen.   Buchen, die das Jahr 2100 erleben - hoffentlich! Um das Risiko zu minimieren, will Niefenthaler dazwischen auch Eichen und Kirschen und Kastanien setzen.

Vielfalt und Mischung heißt die Devise jetzt im Wald. Für ihn ist klar: „Weg vom Nadelholz!“ Schirmer zog eine andere Szenariokarte hervor, die die Fichte betrifft. Sie habe hier im Klimawandel überhaupt keine Berechtigung mehr, auch wenn er privaten Waldbesitzern das Pflanzen dieses Auslaufmodells nicht verbieten kann. „Aber eine Förderung gibt es für die Fichte nicht.“ Wenn Nadelholz, dann Douglasie, so der Expertenrat: „Die Douglasie hat noch eine gute Chance, weil sie trockenresistenter ist.“ Noch eine Hiobsbotschaft: Abgeschrieben werden auch die Eschen, von denen nur ein bis zwei Prozent gegen das Eschentriebsterben gefeit seien.

„Irrationale Preise“

Irgendwann im Wald machten die Gemeinderäte auf das Missverhältnis zwischen Rohstoffpreisen, die wegen des Borkenkäfers im Keller waren, und den Baumarktpreisen für Holz aufmerksam. „Die Preisentwicklungen sind bisweilen irrational“, befand Schirmer.

Der Höhenflug der Holzpreise sei vor eineinhalb Jahren durch eine unerwartete Nachfrage aus Amerika zustande gekommen. Sie bescherte Großsägereien volle Kassen, und die heimischen Waldbesitzer gingen praktisch leer aus. Jetzt sei zu erwarten, dass auch „unten“ etwas ankomme. „Der Brennholzpreis wird im kommenden Winter deutlich ansteigen“, so die Prognose Schirmers. „Ich habe schon ganz erstaunliche Kurse gehört.“ Auch beim Rundholz steigen die Preise, profitieren also die Waldbesitzer.

Hoher Erholungswert

In Gersbach schauten sich die Lokalpolitiker auch noch die Bedeutung des Waldes für Freizeit und Erholung an. Am Ende war klar, dass der Wert des Waldes nicht mehr nur nach Erträgen aus dem Verkauf des Holzes berechnet werden kann. „Der Wald hat eine hohe Bedeutung für Klima und Gesellschaft. Wir versuchen, die verschiedenen Wald-Funktionen unter einen Hut zu bekommen“, schloss Schirmer.

Info

  • Schopfheim verfügt über rund 3600 Hektar Waldfläche, was einem Anteil von 53 Prozent entspricht.
  • Der Anteil der Laubbäume beträgt 54 Prozent. Der 46-prozentige Anteil der Nadelgehölze nimmt weiter ab. In einer guten Durchmischung sind viele Baumarten vertreten.
  • Die wichtigsten Arten sind Buche (33 Prozent), Fichte (23) und Tanne (17). Im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung werden pro Jahr und Hektar 7,6 Festmeter geerntet, während in derselben Zeit 9,3 Festmeter nachwachsen.
  • Der Wald erfüllt gleichzeitig eine wichtige Funktion, indem er Boden, Wasser und Klima schützt und Lebensraum für seltene Tiere bietet. Den Menschen dient er zur Freizeit und Erholung.

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