Steinen Ein Sammlertraum wird wahr

Markgräfler Tagblatt
Hans-Peter Günther. Foto: Harald Pflüger Foto: Markgräfler Tagblatt

Kurzgeschichte: Hans-Peter Günther über einen „Mercedes“ für den Schreibtisch

Hans-Peter Günther, Büromaschinentechniker, Schreibmaschinensammler und Verfasser von Kurzgeschichten, hat für unsere Wochenendausgabe wieder in die Tasten gegriffen.

Steinen. Als in den Zwanziger Jahren im deutschen Automobilbau eine Absatzkrise einsetzte (1923 wurden weniger Autos gebaut und verkauft als 1921), beschloss am 27. November 1923 der Vorstand der DMG (Daimler-Motoren-Gesellschaft), Massengüter herzustellen, unter anderem auch Schreibmaschinen. Damit sollten Arbeitsplätze und Erträge gesichert werden. Für Schreibmaschinen sah man in diesen Jahren gute Absatzchancen.

Im Januar 1924 wurde in großen deutschen Tageszeitungen die Serienproduktion der Schreibmaschinen angekündigt. Doch bereits 1927 wurde die Fabrikation wieder aufgegeben, nachdem Daimler (Stuttgart) und Benz (Mannheim) fusioniert hatten.

Da bereits 1914 durch einen Namensvertrag der Name „Mercedes“ an die Büromaschinenwerke in Zella-Mehlis (Thüringen) verkauft worden war, durften die Untertürkheimer ihre Schreibmaschine nicht Mercedes nennen. So kam es zum Namen DMG. Trotzdem sind die DMG-Schreibmaschinen in Sammlerkreisen auch als Mercedes bekannt. Da in diesem kurzen Produktionszeitraum nur sehr wenige (vielleicht 2000) Schreibmaschinen hergestellt wurden und nur noch wenige erhalten sind, wünschen sich viele Sammler, solch ein Exemplar zu besitzen.

Mein Wunsch war es ebenfalls. Und das Glück war mir hold. Das kam so: Am Anfang stand die Suche. In einer führenden Oldtimer-Zeitschrift gab ich eines Tages ein Inserat auf: Suche DMG/Mercedes-Schreibmaschine zu kaufen.

Tatsächlich kamen auch etliche telefonische Angebote, und immer musste ich fragen: Was steht auf dem Papierblech? Antwort: Mercedes.

Aber die suchte ich nicht. Ich suchte eine Schreibmaschine mit der Aufschrift DMG.

Dann kam ein vielversprechender Anruf, der mich aufhorchen ließ: Es steht DMG drauf.

Sollte ich wirklich so viel Glück haben? Ich konnte es kaum fassen. Denn bis dato waren nur zwei DMG-Schreibmaschinen bekannt. Am nächsten Morgen rief ich wieder an und erkundigte mich, ob es möglich wäre, ein Foto von der Schreibmaschine zu erhalten.

Ja schon, ich schicke es Ihnen auf Ihren Computer.

Geht leider nicht. Ich brauche es in Papierform und per Post.

Ein paar Tage später die Überraschung: Ein Umschlag mit Fotos. Sie zeigten wirklich eine DMG. Und der Zustand war auch noch recht gut. Nun rief ich an und erkundigte mich nach dem Preis. Keine Ahnung, hörte ich. Machen Sie mir ein Angebot. Mit „keine Ahnung“ ist das immer so eine Sache. Hat der Verkäufer wirklich keine Ahnung oder will er mich nur testen?

Auch ich musste mich erst einmal schlau machen. Es folgte ein Rundruf bei Kollegen, ohne den Namen des Verkäufers und des Standorts zu nennen.

Wenn es wirklich eine DMG-Schreibmaschine ist, dann ist der Preis zwischen drei- und vierstellig, wurde mir gesagt.

Ich sagte dem Verkäufer, dass ich soundsoviel Euro biete. Nach kurzem Zögern stimmte er zu. Perfekt. Aber die Schreibmaschine stand im Allgäu, einige hundert Kilometer von Steinen entfernt.

Per Paket kann man solch eine Schreibmaschine nicht versenden, denn die Bruchgefahr ist zu groß. Es kam also nur eine persönliche Übergabe infrage.

Da ich nicht mehr gerne so lange Strecken fahre, machte ich dem Verkäufer den Vorschlag, mich zu besuchen. Ich würde auch die Spesen übernehmen.

Der Verkäufer fuhr gerne Auto, und eines Tages stand er bei herrlichem Wetter mit seinem Mercedes 280 SL Cabrio vor der Tür. Im Kofferraum stand die ersehnte DMG-Schreibmaschine.

Bei Kaffee und Kuchen wurde der Kauf besiegelt. Und nach einer netten Unterhaltung folgte ein freundliches Abschiedswinken.

Jetzt gibt es also eine dritte noch existierende DMG. Eine steht im Mercedes-Museum in Stuttgart, eine in einem Auktionshaus in Köln und eine bei mir. Weitere sind mir nicht angeboten worden. Natürlich kann trotzdem irgendwo eine solche Schreibmaschine stehen, nur weiß es niemand, oder es soll niemand wissen.

Nebenbei bemerkt: Es gibt weitaus seltenere und somit auch teurere Schreibmaschinen. Diese werden immer wieder mal bei Auktionen angeboten und sind mit einer entsprechend gefüllten Brieftasche zu erwerben.

Was für den Briefmarkensammler die Blaue Mauritius, ist für mich als Schreibmaschinensammler eine DMG. Sozusagen der wahre Mercedes unter den Schreibmaschinen, wenn man so will.

Nachsatz: Als ich die Schreibmaschine vom Verkäufer erwarb, wollte ich von ihm wissen, wie er zu ihr gekommen ist. Meine Sorge war, ob er der rechtmäßige Besitzer war. Das ist bei einer solch stolzen Kaufsumme nicht unerheblich.

Der Verkäufer erklärte mir, dass er bei Mercedes gearbeitet habe und dort jahrelang für die Beschaffung des Büromaterials zuständig war. Als er altershalber ausschied, durfte er sich eine der dort stehenden DMG-Schreibmaschinen aussuchen und mitnehmen. Er habe sich dann die Schönste ausgesucht. Es müssen demnach mehrere Maschinen zur Auswahl gestanden haben. Seinen Äußerungen zufolge müssen diese DMG-Schreibmaschinen hauptsächlich in den Büros von Mercedes im Einsatz gewesen sein. Wenn, wie vermutet, rund 2000 Stück hergestellt wurden, muss man sich fragen, ob die alle in den Büros von Daimler-Benz wirklich gebraucht wurden. Andererseits kletterte die Zahl der Beschäftigten von 14 000 (1928) auf 74 000 (1944).

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