Steinen Entbehrungsreiche Lebensumstände

Markgräfler Tagblatt

Aktionstag: Bauernhausmuseum Schneiderhof bietet Zeitreise in längst vergangene Jahrhunderte

Über mangelnden Besuch konnten sich die Aktiven des Bauernhausmuseums Schneiderhof am Samstag nicht beklagen. Von nah und fern strömten die Gäste zum monatlich stattfindenden Aktionstag, so dass im stündlichen Wechsel parallel drei Führungen angeboten wurden.

Von Gudrun Gehr

Steinen-Endenburg. Monika Haller, auch bekannt als „Wäscherin Luise“, führte detailreich durch den mehr als 300 Jahre alten Bauernhof, vom Schneiderhof-Verein 1987 erworben und in mehr als 25 000 Handwerkerstunden in den ursprünglichen Zustand versetzt. Wie bei einer Zeitreise in längst vergangene Jahrhunderte fühlten sich die Gäste beim Anblick der Rauchküche und der „Schüüre“ mit Heubühne versetzt. In der „großen Stube“ mit Kunst, Kachelofen und Herrgottswinkel berichtete Monika Haller über die Herkunft der alemannischen Bezeichnung „Kunscht“. Das Wort ist abgeleitet vom lateinischen „Hypokaustum“.

In der Scheune konnten eine Vielzahl alter landwirtschaftlicher Geräte wie der „Rendel“, die Getreideputzmaschine, bestaunt werden. Insbesondere war in der alten Scheune die mühselige Arbeit der früheren Bauern nachzuempfinden. Ebenfalls vorstellen konnten sich die Besucher die herrschende Kälte im Winter in der kaum isolierten, ungeheizten Schlafkammer. In der schwarzen Rauchküche war der Glanzruß der letzten drei Jahrhunderte greifbar. Der Schneiderhof vermittelte den Besuchern ein anschauliches Bild über die entbehrungsreichen Lebens- und Arbeitsumstände der bäuerlichen Gesellschaft früherer Jahrhunderte, die heute kaum mehr nachvollziehbar sind.

Nägel schmieden

Anschaulich führte Günter Waßmer das Schmieden von Nägeln vor, wobei sich die Besucher selbst an der mühsamen und schweißtreibenden Arbeit am Amboss versuchen konnten. Noch vor 100 Jahren arbeiteten selbst im kleinen Lehnacker noch 20 Nagelschmiede, meist Bauern, die sich mit dem Verkauf ihrer Produkte an Händler oder Schuhmanufakturen einen kleinen Nebenverdienst erwirtschafteten.

Die Schmiedeeisen wurden in der bäuerlichen Schmiede in der Glut des Holzkohlefeuers erhitzt, wobei auch der entstandene Rauch nochmals genutzt wurde. Dieser wurde über ein Rohr, „Fuchs“ genannt, in die Rauchküche geleitet. Oft waren „mehrere Eisen im Feuer“, sie wurden auf dem Amboss rotglühend gehämmert und spitz zugeschmiedet, zuletzt wurden nach dem Einspannen im Nageleisen „Nägel mit Köpfen“ gemacht. Ein tüchtiger Schmied fertigte damals bis zu 120 Nägel in der Stunde.

Seile aus Seegras drehen

Mit Jürgen Kammerer konnten die Besucher Seile wie „anno dazumal“ herstellen. Die Bauern fertigten ihre Seile, die sie im Obstanbau und in der Viehhaltung brauchten, selbst. Benötigt wurde hierzu Waldseegras, kurz Seegras genannt, das bevorzugt an Böschungen und Wegrainen wächst. Im Falle des Schneiderhofs wächst das nahezu reißfeste und scharfkantige Gras praktisch „vor der Haustür“, vom Vieh aufgrund der Verletzungsgefahr nicht beachtet. Das Gras mit mikroskopisch feinen Widerhaken wird zusammengefügt, in die „Seegras-Drülli“ eingespannt und zu einem beliebig langen Seil gedreht. Durch die Widerhaken verflechtet sich das Gras und wird ohne größeren Aufwand zu einem sehr belastbaren und reißfesten Seil.

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