Steinen Im Glauben vereint in die neue Heimat

Markgräfler Tagblatt

Reformationsserie – Teil 4: Evangelisch-lutherische Flüchtlinge finden in Steinen ein neues Zuhause

Von Hartmut Hermanns

Der Thesenanschlag Martin Luthers im Jahr 1517 war der Auftakt zur Reformation, ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. 500 Jahre später wird in ganz Deutschland das Jubiläum gefeiert. Im Rahmen einer Serie blicken wir auf die Reformation im Dreiländereck und ihre Auswirkungen. Die Serie wandert bis Ende November durch den gesamten Lokal- und Regionalteil unserer Zeitung. Die vierte Folge widmet sich der evangelisch-lutherischen Gemeinde Steinen.

Steinen. 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem damaligen Sudetenland, heute Tschechische Republik, darunter auch Angehörige der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Tetschen-Bodenbach – heute Decin. Mit viel Verhandlungsgeschick gelang es Pfarrer Präger, von den tschechischen Behörden vor Einsetzen der systematischen Vertreibung eine Bewilligung zu erhalten, als Gruppe zusammen in die sowjetische Besatzungszone auszureisen.

In zwei Gruppen unter der Leitung von Pfarrer Präger und Pfarrer Reinhardt konnten sich etwa 400 Gläubige am 27. Juni 1945 vor den Verfolgungen in Sicherheit bringen. Auf getrennten Wegen – größtenteils zu Fuß – erreichten sie schließlich Ende August das Nördlinger Ries. Die teilweise schier unmenschlichen Entbehrungen und Nöte, denen die Flüchtlinge auf dem Treck ausgesetzt waren, sind heute kaum mehr nachzuvollziehen. Der Glaube an Gottes Fügung und der Zusammenhalt der Gemeinde ließen die Flüchtlinge die Beschwernisse und Gefahren überwinden.

Im Ries wurden die Flüchtlinge auf Dörfer verteilt und mussten Unterschlupf nehmen bei einfachen und armen Bauern. Die Kluft zwischen den überwiegend städtischen Sudetendeutschen und der einheimischen bäuerlichen Bevölkerung sorgte für manche Schwierigkeiten. Hinzu kam ein großer Mangel an Arbeitsmöglichkeiten.

Pfarrer Präger, der schon den Treck durch Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden hilfreich begleitet hatte, machte sich 1949, als der Aufnahmestopp für Flüchtlinge in der französischen Besatzungszone aufgehoben worden war, auf den Weg nach Südbaden und traf dort auf den damaligen Staatspräsidenten des Landes (Süd)Baden, Leo Wohlleb, der ihm den Rat gab, seine Schutzbefohlenen in den Kreis Lörrach zu schicken, da dort gute Arbeitsmöglichkeiten vorhanden wären. Einem Aufruf von Pfarrer Präger in Nördlingen und der weiteren Umgebung, sich einem Umzug nach Südbaden anzuschließen, folgten auch Vertriebene evangelisch-lutherischen Glaubens aus dem Batschka (heute Serbien), die in verschiedenen Trecks seit 1944 im Donaumoos ein Dach über dem Kopf erhalten hatten. So verließen diese Menschen in mehrere Schüben Bayern und kamen nach Herten in das dortige Aufnahmelager für Flüchtlinge. Von dort aus wurden sie auf die Dörfer im Kreis Lörrach verteilt, zum Teil auch auf sehr entlegene.

Unermüdlich war Pfarrer Präger weiter tätig, um für seine Schützlinge einen Ort zu finden, an dem sie vereint im Glauben eine neue Heimat finden konnten.

Da traf es sich, dass Präger mit dem „Hirschen“-Wirt Karl Gebhardt ins Gespräch kam. Dieser wolle schon lange, gemeinsam mit anderen aus dem Männerkreis der evangelischen Kirche in Steinen, nicht nur die Bibel lesen, sondern praktische Hilfe für die Heimatvertriebenen leisten.

Die Flüchtlinge sollten in Steinen angesiedelt werden. Im Verbund mit der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks der evangelischen Kirchen in Deutschland wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt.

Auf zwei Hektar sollten Doppelhäuser für insgesamt 26 Familien errichtet werden. Karl Gebhardt schenkte über ein Hektar seines Wiesen- und Ackerlandes im Gewann Neumatt der Siedlungsgesellschaft, den Rest verkauften ansässige Eigentümer. Bürger aus Steinen zeichneten Bürgschaften für die Kaufsummen, die sie jährlich verzinsen mussten. Sach- und Geldspenden wurden auf einen Aufruf des Förderkreises hin gerne gegeben. Der Kaufmann Ernst Pflüger übernahm im Auftrag der Siedlungsgesellschaft die praktische Abwicklung. Die zukünftigen Siedler, die über kein Geldvermögen verfügten, trugen das Ihre durch tätige Mitarbeit am Bau bei – genauestens verbucht und abgerechnet. Welch eine Freude, als 1951 schließlich 13 Doppelhäuser den Familien übergeben werden konnten.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading